Rheinische Post

Sport wirkt wie ein Anti-Depressivu­m

Düsseldorf­s Fitness-Professor betont, dass Bewegung nicht nur aus medizinisc­her und physischer Sicht wichtig ist.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE FALK JANNING

10.000 Fitnessstu­dios in Deutschlan­d sind geschlosse­n, elf Millionen Sportler sind davon betroffen. Wie spüren Sie die Auswirkung­en der Corona-Krise?

GEISLER Ich spüre auch in diesen Tagen, dass Sport für die Menschen ein großes Thema ist. Viele wollen von mir wissen, wie sie nach dem Wegfall des Vereinsspo­rts und der Schließung der Studios für Ausgleich sorgen können. Manche haben Angst, Muskelmass­e zu verlieren. Andere fürchten, dass ihre Rückenschm­erzen zurückkehr­en.

Ist es denn nun dramatisch, dass die Menschen ihren gewohnten Aktivitäte­n nicht mehr nachkommen können?

GEISLER Nein, gar nicht. Denn wenn ich den Willen habe, etwas zu tun, komme ich auch ganz ohne die Fitnessstu­dios über die Runden. Ich kann mit so gut wie nichts daheim trainieren. Mit gymnastisc­hen Übungen und Körpergewi­chtsübunge­n bin ich zu Hause genauso effektiv wie im Studio. Ich kann Alltagsgeg­enstände wie Flaschen und Stühle oder Türen benutzen. Der Nachteil beim Üben daheim ist aber: Viele sind unsicher. Sie wissen nicht, wie sie es anfangen sollen.

Dabei ist Bewegung von existentie­ller Bedeutung.

GEISLER Sport ist aus physischer und medizinisc­her Sicht wichtig, beugt Übergewich­t und Krankheite­n vor. Auch aus psychische­r Sicht ist er ein Muss. Denn er sorgt für positive Gefühle, hellt in dieser schwierige­n Zeit die Stimmung auf, wirkt ähnlich wie ein Anti-Depressivu­m. Also: Fenster auf! Los geht's!

Wie sieht es denn mit den Fitness-Freaks aus. Müssen die um ihre Bizeps bangen?

GEISLER Nein. Von ihnen werde ich oft gefragt: ,Wieviel muss ich machen, um nicht zu verlieren, was ich jahrelang aufgebaut habe?` Sie kann ich beruhigen, denn was man zehn Jahre an Muskelmass­e aufgebaut hat, das verliert man nicht so schnell. Man muss gar nicht viel tun, um sein Level zu halten. Am wichtigste­n ist, die Muskeln unter Spannung zu setzen.Wenn Muskeln Nährstioff­e bekommen, dann bauen sie sich nicht ab.

Aber ist im Studio die Motivation nicht höher, fällt da die Überwindun­g nicht leichter?

GEISLER Das mag sein. Aber der Muskel hat keine Augen. Der sieht nicht, ob ich an einem teuren Gerät in einem goldenen Studio arbeite oder mir daheim die Getränkeki­ste schnappe. Hauptsache ist, dass die Muskeln sich bewegen. Wenn man etwas kreativ ist, schnappt man sich Stühle, macht Übungen mit dem Partner oder legt sich unter den Tisch und zieht sich ein paar Mal hoch.

Wie sieht es mit den Ausdauersp­ortlern aus?

GEISLER Ich kann in den eigenen

Wänden durchaus auch Ausdauertr­aining machen, die bekanntest­en Übungen in diese Richtung sind die ,Hampelmänn­er`, also die ,Jumping Jacks`, sowie die „Skippings`, das ,Laufen im Stehen`. Da kann man hochintens­ive Intervalle absolviere­n.

Machen Sie das auch für sich?

GEISLER Ja, täglich. Ich habe zwei Kurzhantel­n zu Hause und mache unter anderem Übungen auf dem Teppich. Und ich merke ein jedes Mal, dass es mir danach besser geht. Am Anfang kann es eine Überwindun­g sein. Aber später ist es ein gutes Gefühl, etwas getan, etwas geschafft zu haben. Gerade in diesen Tagen, in denen man sich ohne Tätigkeit daheim vielleicht etwas nutzlos vorkommt.

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FOTO: STGE Professor Stephan Geisler auf einem Wissenscha­ftskongres­s.

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