Rheinische Post

GESELLSCHA­FT

Der Zauberer Peter Vohralik besucht Kinder, um ihnen eine Ablenkung von der Corona-Krise zu bieten.

- VON DANIEL SCHRADER (TEXT) UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Zauberer Peter Vohralik lenkt Kinder von der Corona-Krise ab.

STRÜMP Er wirkt ein wenig verloren, wenn er sich auf der Straße in alle Richtungen umsieht. Wie ein Vertreter auf der Suche nach einem neuen Kunden. Auch sein Auftreten im langen Mantel, mit Zylinder und einer großen, antiquiert­en Ledertasch­e passt in dieses Bild. Doch Peter Vohralik will niemandem Haushaltsw­aren verkaufen, er will zaubern. Und da das aktuell auf den großen Bühnen nicht möglich ist, kommt er zu den Kindern nach Hause und macht deren Vorgärten und Einfahrten zu seiner Manege, um ihnen eine Abwechslun­g zum eintönigen Alltag dieser Zeit zu bieten.

Drei Auftritte hat er an diesem Tag. Am Abend zuvor hat er in den Häusern seine Flyer verteilt, um sein Kommen anzukündig­en. Jeden Tag besucht er eine andere Straße in Meerbusch. Wer ihn Zaubern sehen möchte, muss den Flyer an die Haustür hängen und warten, bis der Magier dreimal klingelt.

Seine erste Zuschaueri­n ist die sechsjähri­ge Jule, die bereits sehnsüchti­g am Fenster auf ihn wartet. Denn Peter ist es wichtig, dass jeder Kontakt mit den Bewohnern vermieden wird. Daher bleibt das Fenster während des gesamten Auftritts geschlosse­n. Zudem sind die Eltern angehalten, niemanden zu der Show einzuladen. Doch das macht Peters Auftritte für ihn auch sehr herausford­ernd. Magie lebt von ihrer Show, ihrer Atmosphäre und vor allem von der Interaktio­n mit dem Publikum. Deshalb hat sich der Zauberer einige Tricks einfallen lassen, mit denen sich die gläserne Barriere überwinden lässt. Mit einem mobilen Lautsprech­er sorgt er für die passende Musik, auf einem Notenständ­er hat er einige Schilder mit Botschafte­n platziert, mit denen er durch sein Programm führt. Spektakulä­re Illusionen sind bei seinen Hausbesuch­en nicht möglich, dafür fehlen Zeit und vor allem der Platz in seiner Tasche. Stattdesse­n zeigt er vor allem Taschenspi­elertricks.

Nachdem er in wenigen Sekunden sein Equipment vor Jules Fenster aufgebaut hat, geht seine magische Show los.Vor den ungläubige­n Augen des Mädchens lässt er Knöpfe und Karten verschwind­en, aus der leeren Luft Tücher erscheinen und steckt scheinbar lückenlos geschlosse­ne Metallring­e ineinander. Immer wieder darf sich das Mädchen einbringen, durch das Fenster pusten oder selbst hinter der Scheibe zaubern, um Peter zu unterstütz­en. Zehn Minuten dauert seine Show, bis er sich unter tosendem Applaus von dem Mädchen und ihrer Mutter verabschie­det, sein Equipment wieder einpackt und nach dem nächsten Flyer an der Tür sucht.

Auf die ungewöhnli­che Idee kam er vor knapp zwei Wochen, als er zu Hause in Langst-Kierst mit seiner Familie gespannt beobachtet­e, wie ein Eichhörnch­en akrobatisc­h versuchte, an sein Futter heranzukom­men. „Dann dachte ich mir, dass genauso gut ich da draußen stehen könnte, um zu zaubern, ohne dabei jemanden anzustecke­n.“Zwei Tage später lagen bereits die ersten Flyer in den Briefkäste­n. Seitdem ist er jeden Tag unterwegs. Da er weder als Zauberer, noch in seiner Malschule, die er parallel betreibt, aktuell arbeiten kann, hat er genügend Zeit für sein Projekt. Geld nimmt er für seine Auftritte aber nicht. Ihm geht es darum, den Kindern eine kurze Ablenkung zu bieten, denn natürlich nehmen auch sie die Ängste und Unsicherhe­iten der Corona-Krise wahr.„Und ich freue mich, wenn ich den Leuten gut in Erinnerung bleibe“, sagt er.

Seine nächste Zuschaueri­n an dem Tag ist die elfjährige Charlotte. Mit Kreide hat sie ihm auf den Boden genau markiert, wo er hinkommen soll. Ihre Mutter Britta hat dagegen zum Dank eine Packung mit Schokolade vor das Fenster gestellt. „Man weiß nie, was einen erwartet“, erzählt Peter. Einmal habe ihm ein Kind mit Gartenstüh­len und Kuscheltie­ren eine kleine Manege gebaut. Ein anderes Mal stand Peter bis zur Brust in einem Gebüsch, um nah genug am Fenster stehen zu können. Dieses Mal darf er es sich jedoch auf der Hauseinfah­rt bequem machen.

Sein Auftritt ist der zweite an diesem Tag, jedoch mindestens der 50., seitdem er mit seinen magischen Hausbesuch­en angefangen hat; jedes Mal mit denselben Tricks. Und dennoch zeigt er immer wieder dieselbe Begeisteru­ng bei seinen Auftritten. „Wenn ich sehe, wie sich die Kinder über meine Tricks freuen, ist das wunderbar.“Und das gilt auch für Charlotte und ihre Mutter, die den Zauberer nach seinem Auftritt mit lautem Jubel verabschie­den.

Dass seine Aktion so viel positive Resonanz hervorrufe­n würde, hätte Peter jedoch nicht erwartet. Nicht nur bei seinen Zuschauern, sondern auch in sozialen Netzwerken wie Facebook. Zudem haben sich schon deutschlan­dweit einige Nachahmer gefunden, die jetzt ebenfalls vor den Fenstern ihr magisches Können zeigen. Wie lange Peter mit der Aktion weitermach­en will? Das weiß er selbst nicht. Denn niemand kann abschätzen, wie lange die aktuelle Situation noch so bleibt. Aber es gibt schließlic­h noch genügend Straßen in der Stadt, die der Magier noch nicht besucht hat.

 ??  ?? Die sechsjähri­ge Jule beobachtet beigeister­t, wie Peter Vohralik vor ihr scheinbar geschlosse­ne Ringe ineinander­steckt.
Die sechsjähri­ge Jule beobachtet beigeister­t, wie Peter Vohralik vor ihr scheinbar geschlosse­ne Ringe ineinander­steckt.
 ??  ?? Mit seinem Equipment und einem Notenständ­er stellt sich der Magier vor die Fenster der Kinder
Mit seinem Equipment und einem Notenständ­er stellt sich der Magier vor die Fenster der Kinder
 ??  ?? Jeden Tag ist Peter Vohralik mit seiner Show an einer anderen Straße in Meerbusch unterwegs.
Jeden Tag ist Peter Vohralik mit seiner Show an einer anderen Straße in Meerbusch unterwegs.

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