GESELLSCHAFT
Der Zauberer Peter Vohralik besucht Kinder, um ihnen eine Ablenkung von der Corona-Krise zu bieten.
Zauberer Peter Vohralik lenkt Kinder von der Corona-Krise ab.
STRÜMP Er wirkt ein wenig verloren, wenn er sich auf der Straße in alle Richtungen umsieht. Wie ein Vertreter auf der Suche nach einem neuen Kunden. Auch sein Auftreten im langen Mantel, mit Zylinder und einer großen, antiquierten Ledertasche passt in dieses Bild. Doch Peter Vohralik will niemandem Haushaltswaren verkaufen, er will zaubern. Und da das aktuell auf den großen Bühnen nicht möglich ist, kommt er zu den Kindern nach Hause und macht deren Vorgärten und Einfahrten zu seiner Manege, um ihnen eine Abwechslung zum eintönigen Alltag dieser Zeit zu bieten.
Drei Auftritte hat er an diesem Tag. Am Abend zuvor hat er in den Häusern seine Flyer verteilt, um sein Kommen anzukündigen. Jeden Tag besucht er eine andere Straße in Meerbusch. Wer ihn Zaubern sehen möchte, muss den Flyer an die Haustür hängen und warten, bis der Magier dreimal klingelt.
Seine erste Zuschauerin ist die sechsjährige Jule, die bereits sehnsüchtig am Fenster auf ihn wartet. Denn Peter ist es wichtig, dass jeder Kontakt mit den Bewohnern vermieden wird. Daher bleibt das Fenster während des gesamten Auftritts geschlossen. Zudem sind die Eltern angehalten, niemanden zu der Show einzuladen. Doch das macht Peters Auftritte für ihn auch sehr herausfordernd. Magie lebt von ihrer Show, ihrer Atmosphäre und vor allem von der Interaktion mit dem Publikum. Deshalb hat sich der Zauberer einige Tricks einfallen lassen, mit denen sich die gläserne Barriere überwinden lässt. Mit einem mobilen Lautsprecher sorgt er für die passende Musik, auf einem Notenständer hat er einige Schilder mit Botschaften platziert, mit denen er durch sein Programm führt. Spektakuläre Illusionen sind bei seinen Hausbesuchen nicht möglich, dafür fehlen Zeit und vor allem der Platz in seiner Tasche. Stattdessen zeigt er vor allem Taschenspielertricks.
Nachdem er in wenigen Sekunden sein Equipment vor Jules Fenster aufgebaut hat, geht seine magische Show los.Vor den ungläubigen Augen des Mädchens lässt er Knöpfe und Karten verschwinden, aus der leeren Luft Tücher erscheinen und steckt scheinbar lückenlos geschlossene Metallringe ineinander. Immer wieder darf sich das Mädchen einbringen, durch das Fenster pusten oder selbst hinter der Scheibe zaubern, um Peter zu unterstützen. Zehn Minuten dauert seine Show, bis er sich unter tosendem Applaus von dem Mädchen und ihrer Mutter verabschiedet, sein Equipment wieder einpackt und nach dem nächsten Flyer an der Tür sucht.
Auf die ungewöhnliche Idee kam er vor knapp zwei Wochen, als er zu Hause in Langst-Kierst mit seiner Familie gespannt beobachtete, wie ein Eichhörnchen akrobatisch versuchte, an sein Futter heranzukommen. „Dann dachte ich mir, dass genauso gut ich da draußen stehen könnte, um zu zaubern, ohne dabei jemanden anzustecken.“Zwei Tage später lagen bereits die ersten Flyer in den Briefkästen. Seitdem ist er jeden Tag unterwegs. Da er weder als Zauberer, noch in seiner Malschule, die er parallel betreibt, aktuell arbeiten kann, hat er genügend Zeit für sein Projekt. Geld nimmt er für seine Auftritte aber nicht. Ihm geht es darum, den Kindern eine kurze Ablenkung zu bieten, denn natürlich nehmen auch sie die Ängste und Unsicherheiten der Corona-Krise wahr.„Und ich freue mich, wenn ich den Leuten gut in Erinnerung bleibe“, sagt er.
Seine nächste Zuschauerin an dem Tag ist die elfjährige Charlotte. Mit Kreide hat sie ihm auf den Boden genau markiert, wo er hinkommen soll. Ihre Mutter Britta hat dagegen zum Dank eine Packung mit Schokolade vor das Fenster gestellt. „Man weiß nie, was einen erwartet“, erzählt Peter. Einmal habe ihm ein Kind mit Gartenstühlen und Kuscheltieren eine kleine Manege gebaut. Ein anderes Mal stand Peter bis zur Brust in einem Gebüsch, um nah genug am Fenster stehen zu können. Dieses Mal darf er es sich jedoch auf der Hauseinfahrt bequem machen.
Sein Auftritt ist der zweite an diesem Tag, jedoch mindestens der 50., seitdem er mit seinen magischen Hausbesuchen angefangen hat; jedes Mal mit denselben Tricks. Und dennoch zeigt er immer wieder dieselbe Begeisterung bei seinen Auftritten. „Wenn ich sehe, wie sich die Kinder über meine Tricks freuen, ist das wunderbar.“Und das gilt auch für Charlotte und ihre Mutter, die den Zauberer nach seinem Auftritt mit lautem Jubel verabschieden.
Dass seine Aktion so viel positive Resonanz hervorrufen würde, hätte Peter jedoch nicht erwartet. Nicht nur bei seinen Zuschauern, sondern auch in sozialen Netzwerken wie Facebook. Zudem haben sich schon deutschlandweit einige Nachahmer gefunden, die jetzt ebenfalls vor den Fenstern ihr magisches Können zeigen. Wie lange Peter mit der Aktion weitermachen will? Das weiß er selbst nicht. Denn niemand kann abschätzen, wie lange die aktuelle Situation noch so bleibt. Aber es gibt schließlich noch genügend Straßen in der Stadt, die der Magier noch nicht besucht hat.