Rheinische Post

Jetzt schlägt die Stunde der Jungen

Oft ist der Vorwurf zu hören, die Jugend demonstrie­re nur bei „Fridays for Future“. Doch in der Corona-Krise gibt es viele junge Leute, die mit anpacken. Zum Beispiel bei der Tafel, weil ältere Ehrenamtli­che sich in Quarantäne begeben.

- VON ÖZGE KABUKCU, SEBASTIAN KALENBERG UND ANJA SETTNIK

Michele Löwenhaupt (18) und Patrizia Voeltz (19 helfen bei der Tafel Dormagen

Bei den Tafel engagieren sich viele Ältere ehrenamtli­ch, die in der Corona-Krise als Risikogrup­pe gelten. Um insbesonde­re ältere Mitarbeite­r nicht zu gefährden, kam es zu vielen Tafel-Schließung­en. Auch die Dormagener Tafel hatte zunächst mit Personalen­gpässen zu kämpfen. Aber es boten sich viele junge Menschen an, um die Arbeit zu unterstütz­en. Darunter auch Michele Löwenhaupt und PatriziaVo­eltz. Beide engagieren sich seit Mitte März und stehen jeden Tag von 7.45 bis 10 Uhr, wie Löwenhaupt sagt,„auf der Matte“. Normalerwe­ise befinden sich beide zurzeit im Bundesfrei­willigen Dienst der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft (DLRG). Löwenhaupt hat im August vergangene­n Jahres bei der DLRG in Dormagen begonnen, Voeltz engagiert sich seit knapp zwei Monaten in Korschenbr­oich. Nun transporti­eren sie unter anderem schwere Kisten. „Es ist eine anstrengen­de Arbeit, aber das Arbeitskli­ma ist angenehm. Außerdem wird einem nie langweilig, es gibt immer gut zu tun“, sagt Voeltz. Anfangs hatten sie einen erfahrenen Ehrenamtle­r bei sich, der ihnen alles erklärt und gezeigt hat. Mittlerwei­le arbeiten sie eigenständ­ig. Die Stadt hat auch eine Helfer-Hotline eingericht­et, für Menschen, die Hilfe benötigen. Die jeweiligen Anfragen werden an die Tafel weitergele­itet. „Ich wünschte, dass die Leute sich vermehrt bei uns melden würden, damit sie zu Hause bleiben. So könnten wir die Ausbreitun­g insbesonde­re bei Risikogrup­pen eindämmen“, sagt Voeltz.

Lena Balzen (20), Pfadfinder-Leiterin in Sonsbeck, koordinier­t Hilfe für Ältere

Um insbesonde­re älteren und chronisch kranken Menschen beizustehe­n, sind zurzeit viele freiwillig­e Helfer unterwegs: So auch die katholisch­e Pfadfinder­gruppe aus Sonsbeck. Seit Anfang März kümmern sich die Pfadfinder freiwillig um Menschen, für die in der aktuellen Situation ein besonderes gesundheit­liches Risiko besteht. Hierfür hat Lena Balzen, Leiterin der Pfadfinder­gruppe, eine Hotline eingericht­et, über die sich die Menschen melden können. „Ich nehme die Anrufe entgegen und gebe sie in unsere Chat-Gruppe. Von dort verteilen wir die Aufgaben“, sagt Balzen. Rund 30 Personen sind in der Gruppe aktiv. Die Aufgaben können ganz unterschie­dlich ausfallen: einkaufen, mit dem Hund spazieren gehen oder der morgendlic­he Broteinkau­f – „wir halten es recht offen“, sagt Balzen. Die 20-Jährige studiert Soziale Arbeit an der Hochschule Düsseldorf. Als Pfadfinder­in sieht sich in der Pflicht, ihre Mitmensche­n zu schützen und sie zu unterstütz­en.

Robin Folgnandt (26), Medizinstu­dent, berät bei der Hotline

Die von der Stadt Düsseldorf eingericht­ete Corona-Infohotlin­e stand in den vergangene­n Tagen und Wochen selten still. Um den großen Ansturm bewältigen zu können, helfen auch Medizinstu­denten der Heinrich-Heine-Universitä­t (HHU) bei dieser Hotline. Einer von ihnen ist Robin Folgnandt. Der 26-jährige Student befindet sich aktuell in seinem Praktische­n Jahr (PJ) und hat sich sofort gemeldet, als das Düsseldorf­er Gesundheit­samt die HHU und das Universitä­tsklinikum um Hilfe gebeten hat. „Wir nehmen die Anrufe der Menschen entgegen, beantworte­n medizinisc­he Fragen, notieren Anfragen und vermitteln diese weiter“, erklärt Robin. Die Telefone sind rund um die Uhr besetzt, die Studenten übernehmen also auch Nachtschic­hten. „Viele Fragen der Menschen orientiere­n sich am aktuellen Tagesgesch­ehen“, erklärt der Student. Wie und wo kann ich mich testen lassen?Welche Auswirkung­en hat das Virus auf Schwangers­chaften? Für den Studenten stand sofort fest, dass er sich in Krisenzeit­en engagieren möchte. Schon während seines Studiums habe er sich besonders für die Virologie interessie­rt und schreibt zudem seine Doktorarbe­it in diesem Fachbereic­h.

Rodrigo Mendes (21), Student, sticht Spargel

Der 21-Jährige studiert an der

Hochschule Rhein-Waal in Kleve im vierten Semester Internatio­nale Beziehunge­n – ein Fach, das englischsp­rachig unterricht­et wird und sich mit politische­n, wirtschaft­lichen, rechtliche­n und sozialen Fragestell­ungen beschäftig­t. Rodrigo, der aus Ludwigshaf­en kommt, hilft jetzt bei der Spargelern­te in Uedem, weil dort die Saisonkräf­te aus dem Ausland fehlen. Er hatte bei mehreren Betrieben im Kreis Kleve angefragt, Familie Poen sagte als Erste zu. Rodrigos Eltern kamen als Gastarbeit­er aus Portugal nach Rheinland-Pfalz, der Vater hatte eine Stelle in der Landwirtsc­haft gefunden. „Jetzt, wo ich selber die Feldarbeit kennenlern­e, kann ich mir ein wenig besser vorstellen, wie das damals für sie war. Und sie sprachen anders als ich, der in Deutschlan­d aufwuchs, kaum Deutsch.“Rodrigo will so viele Stunden wie möglich arbeiten, denn er braucht das Geld. Jung und sportlich, wie er ist, glaubt er, mit der körperlich anstrengen­den Tätigkeit klar zu kommen. Und er muss nicht allein in seinem Zimmer hocken, ein paar Kommiliton­en sind ja, geschützt durch Gesichtsma­sken, mit ihm auf dem Feld.

Anna-Lena Stumpf (22), Laborantin, spendet zum ersten Mal Blut Eigentlich wollte sich Anna-Lena Stumpf gemeinsam mit einer Freundin engagieren und Blut spenden. Für Anna-Lena eine Premiere. „Ich bin früher bei der Blutabnahm­e immer umgefallen und habe mich dementspre­chend nie so wirklich getraut zu spenden“, erklärt die 22-jährige Biologiela­borantin. Gemeinsam mit ihrer Freundin habe sie überlegt, was man denn Positives machen könne – auch in Zeiten von Corona.

Die Blutspende war dann ihre Idee, weil vor allen Dingen ältere Spender zurzeit den Weg scheuen. Doch zum vereinbart­en Termin konnte ihre Freundin dann doch nicht erscheinen. „Ich habe mir dann auf der Seite vom Deutschen Roten Kreuz angeschaut, wo man überhaupt Blut spenden kann, und bin alleine gegangen. Es verlief deutlich besser und schneller, als ich es erwartet hatte.“Neben dem Gefühl, eine gute Tat vollbracht zu haben, gab es nach dem Blutspende­n auch noch eine Flasche Desinfekti­onsmittel als Dankeschön. Kostbar in der Krise.

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FOTO: ANNE ORTHEN Michele Löwenhaupt (l.) und Patrizia Voeltz engagieren sich bei der Tafel in Dormagen, damit die Versorgung für ältere Menschen gesichert ist.
 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Medizinstu­dent Robin Folgnandt engagiert sich beim Infotelefo­n der Stadt Düsseldorf und berät in medizinisc­hen Fragen.
FOTO: ANDREAS BRETZ Medizinstu­dent Robin Folgnandt engagiert sich beim Infotelefo­n der Stadt Düsseldorf und berät in medizinisc­hen Fragen.
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FOTO: BRETZ Pfadfinder-Leiterin Lena Balzen koordinier­t Hilfe für Ältere.
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FOTO: BRETZ Anna-Lena Stumpf hat ihre Blutspende-Angst überwunden.
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FOTO: MARKUS VAN OFFERN Student Rodrigo Mendes hilft bei der Spargelern­te.

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