„Pakete auch sonntags zustellen“
Der Postvorstand berichtet von einem Paketboom wie vor Weihnachten – nur ohne Vorbereitungszeit.
BONN Das Interview findet wegen der Beschränkungen durch das Coronavirus am Telefon statt. Paketvorstand Tobias Meyer erzählt vom bevorstehenden Osterfest: Er bleibt mit der Frau und Kindern zu Hause, die Eltern werden per Videotelefonie angerufen.
Herr Meyer, wie führt der Vorstand den Konzern Deutsche Post DHL, während er sich vor Infektionen schützen muss?
MEYER Die Gesundheit geht vor, also wird mehr digital kommuniziert und mehr telefoniert. Wir sind es als Vorstand zum Glück gewohnt, auch schwierige Dinge in Telekonferenzen zu besprechen, weil die Kollegen der DHL-Sparten sehr viel global unterwegs sind. Hier im Bonner Post-Tower arbeitet mittlerweile weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten von zu Hause aus, um Infektionsrisiken zu senken und um bei Quarantänen genügend nicht-betroffene Kolleginnen und Kollegen zu haben.
Geht die deutsche Politik klug mit der Corona-Krise um?
MEYER Nicht nur unser Land steckt in einer Krise, wie sie die meisten von uns in ihrem Leben so noch nicht erlebt haben. Da gibt es keinen Masterplan, man muss auf Sicht agieren. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass die Politik ihren Job gut macht.
Wird die Post den Betrieb fortführen können auch bei immer mehr Corona-Kranken?
MEYER Wir gehen davon aus, dass wir unsere Aufgaben auch bei einer Verschärfung der Corona-Krise erfüllen können. Wir sind letztlich auch dazu verpflichtet, haben Notfallpläne erarbeitet und unsere Leute sind sehr engagiert.
Was passiert im Fall des Falles?
MEYER Bisher ist kein Verteilzentrum in Deutschland lahmgelegt gewesen. Es könnte nur im Extremfall so sein, dass wir Sendungen nur noch an wenigen Tagen pro Woche zustellen oder dass nur noch Postbevorrechtigte ihre Sendungen erhalten, während andere Sendungen eingelagert werden. Das sind Vorgaben aus dem Gesetz, an die wir uns halten werden. Derzeit ist aber nicht zu sehen, dass solche Einschränkungen notwendig werden könnten. Hilfreich wäre aber beispielsweise, punktuell auch sonntags arbeiten zu können, um Spitzen der Paketzustellung besser bewältigen zu können.
Ist denkbar, dass die von Ihnen geleitete Paket- und Briefsparte großer Krisengewinner sein wird, weil der Online-Handel und damit auch das Paketgeschäft zulegen?
MEYER Angesichts der aktuell enormen Herausforderungen für sehr viele Unternehmen kann es aus meiner Sicht keine Gewinner in dieser Krise geben. Bei uns muss man sehen, dass das Briefgeschäft derzeit schwächelt, weil viele Firmen weniger Post verschicken. Bei Paketen und Päckchen legen wir zwar zu, aber auch nicht überall: So sah man bis in die erste Aprilwoche deutlich weniger Bestellungen bei Anbietern von Kleidung oder von manchen Luxusartikeln, weil die Menschen aktuell andere Prioritäten haben. Andererseits sehen wir weiter einen deutlichen Zuwachs von Bestellungen bei Unternehmen, die Güter der Grundversorgung anbieten, beispielsweise Tierfutter, Hygieneartikel, Lebensmittel. Und als dritten Trend versenden immer mehr kleine Unternehmen an Menschen aus der Umgebung. Damit binden sie Kunden, obwohl viele Geschäfte ja geschlossen sein müssen.
Um wie viel Prozent legt das Paketgeschäft zu?
MEYER Die Menge liegt mittlerweile sehr spürbar über der des Vorjahres zu dieser Zeit und wird vermutlich auch durch die aktuellen Reiseeinschränkungen erst einmal nicht zurückgehen. Mittlerweile haben wir mit derzeit über acht Millionen Sendungen pro Tag deutlich mehr als sonst vor Ostern. Dies ist ein Aufkommen wie in derVorweihnachtszeit – außer, dass wir keine Zeit hatten, uns hierauf vorzubereiten und nicht wissen, wie lange dieser Anstieg anhält.
Wenn das Paketgeschäft nun so deutlich anzieht, werden wie vor Weihnachten viele Tausend Leute als Aushilfen angeheuert?
MEYER Wir fahren natürlich im Paketbereich die Kapazitäten weiter hoch und haben innerhalb von zwei Wochen eine Zusatzkapazität geschaffen, die der Gesamtkapazität des nächst größten Wettbewerbers entspricht. Auch verlagern wir einen Teil des Transports von sehr großen Paketen in Bereiche des Konzerns, wo anderes Geschäft weggebrochen ist. Aber auch im Paketbereich direkt setzen wir vermehrt Kollegen aus anderen Bereichen wie dem Briefoder Landfrachtgeschäft ein – wo immer dies eben geht. Ferner helfen analog zum Vorweihnachtsgeschäft vorübergehend auch Mitarbeiter aus dem Verwaltungsbereich mit. Den sonstigen Bedarf decken die lokalen Niederlassungen derzeit nach eigenem Ermessen. Am Willen, Leute zu beschäftigten liegt es sicherlich nicht – ein bisschen mehr Zeit zu haben für diesen massiven Umbau hätte geholfen. Aber so geht es sicherlich nicht nur uns in diesen Zeiten.
Sie bieten in Heinsberg an, dass Kunden vom Rewe Waren erhalten. Das soll ausgebaut werden?
MEYER Ja, wir wollen einen Beitrag leisten, die Verbreitung der Pandemie zu bremsen und Risikogruppen zu schützen. Inzwischen ist auch Edeka mit einem Markt dabei. Über die neue Initiative „DHL Lokal Handeln“gehen wir aber weiter und bieten bundesweit lokalen Kaufleuten, die ihre Läden schließen mussten an, ihre Waren online zu verkaufen und zu versenden. Namhafte Marktplatzbetreiber aus dem Online-Handel stellen ihre Plattformen dafür zu besonderen Konditionen bereit.
Erschwert Corona das Zustellen?
MEYER: Wegen Corona treffen wir immer mehr Bürger auch tagsüber zu Hause an, beispielsweise weil sie aus dem Home Office arbeiten. Das erleichtert die Zustellung. Andererseits sind höhere Vorsichtsmaßnahmen notwendig. So erfolgt die morgendliche Vorbereitung in zwei Wellen, um größere Abstände einhalten zu können. Auch unterschreibt der Zusteller oder die Zustellerin seit Mitte März stellvertretend für den Empfänger, um denkbare Infektionen zu vermeiden. Diese Maßnahme wurde sehr positiv aufgenommen.