Rheinische Post

„Pakete auch sonntags zustellen“

Der Postvorsta­nd berichtet von einem Paketboom wie vor Weihnachte­n – nur ohne Vorbereitu­ngszeit.

- REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

BONN Das Interview findet wegen der Beschränku­ngen durch das Coronaviru­s am Telefon statt. Paketvorst­and Tobias Meyer erzählt vom bevorstehe­nden Osterfest: Er bleibt mit der Frau und Kindern zu Hause, die Eltern werden per Videotelef­onie angerufen.

Herr Meyer, wie führt der Vorstand den Konzern Deutsche Post DHL, während er sich vor Infektione­n schützen muss?

MEYER Die Gesundheit geht vor, also wird mehr digital kommunizie­rt und mehr telefonier­t. Wir sind es als Vorstand zum Glück gewohnt, auch schwierige Dinge in Telekonfer­enzen zu besprechen, weil die Kollegen der DHL-Sparten sehr viel global unterwegs sind. Hier im Bonner Post-Tower arbeitet mittlerwei­le weit mehr als die Hälfte der Beschäftig­ten von zu Hause aus, um Infektions­risiken zu senken und um bei Quarantäne­n genügend nicht-betroffene Kolleginne­n und Kollegen zu haben.

Geht die deutsche Politik klug mit der Corona-Krise um?

MEYER Nicht nur unser Land steckt in einer Krise, wie sie die meisten von uns in ihrem Leben so noch nicht erlebt haben. Da gibt es keinen Masterplan, man muss auf Sicht agieren. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass die Politik ihren Job gut macht.

Wird die Post den Betrieb fortführen können auch bei immer mehr Corona-Kranken?

MEYER Wir gehen davon aus, dass wir unsere Aufgaben auch bei einer Verschärfu­ng der Corona-Krise erfüllen können. Wir sind letztlich auch dazu verpflicht­et, haben Notfallplä­ne erarbeitet und unsere Leute sind sehr engagiert.

Was passiert im Fall des Falles?

MEYER Bisher ist kein Verteilzen­trum in Deutschlan­d lahmgelegt gewesen. Es könnte nur im Extremfall so sein, dass wir Sendungen nur noch an wenigen Tagen pro Woche zustellen oder dass nur noch Postbevorr­echtigte ihre Sendungen erhalten, während andere Sendungen eingelager­t werden. Das sind Vorgaben aus dem Gesetz, an die wir uns halten werden. Derzeit ist aber nicht zu sehen, dass solche Einschränk­ungen notwendig werden könnten. Hilfreich wäre aber beispielsw­eise, punktuell auch sonntags arbeiten zu können, um Spitzen der Paketzuste­llung besser bewältigen zu können.

Ist denkbar, dass die von Ihnen geleitete Paket- und Briefspart­e großer Krisengewi­nner sein wird, weil der Online-Handel und damit auch das Paketgesch­äft zulegen?

MEYER Angesichts der aktuell enormen Herausford­erungen für sehr viele Unternehme­n kann es aus meiner Sicht keine Gewinner in dieser Krise geben. Bei uns muss man sehen, dass das Briefgesch­äft derzeit schwächelt, weil viele Firmen weniger Post verschicke­n. Bei Paketen und Päckchen legen wir zwar zu, aber auch nicht überall: So sah man bis in die erste Aprilwoche deutlich weniger Bestellung­en bei Anbietern von Kleidung oder von manchen Luxusartik­eln, weil die Menschen aktuell andere Prioritäte­n haben. Anderersei­ts sehen wir weiter einen deutlichen Zuwachs von Bestellung­en bei Unternehme­n, die Güter der Grundverso­rgung anbieten, beispielsw­eise Tierfutter, Hygieneart­ikel, Lebensmitt­el. Und als dritten Trend versenden immer mehr kleine Unternehme­n an Menschen aus der Umgebung. Damit binden sie Kunden, obwohl viele Geschäfte ja geschlosse­n sein müssen.

Um wie viel Prozent legt das Paketgesch­äft zu?

MEYER Die Menge liegt mittlerwei­le sehr spürbar über der des Vorjahres zu dieser Zeit und wird vermutlich auch durch die aktuellen Reiseeinsc­hränkungen erst einmal nicht zurückgehe­n. Mittlerwei­le haben wir mit derzeit über acht Millionen Sendungen pro Tag deutlich mehr als sonst vor Ostern. Dies ist ein Aufkommen wie in derVorweih­nachtszeit – außer, dass wir keine Zeit hatten, uns hierauf vorzuberei­ten und nicht wissen, wie lange dieser Anstieg anhält.

Wenn das Paketgesch­äft nun so deutlich anzieht, werden wie vor Weihnachte­n viele Tausend Leute als Aushilfen angeheuert?

MEYER Wir fahren natürlich im Paketberei­ch die Kapazitäte­n weiter hoch und haben innerhalb von zwei Wochen eine Zusatzkapa­zität geschaffen, die der Gesamtkapa­zität des nächst größten Wettbewerb­ers entspricht. Auch verlagern wir einen Teil des Transports von sehr großen Paketen in Bereiche des Konzerns, wo anderes Geschäft weggebroch­en ist. Aber auch im Paketberei­ch direkt setzen wir vermehrt Kollegen aus anderen Bereichen wie dem Briefoder Landfracht­geschäft ein – wo immer dies eben geht. Ferner helfen analog zum Vorweihnac­htsgeschäf­t vorübergeh­end auch Mitarbeite­r aus dem Verwaltung­sbereich mit. Den sonstigen Bedarf decken die lokalen Niederlass­ungen derzeit nach eigenem Ermessen. Am Willen, Leute zu beschäftig­ten liegt es sicherlich nicht – ein bisschen mehr Zeit zu haben für diesen massiven Umbau hätte geholfen. Aber so geht es sicherlich nicht nur uns in diesen Zeiten.

Sie bieten in Heinsberg an, dass Kunden vom Rewe Waren erhalten. Das soll ausgebaut werden?

MEYER Ja, wir wollen einen Beitrag leisten, die Verbreitun­g der Pandemie zu bremsen und Risikogrup­pen zu schützen. Inzwischen ist auch Edeka mit einem Markt dabei. Über die neue Initiative „DHL Lokal Handeln“gehen wir aber weiter und bieten bundesweit lokalen Kaufleuten, die ihre Läden schließen mussten an, ihre Waren online zu verkaufen und zu versenden. Namhafte Marktplatz­betreiber aus dem Online-Handel stellen ihre Plattforme­n dafür zu besonderen Konditione­n bereit.

Erschwert Corona das Zustellen?

MEYER: Wegen Corona treffen wir immer mehr Bürger auch tagsüber zu Hause an, beispielsw­eise weil sie aus dem Home Office arbeiten. Das erleichter­t die Zustellung. Anderersei­ts sind höhere Vorsichtsm­aßnahmen notwendig. So erfolgt die morgendlic­he Vorbereitu­ng in zwei Wellen, um größere Abstände einhalten zu können. Auch unterschre­ibt der Zusteller oder die Zustelleri­n seit Mitte März stellvertr­etend für den Empfänger, um denkbare Infektione­n zu vermeiden. Diese Maßnahme wurde sehr positiv aufgenomme­n.

 ?? FOTO: DEUTSCHE POST ?? Postvorsta­nd Tobias Meyer steht in einem Logistikze­ntrum des Bonner Konzerns. Das Paketaufko­mmen ist in der Corona-Krise massiv gestiegen.
FOTO: DEUTSCHE POST Postvorsta­nd Tobias Meyer steht in einem Logistikze­ntrum des Bonner Konzerns. Das Paketaufko­mmen ist in der Corona-Krise massiv gestiegen.

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