„Wir rechnen mit 1500 neuen Arbeitslosen“
Die Chefin der Arbeitsagentur spricht über Kurzarbeit und Zuverdienste und erklärt, wo es offene Stellen und Ausbildungsplätze gibt. Sie macht Mut.
Frau Schoofs, von jetzt auf gleich sind Teile der Wirtschaft zusammengebrochen. Haben Sie jemals so eine Situation auf dem Arbeitsmarkt erlebt?
Schoofs Zu Anfang dachte ich, dass die Situation an die Finanzkrise von 2008/2009 erinnert, aber mir ist schnell klar geworden, dass es diesmal ganz anders ist. Es geht nicht um einen Einbruch in der Nachfrage, es geht nicht nur um Großbetriebe, sondern es sind viele kleine und mittlere Betriebe betroffen, aber auch Selbstständige, Künstler und Freiberufler. Es ist jetzt entscheidend, die Strukturen zu erhalten, um ein schnelles Wiederhochfahren zu ermöglichen, wenn es soweit ist. Dafür haben wir mit dem Kurzarbeitergeld ein bewährtes und erfolgreiches Instrument an der Hand.
Erklären SIe noch einmal kurz: Wie funktioniert das Kurzarbeitergeld?
Schoofs Das Kurzarbeitergeld ist ein Instrument für Betriebe. Sie beantragen Kurzarbeit und reichen später eine Liste mit den Mitarbeitern ein, die Kurzarbeitergeld bekommen. Dann erhalten sie das Geld, das sie bereits an ihre Mitarbeiter ausgezahlt haben, zurück. Das dauert im Augenblick ein wenig länger als sonst, wir haben aber das Personal massiv aufgestockt. Wo sonst 20 Mitarbeiter für drei Agenturbezirke arbeiten, sind jetzt 280 Vollzeitbeschäftigte tätig. Die zusätzlichen Kräfte mussten geschult werden, aber jetzt läuft es gut.
Wie wirkt sich die Krise bisher auf den Arbeitsmarkt in Mönchengladbach aus?
Schoofs Wir haben natürlich noch keine endgültigen Zahlen, aber in Mönchengladbach rechnen wir zurzeit mit 1000 Menschen, die sich neu arbeitslos melden, und im RheinKreis Neuss, der auch zum Agenturbezirk gehört, mit 1500. Betroffen sind alle Berufszweige und Qualifikationsniveaus. Auch Fachkräfte sind darunter. Aber wir haben auch offene Stellen und vermitteln während der Krise direkt weiter. Bei uns fällt keiner durchs Raster. Außerdem wird das Arbeitslosengeld schnell, unkompliziert und ohne bürokratischen Aufwand gezahlt. Uns ist die Botschaft wichtig: Wir sind weiter für Sie da.
Werden auch weiterhin offene Stellen gemeldet?
Schoofs Ja, es gibt durchaus Personalbedarf. Zum Beispiel bei Onlinehändlern, aber auch im Gesundheitswesen, im Einzelhandel, sogar im verarbeitenden Gewerbe. Es wird beispielsweise verstärkt Schutzausrüstung produziert. Stellenangebote gibt es bei uns im Internet. Dazu klickt man die Startseite der Arbeitsagentur Mönchengladbach an und dort die Jobsuche in der Region.
Auch Landwirte suchen gerade händeringend Erntehelfer. Ist es eigentlich möglich, Beschäftigte in Kurzarbeit woanders einsetzen zu können?
Schoofs Wer Kurzarbeitergeld erhält, kann dazuverdienen. Das ist jedem selbst überlassen, man muss sich allerdings auch um Sozialversicherung und Ähnliches kümmern. Die Landwirte setzen allerdings lieber Erntehelfer ein, die sie kennen und die gut eingearbeitet sind. Es gibt jetzt eine pauschale Genehmigung für Nicht-EU-Ausländer. Dabei wird nicht mehr geprüft, ob die
Stellen auch anderweitig zu besetzen gewesen wären.
Wie viele Betriebe haben Kurzarbeit angemeldet?
Schoofs Uns liegen naturgemäß noch keine endgültigen Zahlen vor, aber wir gehen davon aus, dass von den etwa 17.000 Betrieben in Mönchengladbach und im Rhein-Kreis Neuss ein Viertel Kurzarbeit anmeldet, also etwa 4300. Über die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter können wir noch keine validen Angaben machen, denn die Kurzarbeit kann für alle oder nur für einen Teil beantragt werden.
Das Kurzarbeitergeld beträgt 60 Prozent des Nettoverdienstes. Es gibt viele, die aufstocken müssen, weil es nicht reicht. Wie läuft das?
Schoofs Dafür ist das Jobcenter da. Das geht relativ unkompliziert. Es ist wahr, dass Kurzarbeit bei niedrigen Einkommen zu finanziellen Engpässen führen kann, aber das Kurzarbeitergeld ist ein wunderbares Instrument, das die Menschen in Lohn und Brot hält und es den Betrieben ermöglicht, nach der Krise wieder Fuß zu fassen, denn sie können auf ihr erfahrenes Personal zurückgreifen. Deshalb sind wir 2009 so gut aus der Krise gekommen. Unsere Wirtschaft in Mönchengladbach und Neuss ist robust aufgestellt und wir haben die Chance, dass das auch bei dieser Krise funktioniert.
Wie macht sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt bemerkbar?
Schoofs Es gab noch keine wahrnehmbareVeränderung und ich hoffe, dass die Betriebe so clever sind, weiter auszubilden. Ausbildung ist die Riesenchance, auf Dauer gut qualifiziertes Personal zu gewinnen. Und das werden die Unternehmen wieder brauchen. Der Fachkräftebedarf ist ja nicht verschwunden, er ist nur verschoben. Ausbildung istVorsorge für die nächste Hochkonjunkturphase.
Was können Auszubildende tun, die jetzt ihre Prüfungen machen würden und das Zeugnis brauchen, um sich woanders zu bewerben? Was raten Sie denen?
Schoofs Sie sollten die Arbeitsagentur kontaktieren. Wir sind dazu da, um zu helfen.
Gibt es Bereiche, die gerade besonders viele Auszubildende suchen?
Schoofs Ja, in den Gesundheitsberufen ist ein hoher Bedarf, im Bereich der Kranken- und Altenpflege zum Beispiel. Für die Logistikbranche müssen Fahrer und Lokführer ausgebildet werden. Im Einzelhandel werden Fachverkäufer gebraucht. Auch als Arbeitsagentur stellen wir ein. Bei uns kann man sowohl eine Ausbildung als auch ein duales Studium machen. Wer Interesse hat, kann uns einfach anmailen. Wir stellen außerdem Aushilfen ein, zum Beispiel für Zuarbeit bei der Abrechung. Wer motiviert ist und sich gut anstellt, hat auch gute Chancen auf eine Festanstellung.
Wie lange hält unsere Wirtschaft den Shutdown durch?
Schoofs Wir sind als Volkswirtschaft und auch als Agenturbezirk sehr robust aufgestellt. Der Rhein-Kreis ist ein super Motor und Mönchengladbach hat sich positiv entwickelt. Aber die Wirtschaft ist global vernetzt und wenn die Zulieferung nicht klappt, kann auch die Produktion nicht anlaufen. Als Faustformel kann man sagen: Je länger der Shutdown dauert, desto länger brauchen wir im Anschluss, um mit der Krise fertigzuwerden. Aber egal, wann es wieder losgeht:Wir haben die Chance, zügig wieder auf ein gutes Niveau zu kommen. Die Lösungen existieren, und als Arbeitsagentur wollen wir Teil der Lösung sein.