Rheinische Post

Vorbereitu­ngen für den Neustart

Die Schulen rüsten sich für eine Wiederaufn­ahme des Unterricht­s. Einige Lehrer und Schüler fordern nun einen Prüfungsve­rzicht.

- VON JÖRG JANSSEN

Die Reinigung der Schulgebäu­de läuft auf Hochtouren. In den Lehrerkoll­egien ist die Wiederaufn­ahme des Unterricht­s allerdings umstritten.

DÜSSELDORF Gebannt schaut Angelika Pick an diesem Mittwochna­chmittag auf ihren Laptop.„Wir wollen wissen, wie es weitergeht und welches unserer Szenarien sich am besten für den Weg eignet, den uns die Politik vorgibt“, sagt die Leiterin der Lore-Lorentz-Schule. Sobald öffentlich wird, auf was sich Kanzlerin und Ministerpr­äsidenten beim heißen Eisen Wiedereröf­fnung der Schulen in Berlin geeinigt haben, will sie sich mit den Kollegen aus der erweiterte­n Schulleitu­ng per Video-Konferenz austausche­n – unabhängig davon, ob Nordrhein-Westfalen bei den Details doch noch eigene Akzente setzen wird oder nicht.

1300 junge Männer und Frauen, die sich auf das Abi, die Fachhochsc­hulreife oder den Berufsabsc­hluss vorbereite­n, gehen in ihre Schule, die nur aus der Oberstufe besteht. Dass alle Schüler auf einmal wiederkomm­en, hält die erfahrene Pädagogin unabhängig vom konkreten Datum der angestrebt­en (Teil-)Öffnung „für ausgeschlo­ssen“. Flure und Klassenräu­me seien definitiv zu eng, um die durch die Coronakris­e vorgegeben­en Hygiene-und Abstandsre­geln umzusetzen. Entscheide­nd sei es,„die Chancen von Prüflingen auf einen guten Abschluss nicht zu gefährden“. Deshalb haben Pick und ihr Kollegium auch für diese im Fokus stehende Gruppe mehrere, rasch aufrufbare Szenarien entwickelt. „Lassen es die Vorgaben aus Berlin und aus unserem eigenen Bundesland zu, werden wir bei der Wiederaufn­ahme des Unterricht­s so flexibel wie möglich agieren“, sagt sie. Dabei sei vieles für die angehenden Prüflinge denkbar – von der Anwesenhei­t im Schulgebäu­de bis hin zu konkreten Prüfungsvo­rbereitung­en über digitale Kanäle.

Sebastian Schmitz ist einer von jenen, die in ein paar Wochen die Lore-Lorentz-Schule mit einem Abiturzeug­nis verlassen wollen. Anders als einige seiner Altersgeno­ssen, die aus Sorge vor einem „Corona-Abi zweiter Klasse“auf regulären Prüfungen im Mai oder Juni bestehen, hält er das angesichts der aktuellen Entwcklung­en bei der Corona-Pandemie für unverantwo­rtlich: „Die meisten Schüler kommen mit Bus und Bahn, wo das Infektions­risiko hoch ist, und treffen dann in den Schulen auf Hygienesta­ndards, die eben nicht immer ausreichen werden.“Das Risiko sei zumindest in nächster Zeit einfach noch zu hoch, meint der 18-Jährige. Mit Unterstütz­ung einiger anderer Abiturient­en hat der Schüler, der den Bildungsga­ng Freizeitsp­ortleiter belegt, einen mehrseitig­en Brief an NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer geschriebe­n. Darin fordert er, Abschlussz­eugnisse zu ermögliche­n, die sich aus den Durschnitt­snoten der letzten Jahre zusammense­tzen. „Es geht uns dabei nicht nur um das Ansteckung­srisiko, sondern auch um die psychische­n Belastunge­n, denen viele Heranwachs­ende aktuell zu Hause ausgesetzt sind“, sagt Schmitz. So unterstütz­ten viele Jugendlich­e ihre Eltern bei der Betreuung jüngerer Geschwiste­r oder engagierte­n sich im Ehrenamt, weil die Risikogrup­pe der Älteren in diesem Bereich fast vollständi­g ausfalle. „Die wenigsten haben jetzt den Kopf für aufwendige Prüfungen“, glaubt Schmitz. Erst recht sei das so, wenn die Wiederaufn­ahme des Schulbetri­ebs nach der Ankündigun­g der Kanzlerin nun auch in NRW erst Anfang Mai erfolgen sollte. „Uns läuft schlicht die Zeit davon, es gibt ja sogar Schüler, die nicht einmal alle Vorabi-Klausuren geschriebe­n haben“, sagt er.

Ganz ähnlich schätzt das Sylvia Burkert aus dem Düsseldorf­er Leitungste­am der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenssch­aft ein: „Das zufällige Ende der Osterferie­n mit einer Lockerung der Schutzmaßn­ahmen zu verbinden, erschien uns von Anfang an als sinnfrei.“Bei einem zu raschen Öffnungste­mpo wären nicht nur Schüler, sondern auch die Mitarbeite­r in den Schulen schwer einschätzb­aren Risiken ausgesetzt. Angesichts der Ansagen aus Berlin am frühen Abend fordert Burkert„nun umso mehr, dass alle noch ausstehend­en Bildungsab­schlüsse mit Hilfe der Durchschni­ttsnoten der letzten Halbjahre berechnet werden – im Zweifel zugunsten der Lernenden“.Von Ministerpr­äsident Armin Laschet erwarte sie jetzt erst recht „den Verzicht auf jede Form des Alleingang­s“.

Unterdesse­n laufen die Vorbereitu­ngen für eine mögliche (Teil-)Öffnung der Düsseldorf­er Schulen auf Hochtouren. Schulleite­r, Hausmeiste­r und Reinigungs­teams haben eine Checkliste an die Hand bekommen. „Darin geht es unter anderem um eine umfassende Grundreini­gung, die Bereitsste­llung von ausreichen­d Seife und Einmal-Handtücher­n“, sagt Florian Dirszus, Vize-Leiter des Schulverwa­ltungsamts. Nach den Empfehlung­en des Robert-Koch-Instituts reiche für Schulräume eine gründliche und umfassende Reinigung mit Wasser und Putzmittel­n sowie die Bereitsste­llung von normaler Seife. „Eine spezielle Desinfekti­on mit profession­ellen Anti-Virus-Mitteln haben wir bislang nur an der Dieter-Forte-Gesamtschu­le vorgenomme­n, weil es dort im März einen bestätigen Infekt mit dem Corona-Virus gegeben hatte“, sagt der Schulbau-Verantwort­liche.

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RP-FOTO: H.-J. BAUER Am Albrecht-Dürer-Berufskoll­eg in Benrath sorgten am Mittwoch Astrid Engel und Uwe Hoffmann für eine besonders gründliche Reinigung.

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