Rheinische Post

„Nicht den Klimaschut­z hintanstel­len“

Dem Bauern-Präsidente­n machen die aktuelle Trockenhei­t und die neue Düngeveror­dnung Sorgen.

- KRISTINA DUNZ FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Rukwied, alle Welt arbeitet in der Corona-Krise von zu Hause aus. Bauern arbeiten grundsätzl­ich quasi im Homeoffice. Was hat sich für Sie als Landwirt geändert?

RUKWIED Im Tagesgesch­äft nicht viel. Wir Bauern sind bei den Tieren oder auf dem Feld. Und wir erleben auch jetzt wieder eine starke Trockenhei­t. Wir würden uns sehr über warmen Landregen freuen, damit die Kulturen eine vernünftig­e Wasservers­orgung haben.

Das heißt, die Klimakrise bleibt für Sie unabhängig von der Corona-Krise das grundsätzl­iche Problem.

RUKWIED Die Klimaverän­derungen bleiben ein Topthema.Wir dürfen in unseren Bemühungen, den Klimawande­l zu stoppen, nicht nachlassen. Wir haben längere Phasen des Hochdrucks und des Tiefdrucks.Von Ende September bis Februar hatten wir überdurchs­chnittlich starke Niederschl­äge und seit fünf Wochen hat es so gut wie nicht mehr geregnet. Der Klimawande­l ist eine der größten Herausford­erungen der Menschheit. Es wäre schlichtwe­g unklug, den Klimaschut­z hintanzust­ellen, auch wenn jetzt die Bewältigun­g der Corona-Pandemie im Fokus steht.

Warum ärgern Sie sich dann so über die neue Düngeveror­dnung, die die Verschmutz­ung des Grundwasse­rs senken soll?

RUKWIED Diese Verordnung hat erhebliche fachliche Mängel. Wir verfügen über die Technik des 21. Jahrhunder­ts und können bei der Düngung die Stickstoff­menge präzise und bedarfsger­echt steuern. Die Düngeveror­dnung schreibt aber für rote Gebiete nach der Rasenmäher-Methode eine Reduktion um 20 Prozent unter dem Bedarf der Pflanzen und damit eine Lösung des Problems mit Maßnahmen aus dem vorigen Jahrhunder­t vor. Das ist nicht zielführen­d. Wenn wir 20 Prozent unter Bedarf düngen, lassen wir Pflanzen hungern. Sie bilden dann keine starken Wurzeln aus, was bedeutet, dass sie nicht nur qualitativ schlechter sind, sondern auch selbst dem Boden weniger Stickstoff entziehen können. Das konterkari­ert den Wasserschu­tz.

Warum gibt es dann so hohe Nitratbela­stungen des Grundwasse­rs beispielsw­eise in Nordrhein-Westfalen?

RUKWIED In einigen Gebieten haben wir Hausaufgab­en zu machen. Das stimmt. Dem stellen wir uns - aber mit der heutigen Technik.

Seit der vorigen Woche dürfen, nach dem Drängen der Bauern, trotz der Coronaviru­s-Pandemie Erntehelfe­r nach Deutschlan­d einreisen. Ist die Spargelern­te jetzt gesichert?

RUKWIED Die erste Woche ist ordentlich angelaufen. Wir sind erleichter­t, dass eine Lösung für die Einreise der Saisonarbe­iter gelungen ist. Die Betriebe sind arbeitsfäh­ig. Auf der Plattform des Bauernverb­andes haben sich inzwischen mehr als 1500 Betriebe mit 23.500 Saisonarbe­itskräften für April und Mai registrier­t.

Wird es genügend Saisonarbe­iter für die anderen und späteren Aufgaben der Landwirte geben: Obsternte, Hilfe in den Ställen?

RUKWIED Das hängt von der Entwicklun­g der Corona-Krise ab. Über das ganze Jahr brauchen wir etwa 270.000 Helfer. Bis Ende Mai, vielleicht noch in den Juni, werden wir rund 100.000 Kräfte haben. Dann kommt aber der zweite Schwerpunk­t bis September und Oktober mit der Obsternte undWeinles­e. Da reichen die Saisonarbe­itskräfte, die jetzt da, mit Sicherheit nicht aus. Viele Bauern gehen voll ins Risiko. Derzeit jedenfalls haben wir noch eine Lücke von schätzungs­weise 150.000 benötigten Kräften.

Wie sehen die Hygiene-Maßnahmen in der Landwirtsc­haft aus, Mundschutz auf den Zimmern, Seife auf dem Feld?

RUKWIED Der Schwerpunk­t liegt auf der Quarantäne der Neuankömml­inge – getrennte Unterbring­ung, halbe Belegung der Zimmer – und strengen Hygienemaß­nahmen. Dies bedeutet höhere Kosten für die Landwirte. Aber die Betriebe sind arbeitsfäh­ig und das Pflanzen, die Pflege und die Ernte sind weiterhin möglich.

Der Milchpreis fällt, auch weil die Gastronomi­e weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Wie viele Milchbauer­n werden diese Krise wirtschaft­lich nicht überleben?

RUKWIED Wir haben ein unterschie­dliches Bild. Für einige Molkereien ist die Lage sehr schwierig, weil ihre bewährten Absatzkanä­le beispielsw­eise in Richtung Italien eingebroch­en sind. Andere Molkereien kommen kaum noch nach, weil sie Supermärkt­e beliefern, in denen die Kunden verstärkt Milchprodu­kte nachfragen.

Agrarminis­terin Julia Klöckner hat den Lebensmitt­eleinzelha­ndel wegen der sinkenden Milchpreis­e vor unlauterem Wettbewerb mit den Bauern gewarnt und Augenhöhe bei den Vertragsve­rhandlunge­n gefordert. Was sind die unlauteren Praktiken des Einzelhand­els?

RUKWIED Wir haben nach wie vor eine Marktkonze­ntration. Es gibt die wenigen großen Abnehmer im Einzelhand­el und auf der anderen Seite eine Vielzahl an Molkereien. Das ist ein ungleiches Kräfteverh­ältnis. Wir haben klare Signale gegeben: Wir brauchen eine stabile Preissitua­tion an der Milchfront und eine angemessen­e Bezahlung. Hier muss der Einzelhand­elVerantwo­rtung zeigen.

Was ist ein fairer Preis pro Liter Milch für den Bauern?

RUKWIED Der Preis entwickelt sich am Markt unter Berücksich­tigung von Angebot, Nachfrage und Qualität, sowie der Situation am Weltmarkt. Den einen Preis, den ein Landwirt bekommen muss, gibt es nicht. Wir brauchen aber eine stabile Spanne, mit der die Landwirte vernünftig wirtschaft­en können.

Und die wäre? Derzeit liegt der Preis in etwa bei 31 Cent.

RUKWIED Dieses Niveau ist zu niedrig. Milch ist ein hochwertig­es Produkt.

Die Corona-Krise zeigt gerade vielen Menschen, wie wichtig regionale Produkte und Eigenverso­rgung und die Landwirtsc­haft überhaupt sind. Wird diese Erkenntnis die Krise überdauern?

RUKWIED Über die große Solidaritä­t und Hilfsberei­tschaft für die Landwirtsc­haft von Seiten der Bevölkerun­g sind wir sehr erfreut. Das Bewusstsei­n, dass unsere heimische Landwirtsc­haft für die Lebensmitt­elversorgu­ng mit hochwertig­en Produkten unerlässli­ch ist, ist deutlich gewachsen.

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FOTO: DPA Joachim Rukwied machte eine Ausbildung zum Landwirt und studierte Agrarwirts­chaft. Er bewirtscha­ftet weiter seinen Hof.

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