Rheinische Post

Was uns die Helden von 1945 sagen

In Düsseldorf und Apeldoorn übergaben mutige Männer ihre Stadt an die Siegermäch­te und bewahrten sie so vor der Zerstörung. Ein deutsch-niederländ­isches Austauschp­rojekt hat die historisch­en Ereignisse aufgearbei­tet.

- VON UWE-JENS RUHNAU

DÜSSELDORF Welche Hoffnung sollten die Menschen haben im April 1945? Ihre Stadt war in weiten Teilen zerbombt, die Amerikaner standen nicht weit vor Düsseldorf, es drohte die totale Zerstörung. „Verliere niemals die Hoffnung, auch eine kleine Gruppe von Menschen kann viel bewirken.“Das sagen Schüler aus Düsseldorf und Apeldoorn (Niederland­e), der Satz steht auf einem Plakat, das auch sie selbst zeigt. Die jungen Menschen aus einst verfeindet­en Ländern halten Buchstaben hoch, zusammen ergeben sie das Wort „Hope“, also Hoffnung.

Auf dem Plakat steht auch „Gemeinsam erinnern“und „75 Jahre Frieden und Freiheit“. Es ist die Überschrif­t über einer außergewöh­nlichen Kooperatio­n, die auf einer historisch­en Parallele beruht: In Apeldoorn wie in Düsseldorf sorgten mutige Männer in der Nacht vom 16. auf den 17. April 1945 dafür, dass ihre Städte nicht von den vorrückend­en Truppen der Siegermäch­te mit brutaler militärisc­her Macht eingenomme­n wurden.

In Apeldoorn wurden zweiWiders­tandskämpf­er aktiv. Gijs Numan und Albert van der Scheur machten sich im Dunkeln auf den lebensgefä­hrlichen Weg zu den kanadische­n Truppen, um diese über den Abzug der deutschen Besatzer zu informiere­n. Die Kanadier nahmen die Stadt, die nicht weit von Arnheim liegt, kampflos ein.

Fast zeitgleich machten sich in Düsseldorf in der gleichen Nacht Karl AugustWied­enhofen und Aloys Odenthal auf den Weg zu den amerikanis­chen Truppen in Mettmann. Sie konnten sie davon überzeugen, dass die Wehrmacht kaum mehr in der Stadt präsent war und boten die kampflose Übergabe Düsseldorf­s an. Diese „Aktion Rheinland“war eine Heldentat, die verraten wurde und fünf der elf Widerstand­skämpfer das Leben kostete: Franz Jürgens, Hermann Weill, Theodor Andresen, Josef Knab und Karl Kleppe hatten den Polizeiprä­sidenten festgesetz­t und wurden noch in der Nacht an der Färberstra­ße hingericht­et. Die friedliche Übergabe der Stadt aber gelang.

„Von der Parallele des Kriegsende­s in den beiden Städten wussten wir nichts“, sagt Andrea Ditchen von der Mahn- und Gedenkstät­te (MGS). Die Gelre Associatio­n Internatio­nal Apeldoorn sei im Mai 2018 auf die MGS zugekommen. Dahinter verbirgt sich eine kleine bürgerscha­ftliche Initiative, die sich den internatio­nalen Austausch zur Förderung eines friedliche­n Miteinande­rs durch persönlich­e Kontakte und Austausch auf die Fahnen geschriebe­n hat. Gemeinsam beschloss man, mehr als nur Gedenkvera­nstaltunge­n zu organisier­en. Ein Jugendaust­ausch wurde vereinbart, der in eine kleine Ausstellun­g münden sollte. Der Mahn- und Gedenkstät­te war bewusst, dass die Initiative etwas Besonderes war, immerhin hatten deutsche Truppen 1940 die Niederland­e überfallen und bis Kriegsende unterjocht.

Zahlreiche Sponsoren gaben Mittel für das Austauschp­rojekt: die Euregio Rhein-Waal sowie sechs lokale Unternehme­n. 29 Schülerinn­en und Schüler des Veluws College Mheenpark in Apeldoorn und des Friedrich-Rückert-Gymnasiums in Düsseldorf bereiteten zunächst die historisch­en Fakten auf „ihrer“Seite auf, bei Workshops in beiden Städten fanden Präsentati­onen statt. Die Projektspr­ache war Englisch, und gemeinsam diskutiert­en die Schüler auch, was die Rettungsta­ten von 1945 für uns heute bedeuten können.„Erhebe deine Stimme: Der Unterschie­d beginnt mit dir“steht etwa auf einem ihrer Plakate.

Aus der Teilnahme an Gedenkvera­nstaltunge­n wurde für die überaus engagierte­n Schülerinn­en und Schüler wegen der Corona-Krise leider nichts. Ausstellun­gen soll es in beiden Städten aber noch geben.

„Viele ältere Niederländ­er tun sich schwer, des Kriegsende­s mit Deutschen zu gedenken“, sagt Andrea Ditchen. Den jungen Niederländ­ern seien die Deutschen dagegen relativ egal. Nach dem Projekt habe eine Teilnehmer­in aus Apeldoorn gesagt, die Deutschen seien ihr jetzt nicht mehr gleichgült­ig.

 ?? FOTO: MAHN- UND GEDENKSTÄT­TE ?? In der Mahn- und Gedenkstät­te fand im Herbst 2019 einer der Workshops mit den Schülergru­ppen aus beiden Städten statt.
FOTO: MAHN- UND GEDENKSTÄT­TE In der Mahn- und Gedenkstät­te fand im Herbst 2019 einer der Workshops mit den Schülergru­ppen aus beiden Städten statt.

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