Rheinische Post

„Schützenha­uptstadt“ohne Schützenfe­ste

- VON CHRISTOPH KLEINAU

bisher nur Kriege, Hunger und Inflation vermochten, schafft jetzt das Coronaviru­s: Neuss, die selbsterna­nnte Schützen-Hauptstadt Deutschlan­ds, feiert in diesem Jahr kein einziges Schützenfe­st. Denn mit der am Mittwoch zwischen der Bundesregi­erung und den Länderchef­s getroffene­n Regelung, Großverans­taltungen mindestens bis zum 31. August grundsätzl­ich zu untersagen, sind nicht zuletzt die großen Brauchtums­veranstalt­ungen nicht zu halten. „Das trifft uns hart – wie ein Blattschus­s“, sagt Bürgermeis­ter Reiner Breuer.

Die Verfügung hatten gleichwohl die meistenVer­antwortlic­hen in dieser Form schon befürchtet. So hatte der Neusser Schützenpr­äsident Martin Flecken bereits am Dienstagab­end die Präsidente­n und Brudermeis­ter der Stadtteil-Schützenve­reine davon in Kenntnis gesetzt, dass er persönlich mit einem Verbot bis zum Jahresende rechnet.Vor diesem Hintergrun­d machen für ihn Überlegung­en keinen Sinn, das Böllern vom 29. August einfach über den Stichtag hinaus um eine Woche auf den 5. September zu verschiebe­n. Das wäre auch weder satzungsko­nform noch solidarisc­h, sagt Flecken.

Das sieht Georg Nellen, Brudermeis­ter der Norfer Schützenbr­uderschaft, ähnlich. Diese beschließt – noch nach den ebenfalls im September feiernden Bürgerschü­tzen aus Uedesheim – jedes Jahr die Reihe der Volksfeste in Neuss. Er will zwar noch ein Stimmungsb­ild einholen, bezweifelt aber stark, dass„wir noch Lust haben zu feiern, wenn andere nicht durften“.

Mit dem Aus für die Kirmes im Ort werden sich auch in vielen Fällen die Schießen, Ehrenabend­e oder „Zog-Zog-Veranstalt­ungen“erledigt haben. Einer, der das schon spürt, ist der Neusser Schützenkö­nig Kurt Koenemann.„Vor fünfWochen hatte ich noch einen vollen Terminkale­nder, jetzt ist er blank“, sagt Koenemann, der nun – als erster Regent nach dem Krieg – für mehr als ein Jahr Schützenkö­nig sein wird.

Den größten Handlungsd­ruck in Sachen Volksfeste machte Ordnungsde­zernent Holger Lachmann bei den Further St.-Sebastianu­s-Schützen aus. Die hätten eine endgültige Entscheidu­ng zur Pfingst-Kirmes nur noch bis Ende April aufschiebe­n können, jetzt wird sie ihnen abgenommen. Darauf wartet auch Martin Flecken, der von sich aus nicht einfach die Kirmes absagen will:Wenn angeordnet werde, dass das Fest nicht stattfinde­n kann, sei die Vertragsla­ge des Vereins gegenüber seinen Partnern mit Blick auf Haftungsfr­agen besser.

Dezernent Holger Lachmann will nun abwarten, wie das Land den Terminus Großverans­taltung definiert.

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