Rheinische Post

„,Fridays for Future‘ scheut Kritiker“

Der 22-jährige Clemens Traub war selbst Teil der Klimabeweg­ung. In seinem Buch „Future for Fridays?: Streitschr­ift eines jungen ,Fridays for Future‘-Kritikers“bezieht er nun eine andere Position.

- VON TESS KADIRI

Die Bewegung „Fridays for Future“scheue die Kritik, komme nicht aus ihrerWohlf­ühlzone heraus, habe keine Ahnung vom normalen Leben. Zu elitär, zu abgehoben seien die meisten Anhänger. Das sagt Clemens Traub, der eine Zeit lang selbst mitdemonst­rierte, nun aber „Future for Fridays?: Streitschr­ift eines jungen ,Fridays for Future‘-Kritikers“veröffentl­ichte. Was ihn stört, erzählt der 22-jährige Politikwis­senschafts­student im Interview. Du warst selbst bei „Fridays for Future“aktiv, wie du auch im ersten Kapitel deiner Streitschr­ift schilderst. Was hat dir an der Bewegung gefallen?

Am Anfang fand ich es großartig, bei etwas mitzuwirke­n, das von jungen Menschen organisier­t wird. Wir kennen alle den Vorbehalt gegenüber unserer Generation, wir seien eher unpolitisc­h und würden uns nur für Amazon-Käufe und vielleicht noch unser Studium interessie­ren. „Fridays for Future“war für mich der Gegenbewei­s. Es gibt Menschen, vor allem junge, die es notwendig finden, auf die Straße zu gehen. Was hat sich verändert? Warum kritisiers­t du die Bewegung nun?

Erstens werfe ich den „Fridays for Future“-Anhängern vor, dass sie nicht aus ihren Wohlfühlzo­nen herauskomm­en, sondern ganz bequem da bleiben, wo sie sich am besten fühlen und nicht die Gefahr besteht, auf zu viel Kritik zu stoßen. Sie haben nie versucht, mal aus der Blase herauszuko­mmen, mal aufs Land zu gehen, mal mit mehr Kritikern und Menschen gezielt ins Gespräch zu kommen, bei denen der Applaus nicht schon vorbestimm­t ist. Zweitens zeigt die Bewegung viel zu sehr mit moralische­m Zeigefinge­r auf andere – Stichwort Fleischkon­sum oder Diesel. Alles absolut berechtigt­e Gedanken, aber der vorherrsch­ende abgehobene Kommunikat­ionsstil, der bestimmte Bevölkerun­gsgruppen ausschließ­t, wirkt sich eher negativ auf die gesamte Bewegung aus. Und drittens kritisiere ich das apokalypti­sche Denken. Es wird ein viel zu düsteres Bild von der Zukunft gemalt. Frank-Walter Steinmeier meinte hierzu mal in einem Interview: Apokalypse lähmt. Das trifft es ganz gut, finde ich. Man sollte mehr über die Chancen und Technologi­en sprechen, die mit der Klimabeweg­ung möglich wären. Du schreibst, diskrimini­erende Züge seien das Leitmotiv der „Fridays for Future“-Demonstran­ten.Wie kommst du zu diesem Schluss?

In meinem persönlich­en Umfeld habe ich schnell gemerkt, dass alle bloß Akademiker und Gymnasiast­en waren, die auf der Sonnenseit­e des Lebens stehen. Es kann sehr problemati­sch sein, wenn man mit einem bestimmten, privilegie­rten Background aufwfächst und sich nicht mit viel anderem umgibt. Daher werden auch Alltagssor­gen nicht gehört und es kristallis­ierte sich schnell das Bild von den studierend­en Elitekinde­rn heraus, die protestier­en. Da kommen keine Fragen auf, wie zum Beispiel: „Kann ich meine Miete diesen Monat zahlen?“Klar haben viele das Gefühl, dass sich da nur überheblic­he Großstadtk­inder versammeln, die ihre Probleme überhaupt nicht verstehen.„Fridays for Future“bewegt sich damit viel zu weit vom eigenen ursprüngli­chen Ziel weg und provoziert eine Spaltung der Gesellscha­ft. Du kritisiers­t auch den Personenku­lt um Greta Thunberg und Luisa Neubauer. Warum? Braucht nicht jede Bewegung ein Gesicht?

Das Problem sind gar nicht die Menschen selbst, sondern die profession­elle Inszenieru­ng, die schnelle Nutzung von Medien für die eigene Sache. Da waren nicht mehr die Außenseite­r, die ihre Stimme genutzt haben, sondern ein Management, das kalkuliert agiert und weiß, wie es die mediale Aufmerksam­keit nutzen kann, um eine Karriere aufzubauen. Da sind also eine Greta oder eine Luisa Neubauer, die gerade die große Chance ihres Lebens nutzen, und ich normaler Bürger muss mir anhören, mein Lebensstil würde angeblich alles zerstören. Wer eine so große Bewegung repräsenti­ert, muss ein Verständni­s für normale Probleme haben. Dann könnten wir mehr Leute mit ins Boot nehmen, die wissen, dass man auch für sie auf die Straße geht.

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Clemens Traub möchte eine Klimabeweg­ung sehen, die mehr aus der gesellscha­ftlichen Mitte kommt.
FOTO: PRIVAT Clemens Traub möchte eine Klimabeweg­ung sehen, die mehr aus der gesellscha­ftlichen Mitte kommt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany