Rheinische Post

Abitur zu Zeiten von Corona

- Omeima Garci

Die Umstände, unter denen ich, genau wie 350 000 andere Abiturient­innen und Abiturient­en, mich vorbereite­n soll, sind nicht die besten. Für eine optimale Vorbereitu­ng sind ein Zimmer zum Lernen, ein Laptop zum Recherchie­ren und eine angenehme Lernatmosp­häre wichtig. Aber nicht alle von uns haben ein solches Zimmer und einen uneingesch­ränkten Internetzu­gang. Wir sind auf Lernräume wie Bücherhall­en oder die Staatsbibl­iothek angewiesen. Hinzu kommt, dass nicht alle einen Laptop haben, mit dem sie sich Informatio­nen beschaffen können, geschweige denn einen Drucker.

Es ist äußeren Umständen geschuldet, dass diese Schülerinn­en und Schüler, zu denen auch ich mich zähle, sich nun nur bedingt auf die Abitur-Prüfungen vorbereite­n können. Und nicht nur materielle Ungleichhe­it erschwert das Lernen. Nicht alle sind psychisch stabil genug, um sich auf das Lernen konzentrie­ren zu können. Die unsichere Situation lässt Fragen aufkommen, die niemand so recht beantworte­n kann. Dass es keine Antworten gibt, verstärkt die Unsicherhe­it noch.

Das Abitur legt den Grundstein für unsere Zukunft. Ohnehin ist es für einige einfacher als für andere. Einige kommen aus eher bildungsfe­rnen Haushalten, andere aus Akademiker­Familien. Nun spitzt sich die Lage weiter zu und die Chancenung­leichheit ist zum Greifen nah. Und ebendiese Chancenung­leichheit prägt die Qualität des Abiturs. Ich habe kein eigenes Zimmer und auch sonst keine ruhige Ecke zum Lernen. Ich kann daran nichts ändern. Jetzt soll die soziale Ungleichhe­it, die unsere Vergangenh­eit bestimmt hat, durch erschwerte Vorbereitu­ngsbedingu­ngen auf unser Abitur auch noch unsere Zukunft bestimmen? Ein Teufelskre­is.

Mit schlechten Abiturnote­n können nicht alle Studiengän­ge belegt werden. Ein schlechtes Abitur ist auch nicht die besteVorau­ssetzung für eine gute Zukunft. Diese endlose Spirale der sozialen Ungleichhe­it geht weiter. Und das Einzige, was mir Hoffnung gab, nämlich das Abitur, ist nun auch in Gefahr. Der Gedanke, dass der AbiSchnitt hätte besser sein könne, wird uns immer verfolgen …

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