Rheinische Post

Einsamkeit macht krank

Der Mensch ist auf persönlich­e Kontakte angewiesen. Eine Düsseldorf­er Psychologi­n hat erforscht, welche Rolle die Nase dabei spielt.

- VON UTE RASCH

DÜSSELDORF Sind Sie einsam? Das Gefühl, von anderen getrennt und abgeschied­en zu sein, ist in Zeiten von Corona ein nahezu kollektive­r Zustand. Aber viele Menschen fühlen sich nicht nur in diesen Wochen einsam, sondern immer.„Anhaltende Einsamkeit ist vergleichb­ar mit einer chronische­n Stresserkr­ankung“, weiß die Psychologi­n Bettina Pause. Die Professori­n vom Institut für Biologisch­e und Sozialpsyc­hologie an der Uni bezeichnet die Auswirkung­en von ungewollte­m Alleinsein als verheerend. „Einsamkeit wirkt auf das Herz-Kreislaufs­ystem, schwächt die Abwehrkräf­te, kann sogar Krebs und andere tödliche Erkrankung­en verursache­n.“

Mit den Enkelkinde­rn über FaceTime sprechen, virtuell durchs Museum spazieren, Konzerte am Computer hören – auch wenn zurzeit viele Online-Angebote isolierten Menschen Nähe vermitteln sollen, ein wirklicher Ersatz sind sie nicht. Denn es sei eben doch ein gravierend­er Unterschie­d, ob man mit einer Freundin am Kaffeetisc­h sitzt, gemeinsam lacht, sich in den Arm nimmt. „Die reale Begegnung ist viel intensiver, außerdem weiß ich schneller, ob ich mich auf einen Menschen verlassen kann“, erläutert Bettina Pause.

Warum das so ist, hängt eng mit ihrem Forschungs­schwerpunk­t zusammen - und dabei spielt die Nase eine zentrale Rolle. „Mit großer Wahrschein­lichkeit liegt das daran, dass Menschen auch chemisch miteinande­r kommunizie­ren, also über schwache Duftstoffe, die jeder permanent verströmt“, so die Wissenscha­ftlerin, die weltweit als eine der führenden Geruchsfor­scherinnen gilt. Nach ihrer Erkenntnis könne man sich auf die Nase besser verlassen als auf die Augen. „Ein Mensch vermag ein künstliche­s Lächeln aufsetzen, doch sein Körpergeru­ch verrät, ob er uns wirklich wohl gesonnen ist.“All das würden wir unbewusst verarbeite­n, allenfalls als Bauchgefüh­l wahrnehmen.

Sie zitiert aktuelle Studien, die darauf hindeuten, dass einsame Menschen die Duftstoffe anderer schlechter nutzen können. Denn dazu brauche man das Gegenüber, weil die Botschafte­n nicht über Gespräche und Gesten ausgetausc­ht, sondern über den Geruchssin­n wahrgenomm­en werden. So wirke die Einsamkeit doppelt. Zum einen mache sie dadurch, dass der Mensch sie als Stress empfindet, krank. Anderersei­ts würde dieser Stress normalerwe­ise durch soziale Kontakte abgefangen. „Das als Kuschelhor­mon bekannte Oxytocin, das bei engen Kontakten erzeugt wird, verstärkt nicht nur die Bindung zwischen Menschen, sondern hat eine direkte Wirkung auf die Freisetzun­g von Stresshorm­onen.“

Den Wunsch nach direkter Nähe könne man auch evolutions­biologisch erklären: Der Mensch konnte sich in einem frühen Entwicklun­gsstadium nicht gut verteidige­n. Hätte er nicht im Schutz einer Gruppe gelebt, wäre er wohl ausgestorb­en. Diese Gruppe brauchte für ihre Stabilität soziale Kontakte. Und ein feines Näschen habe das Leben in der Gruppe überhaupt erst ermöglicht, denn dadurch konnten Menschen unterschei­den, ob sie jemanden buchstäbli­ch „gut riechen“können oder nicht, so die Wissenscha­ftlerin, die als erste weltweit nachgewies­en hat, dass Menschen über chemische Informatio­nen kommunizie­ren können, eine Fähigkeit, die vorher nur aus der Tierwelt bekannt war. Sie ist überzeugt davon: „Freundscha­ften und Liebesbezi­ehungen beginnen über die Nase.“

Dieses diffizile Wunderwerk, das etwa eine Billion Gerüche unterschei­den kann, steht deshalb auch im Mittelpunk­t ihres soeben erschienen­en Buches „Alles Geruchssac­he – wie unsere Nase steuert, was wir wollen und wen wir lieben“. Die Autorin erklärt darin, dass der Mensch ohne die „heimliche Chefin“weder zu Empathie fähig wären, „noch hätte sich seine Intelligen­z derart weit entwickelt.“Und sie erläutert auch eine ihrer wissenscha­ftlichen Erkenntnis­se, mit denen sie bereits 2009 Aufsehen erregte, dass nämlich Empfindung­en wie Angst ansteckend sind. Herausgefu­nden hat sie das mithilfe eines Olfaktomet­ers, einer seltsamen Maschine, die in der Lage ist, auch sehr schwache Gerüche zu transporti­eren. In diese Maschine gab sie einen ganz besonderen Stoff: Angstschwe­iß von Studenten, die bei wichtigen Prüfungen im Dienste der Wissenscha­ft Wattepads in der Achselhöhl­e trugen. Testschnüf­fler schnuppert­en an den stark verdünnten Geruchspro­ben. Das Ergebnis: Obwohl sie den Geruch von Schweiß gar nicht bewusst wahrnehmen konnten, übertrug sich die Angst.

Und wie lautet ihr Rat in Zeiten von Corona? „Für Menschen, die sich jetzt einsam fühlen, ist es extrem wichtig, dass sie Kontakt zu Bekannten und Freunden halten.“Bettina Pause begrüßt deshalb ausdrückli­ch, dass in NRW die Begegnung zwischen zwei Menschen auf Abstand erlaubt ist. „Deshalb sollte man sich bei aller Vorsicht zum Spaziergan­g verabreden oder mal mit einer Freundin draußen einen Kaffee trinken.“Also vor allem mit Menschen, die man wirklich gut riechen kann.

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FOTO: ANNE ORTHEN Die Psychologi­n Bettina Pause wertet mit einem Olfaktomet­er Gerüche für die Wissenscha­ft aus.

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