Warum der Ölpreis unter null stürzte
Der Markt ist mit Rohöl geflutet, die Nachfrage eingebrochen. Bei Termingeschäften in den USA hat es jetzt erstmals einen negativen Preis gegeben. Verkäufer legten also drauf, um das Öl loszuwerden. Was bedeutet das fürs Tanken?
DÜSSELDORF Negative Preise kannten wir bisher bei den Zinsen. Jetzt erleben wir das Phänomen an anderer Stelle wieder – am Ölmarkt. Ein Fass der wichtigsten amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) kostete am Montagabend minus 37,63 Dollar. Binnen Stunden verlor der wichtigste Treibstoff für die internationale Industrieproduktion seinen Wert. Verkäufer legten noch Geld drauf, um das Öl loszuwerden. Verkehrte Welt.
Was ist die Ursache für den Preissturz? Der Preis, der ins Minus rutschte, galt nur für ein im Mai fälliges Termingeschäft. Ähnliche Deals, die erst in den Monaten danach auslaufen, haben noch positive Preise. Setzt sich der Abschwung fort, könnte das Phänomen der Unter-null-Preise öfter zu beobachten sein. Das Problem dahinter: Käufer solcher Terminkontrakte, hinter denen kein echtes Öl, sondern einWertpapier steckt, haben oft gar kein Interesse an dem Rohstoff, sondern wollen es weiterverkaufen und daran verdienen. Das ist aber schwierig, wenn in Zeiten des weltweiten Abschwungs und einer drohenden globalen Rezession niemand mehr Öl kauft und alle ihre Lager voll haben. Auch Raffinerien wollen das Öl nicht zur Weiterverarbeitung, weil sie es selbst nicht verkaufen können. Folge: Man muss beim Termingeschäft als Verkäufer mit dem Preis so weit heruntergehen, bis man einen Abnehmer findet.
Hilft die Drosselung der Opec nicht? Nein. Nicht mal die vor zweiWochen gemeinsam getroffene Entscheidung der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) und anderer Ölproduzenten, die Produktion deutlich herunterzufahren, hat das verhindern können. Die Nachfrage fällt schneller, als die Opec mit dem Drosseln nachkommen kann. Und einige aus dem Kartell wie Saudi-Arabien scheren mit extremen Preisrabatten aus der selbst verordneten Produktionszurückhaltung aus. Der Preiskrieg verschärft die Problematik. Dabei mischt auch Russland mit.
Was heißt das für Deutschland? Bevor hierzulande Autofahrer oder mit Ölheizung ausgestattete Eigenheim-Besitzer auf die Idee kommen, sie könnten Super-Benzin, Diesel und Öl bald geschenkt bekommen: Für den europäischen Markt ist die Entwicklung beim WTI nicht relevant. In Europa ist die Nordsee-Sorte Brent mitentscheidend für die Preisentwicklung an Tankstellen. An den eh schon niedrigen Preisen an deutschen Zapfsäulen wird sich durch die Entwicklung in Nordamerika nichts verändern.
Warum ist Sprit zurzeit überhaupt so billig? Noch vor einigenWochen hätte wohl kaum jemand damit gerechnet, dass im April 2020 Tanken plötzlich wieder Spaß machen könnte. Preise von im Schnitt gerade einmal 1,19 Euro für einen Liter Super-Benzin und 1,09 Euro für einen Liter Diesel lassen den fälligen Betrag beim Tanken nur langsam steigen. Laut ADAC konnten die Deutschen zuletzt 2009 so billig Benzin tanken; Diesel war zuletzt 2016 so günstig. Die niedrigen Preise sind eine Folge des eingebrochenen Ölpreises. Zu Jahresbeginn lag der Preis der Sorte Brent bei 70 Dollar pro Fass, nun sind es 20 Dollar. Der Grund ist der Angebotsüberhang. Das liegt nicht ausschließlich an der Pandemie. Schon vor Corona gab es ein Überangebot, so der Mineralölwirtschaftsverband.
Wie wirkt sich das auf die Tankstellen aus? Das Nachfrage-Tief trifft die Tankstellen mit voller Wucht. Gerd Zschoche, der in Düsseldorf eine Aral-Station betreibt, verkauft an normalen Tagen 15.000 Liter Kraftstoff. „Seit Corona sind es nur noch 3000 Liter“, sagt er. Mehr Arbeitnehmer im Homeoffice bedeuten weniger Autofahrer – und damit weniger Kunden für seine Tankstelle. Auch auf seiner Anzeigetafel purzeln die Preise. Die Krise stellt Tankstellen-Betreiber wie so viele Unternehmer wegen geringerer Umsätze vor eine Herausforderung. Tankstellen gelten jedoch als systemrelevant – fast alle der 14.500 Stationen in Deutschland haben geöffnet.
Sinken die Preise weiter? Die Preise für Benzin und Diesel sind seit Jahresbeginn um durchschnittlich 30 Cent gesunken. Die Nachfrage sei um etwa 30 Millionen Barrel pro Tag gesunken, sagt der Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes. Auch er bezweifelt, dass die Drosselung um 9,7 Millionen Barrel (rund zehn Prozent der Gesamt-Fördermenge) die Preise stabilisieren kann. Beobachter wie die Energie-Expertin Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale NRW sehen denWeltmarkt geradezu mit Rohöl überschwemmt. Die Lagerbestände seien hoch, sagtWallraf: „Die Kürzungen bei der Förderung sind daher nicht nur zu niedrig. Sie kommen auch zu spät.“Wallraf geht davon aus, dass die Spritpreise noch über Wochen niedrig bleiben.
Wann ist die beste Zeit zum Tanken? Die Preise an Tankstellen variieren je nach Tageszeit. Mit Hilfe von kostenfreien Spritpreis-Apps können Autofahrer Preis-Daten vergleichen. „Ab 18 Uhr sind die Preise in der Regel am günstigsten, vormittags ist es teuer“, sagt Expertin Christina Wallraf.
Sollte man Sprit auf Vorrat kaufen? Der ADAC rät davon ab, sich einen Kraftstoff-Vorrat anzulegen – schon aus Gründen der Sicherheit. „Mehr als zehn Liter sollte man nicht an Bord haben“, sagt eine ADAC-Sprecherin. In Privatfahrzeugen dürfe ein Reservekanister maximal 60 Liter Sprit fassen und müsse dicht, fest verschließbar und bruchsicher sein. Auch für die Lagerung in Garagen gibt es Regeln. LautVerbraucherzentrale NRW sind die Lagerung von 20 Liter Benzin und 200 Liter Diesel erlaubt.
Was ist mit Heizöl? Auch das ist bereits günstig. Eine Umfrage des Energie-Informationsdienstes unter Heizöl-Lieferanten in 15 deutschen Städten hat ergeben: Bei einer Abnahme von 1000 Litern Heizöl kosten 100 Liter im Schnitt 57,10 Euro, also rund 57 Cent pro Liter. Im Januar hatte der Preis noch bei rund 70 Cent gelegen.