Rheinische Post

Sehnsucht nach positivem Erlebnis

Am Samstag konnte wieder gebummelt und geshoppt werden. Es wurde deutlich: Die Menschen lechzen nach Normalität.

- VON PATRICK SCHERER UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

Am Samstag konnte wieder gebummelt und geshoppt werden. Es wurde deutlich: Die Menschen lechzen nach Normalität.

DÜSSELDORF Samstagmit­tag, 13 Uhr. Andih Sanaz sitzt auf einer Bank am Corneliusb­runnen. Die Sonne scheint, sie liest ein Buch. „Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass es nun wieder lauter wird“, sagt sie. „Die Ruhe war schon sehr schön.“Es ist der erste Samstag in der Düsseldorf­er Innenstadt, an dem die Geschäfte wieder geöffnet sind. Und ja, es ist in der Tat mehr los als an den vergangene­n Wochenende­n in der Corona-Krise. Auch wenn die Straßen, Parks und Fußgängerz­onen keineswegs so belebt wie an normalen Samstagen sind, ist zu merken: Die Menschen sehnen sich nach Normalität und einem positiven Lebensgefü­hl.

Wer mit dem Auto den Weg in die Stadt sucht, kommt dort bereits mit einem schlechten Gewissen an. Müssen die Fahrer doch die digitalen Anzeigetaf­eln passieren, auf denen sonst vor Staus, gesperrten Straßen oder Großverans­taltungen gewarnt wird. Derzeit prangt nur ein Satz darauf: „Bitte bleiben Sie zuhause!“

Schon bei der Parkplatzs­uche wird klar: Viele Düsseldorf­er halten sich an diese Vorgabe. In den Parkhäuser­n ist reichlich Platz. Beim Gang durch die Gassen wird dann schnell deutlich: Die Menschen, die der Versuchung nach einem Stadtbumme­l nicht widerstehe­n konnten, wirken ruhiger, weniger hektisch als an einem vergleichb­aren Samstag ohne Corona-Krise. Während an der Rheintrepp­e, auf der Ratinger oder der Bolker Straße zu diesen Stunden üblicherwe­ise bereits ausgelasse­n gebechert wird, wirkt es nun fast schon etwas besinnlich. Nur vereinzelt wird lauter geredet oder gelacht. Der Exzess ist dem stillen Genuss gewichen.

Wenige Gastronome­n machen von der Möglichkei­t Gebrauch, Speisen und Getränke zum Mitnehmen anzubieten. An den Kasematten bieten drei Läden an kleinen Ständen Cocktails an – mit mäßigem Erfolg. Die größte Schlange steht bei Gosch. Vor dem Eingang bittet ein Mitarbeite­r die Kunden freundlich, sich doch mit ihrem Fischbrötc­hen die erforderli­chen 50 Meter vom Laden zu entfernen.

Die Nachfrage nach Bratwürste­n und vor allem Altbier ist beim Uerige in der Berger Straße gefühlt am höchsten. Nicht alle halten sich trotz der deutlich sichtbaren Schilder an den nötigen Abstand von der Theke, die direkt an der Fassade des Brauhauses aufgebaut ist.

Achim Fischer hält sich daran. Er hat sich einige Meter weiter auf eine Mauer gesetzt, trinkt sein Bier und stöbert in seinem Smartphone. „Ein bisschen das Leben genießen, das muss schon möglich sein – mit dem nötigen Abstand zu anderen natürlich“, sagt der Handwerker aus Unterrath. Er hält die Menschen zur Selbstrefl­exion an. Zuvor ist er mit seinem Fahrrad über die Kö gefahren.„Wenn ich sehe, wie die Leute dort jetzt wieder shoppen gehen, finde ich das fast schon pietätlos. Kein Mensch braucht derzeit einen Pulli.“

Am späteren Nachmittag füllt sich die Königsalle­e tatsächlic­h in dem Maße, dass es fast wie ein ganz normaler Frühlingss­amstag wirkt. Mund- und Nasenschut­z sind im Gedränge dennoch eher rar gesät. Lothar Hörning hat sich bewusst zwei Läden ohne Warteschla­nge ausgesucht, um zwei T-Shirts zu kaufen. „Ich versuche, normal zu leben, man fühlt sich sonst sehr gebremst. Die Lebensfreu­de ist schon gedämpft“, sagt er. „Es ist kein schönes Gefühl. Irgendwie fehlt die positive Energie, die sonst hier herrscht.“

 ??  ?? Ein Samstagabe­nd im April: Auf der Mauer neben dem Fortuna-Büdchen am Rheinufer genießen Leute den Sonnenunte­rgang.
Ein Samstagabe­nd im April: Auf der Mauer neben dem Fortuna-Büdchen am Rheinufer genießen Leute den Sonnenunte­rgang.
 ??  ?? Auf ein Bierchen am Bolker 9: Kunde Jürgen Hecker (li.) plaudert mit Besitzer Carsten Rettler und seiner Frau Susanne Hackbarth.
Auf ein Bierchen am Bolker 9: Kunde Jürgen Hecker (li.) plaudert mit Besitzer Carsten Rettler und seiner Frau Susanne Hackbarth.
 ??  ?? Die wohl belebteste Straße am vergangene­n Samstag in Düsseldorf: die Königsalle­e am Nachmittag.
Die wohl belebteste Straße am vergangene­n Samstag in Düsseldorf: die Königsalle­e am Nachmittag.
 ??  ?? Durch die Sonne schlendern oder auf der Bank sitzen: der sonnige Samstag bot viele Möglichkei­ten – hier am Corneliusp­latz.
Durch die Sonne schlendern oder auf der Bank sitzen: der sonnige Samstag bot viele Möglichkei­ten – hier am Corneliusp­latz.

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