Ein Balkon-Konzert mit Wandmalerei
An der Pionierstraße sang Noemi Schröder klassische und französische Lieder. Walter Padao malte dazu Bilder, die an die Wand projiziert wurden.
FRIEDRICHSTADT Einen einzigen kleinen Vorsprung gibt es an der sonst ebenmäßigen, langen Häuserfront an der Pionierstraße, kaum zwei Quadratmeter ist der Balkon groß, der umgeben ist von einem gusseisernen, verschnörkelten Geländer. Als die Dämmerung langsam anbricht, tritt Noemi Schröder auf den Balkon, ein Mikro in der Hand.
Sie trägt ein langes rotes Kleid, darüber eine Wolljacke – ein bisschen frisch ist es geworden nach dem Sonnenuntergang. Sie schaut nach unten auf die Straße und begrüßt die Menschen, die dort stehen und gespannt nach oben blicken, in den dritten Stock zum kleinen Vorsprung. Klassische Lieder wird Noemi Schröder singen und französische Chansons. Für ihre Nachbarn und die Menschen, die zufällig vorbeikommen. Manche haben kleine Klappstühle mitgebracht, andere hocken auf dem Fenstersims vor einem Laden. Viele haben ein Bier in der Hand oder einen Radler. Als Schröder die ersten Töne singt, die begleitet werden vom Pianisten Klaus Klaas, startet um sie herum eine Projektion. Gegenüber im Haus sitzt Walter Padao, der Künstler ist und seit 45 Jahren Performances inszeniert – mit Tänzern, Musikern, Schauspielern. Auf einem Apparat malt er Bilder, die live an die weiße Hauswand geworfen werden, „wie ein Film, der vorbeizieht“, sagt Padao, der seine Nachbarin Noemi Schröder vor Kurzem auf der Straße traf und mit ihr – wie es so oft in diesen Tagen passiert – über die aktuelle Corona-Krise sprach. Konzerte und Ausstellungen sind im Augenblick tabu, da kamen die beiden auf die Idee, zusammen etwas auf die Beine zu stellen. Etwas, das Freude macht, das sie nicht groß ankündigen, um keine Menschenmengen an die Straße zu locken.
Um kurz vor halb neun sind es etwa 30 Leute, die an der Pionierstraße stehen, mit Sicherheitsabstand das Balkon-Konzert mit Wandmalerei verfolgen. Nach dem ersten Song gibt es Applaus, nach dem zweiten auch. Und so geht es weiter, eine halbe Stunde etwa. Eine halbe Stunde Normalität, eine halbe Stunde denkt an diesem Abend niemand an Covid-19.Vor einerWoche hatten Schröder, Klaas und Padao schon einmal ein Konzert gegeben, und diejenigen, die zufällig vorbeikamen, die sind auch dieses Mal gekommen. „Weil es einfach so schön ist, fast wie bei Evita“, sagt ein Besucher.
Vielleicht sei das der Auftakt zu einer längerfristigen Zusammenarbeit, sagt Walter Padao, dem es als Künstler nichts ausmacht, dass das, was er malt, nicht für die Ewigkeit ist. „Das ist mit einem Konzert auch so“, sagt Padao. Und manchmal sei es schön, etwas einzufangen, „das nicht ewig ist, dann kann man es in der Fantasie weiterspinnen“.