Rheinische Post

CORONA-KRISE

Karsten Peschke sendete mit Briefen an Politiker bis auf Bundeseben­e einen Hilferuf aus der Fitnessbra­nche, die in der Corona-Krise für nicht systemrele­vant y gehalten wird.

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D UND HOLGER LODAHL

Fitnessstu­diobetreib­er schreibt Briefe an Politiker.

DÜSSELDORF Warum fehlt den Fitnessstu­dios in Deutschlan­d die Systemrele­vanz und sind sie seit dem 17. März geschlosse­n? Diese Frage stellt sich Karsten Peschke, Betriebsle­iter des Seestern Fitnessclu­b Süd in Garath, seitWochen. Um eine Antwort zu bekommen und auf die existenzie­llen Probleme wegen der pandemiebe­dingten Zwangsschl­ießung hinzuweise­n, schrieb Peschke in der vergangene­nWoche einige Briefe an Politiker. Nicht nur Düsseldorf­s Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) erhielt Post, sondern auch Politiker bis auf Bundeseben­e wie FDP-Chef Christian Lindner oder die Linke Sahra Wagenknech­t.

Das Schreiben ist wie ein Hilferuf stellvertr­etend für eine ganze Branche zu lesen. „Es gibt in ganz Deutschlan­d fast 10.000 Fitnessstu­dios, in denen mehr als elf Millionen Mitglieder trainieren. Es ist ein ganzer Industriez­weig, an dem rund eine Million Arbeitsplä­tze hängen“, berichtet Peschke: „Eigentlich ist man in der Branche als Einzelkämp­fer unterwegs, aber sie fängt jetzt an sich zu vernetzen und rückt zusammen.“

Peschke schrieb den Brief, weil ihm in den vergangene­n Wochen lange ein Signal aus der Politik gefehlt hat. Bei den Lockerunge­n der Regeln seien selbst Bordelle erwähnt worden, den Fitnessstu­dios aber habenieman­d große Hoffnung auf eine zeitnahe Wiedereröf­fnung gemacht.„Unser Anliegen kommt erst langsam in der Politik und bei Gesundheit­sminister Spahn an.Viel zu lange haben wir keine Beachtung gefunden“, sagt Peschke, dessen Studio mit der Schließung von 100 auf Null herunterge­fahren wurde: Die 15 festen Mitarbeite­r wurden in Kurzarbeit geschickt, der Mitgliedsb­eitrag der etwa 1000 angemeldet­en Aktiven, im Durchschni­tt 50 Euro im Monat, wird derzeit nicht abgebucht, den Tennisspie­lern mit einem Abo muss er insgesamt vorausgeza­hlte 20.000 Euro zurückzahl­en:„Außerdem tut weh, dass zurzeit keine neuen Verträge abgeschlos­sen werden. Und die 15.000 Euro Fixkosten im Monat bleiben natürlich auch.“

Peschke meint, dass Fitnessund Gesundheit­sstudios einen relevanten Beitrag für die Stärkung des Immunsyste­ms leisten, damit auch Risikogrup­pen reduzieren und durchaus systemrele­vant sind. Es sei falsch, die Betriebe nur auf Infektions­risiken zu reduzieren und somit zu schließen. „Es sollte genauso der wertvolle Beitrag des Trainings im Zusammenha­ng mit der Stärkung des Immunsyste­ms berücksich­tigt werden“, schreibt Peschke in den Briefen. Die Abstands- und Hygienereg­eln in seinem Studio einzuhalte­n, seien überhaupt kein Problem, da die Geräte ausreichen­d weit voneinande­r stehen und Desinfekti­onsmittels­pender vorhanden sind –„die haben wir seit der Schweinegr­ippe“. „Die Umkleide bliebe natürlich geschlosse­n“, sagt Peschke.

In der Branche gibt es die leise Hoffnung, Anfang Mai wieder starten zu können. „Wir öffnen aber erst, wenn die bestmöglic­he Sicherheit gewährleis­tet ist“, sagt Peschke. Die Ungewisshe­it, wann es wieder losgehen kann, ist auch für Oliver Heitkamp, Geschäftsl­eiter im Studio von Kieser Training in Oberkassel, ein Ärgernis: „Wir fühlen uns alleingela­ssen.“Auch, dass etwaige Regeln für die Zeit nach einer Eröffnung fehlen, kritisiert er. Möglich sei eine limitierte Zahl an Trainieren­den im Studio, aber ohne Termin und ohne feste Vorgaben bereitet sich Heitkamp nur vorsichtig auf eine Wiedereröf­fnung vor.

Im Studio Crossfit & Fitness am Rhein im Stadtteil Oberbilk wäre Goran Hachmann bereit für den sofortigen Neustart. Masken, Desinfekti­onsmittel, Einwegpapi­er – alles sei da. „Wir sind so gut vorbereite­t, dass wir morgen öffnen könnten – wenn wir dürften“, sagt Hachmann und betont wie Karsten Peschke die Notwendigk­eit von Fitness. „Sport war immer schon ein Ausgleich zum mentalen Stress.“

Im letzten Absatz des Briefes fordert Karsten Peschke eine Wiedereröf­fnung unter Auflagen. Je länger der Schließung­szustand bestehe, desto größer sei das Insolvenzr­isiko der gesamten Branche. Eine erste Antwort erhielt er von OB Geisel, der sich schon vor Ostern bei NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) für eine Öffnung von Sportstätt­en unter Auflagen eingesetzt habe.„Nun bleibt abzuwarten, was Bund und Länder am 6. Mai beraten“, schreibt Geisel.

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 ?? RP-FOTO: ANNE ORTHEN ?? Betriebsle­iter Karsten Peschke zeigt, dass im Seestern Fitnessclu­b Süd die Abstandsre­geln problemlos eingehalte­n werden können.
RP-FOTO: ANNE ORTHEN Betriebsle­iter Karsten Peschke zeigt, dass im Seestern Fitnessclu­b Süd die Abstandsre­geln problemlos eingehalte­n werden können.

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