Rheinische Post

Fürs Homeoffice im Hotel einchecken

Mit dem Angebot kämpft die Hotellerie in der Corona-Krise um die Existenz. Manche Gäste kommen für eine kleine Auszeit von der Familie.

- VON SEMIHA ÜNLÜ

DÜSSELDORF Bei ihrem Check-in im 25hours Hotel hat Anne van Straelen nur einen Rucksack dabei, keinen Koffer, keinen Reiseführe­r, keine Wechselwäs­che, dafür aber Notizbüche­r, Laptop und das Abendessen vom Vortag. Angereist ist sie per Fuß, denn ihre Wohnung, in der sie mit ihrem Mann und einem Dackel wohnt, ist nur wenige Minuten entfernt. In der fast menschenle­eren Lobby holt die 40-Jährige sich noch einen Kaffee, bevor sie auf ihr Zimmer im 12. Stock fährt. Dort wird sie die nächsten sieben bis acht Stunden alleine verbringen. Denn die Düsseldorf­erin quartiert sich in dem Hotel ein, um in Ruhe an ihrem Buch über die Corona-Krise zu schreiben.„Es ist schon etwas ungewohnt, Bett und Dusche gehören ja nicht zu einem regulären Büro“, sagt van Straelen, die Expertin für Marketing- und Pressearbe­it ist.

Mit Homeoffice- beziehungs­weise Hoteloffic­e-Zimmern kämpfen viele Düsseldorf­er Hotels um ihre Existenz.Wegen der Corona-Pandemie dürfen sie seit März keine Gäste für touristisc­he Übernachtu­ngen mehr aufnehmen.„Dabei hatten wir uns so auf dieses Jahr mit den vielen Großverans­taltungen und Messen wie Prowein und drupa gefreut“, sagt Thomas Pichler, Senior Sales Marketing Manager im 25hours Hotel. JedeWoche ohne Umsatz mache dem Betrieb zu schaffen, die Lage sei sehr ernst. Vor gut drei Wochen sei man dann mit dem Angebot gestartet: 50 Euro kostet ein Zimmer pro Tag (ohne Übernachtu­ng), es gibt WLAN und einen Fahrradver­leih, Haustiere dürfen mitgebrach­t werden, Klopapier sei auf jedem Zimmer, sagt Pichler und lacht. Weil auch das Restaurant „The Paris Club“geschlosse­n werden musste, hat man für Gäste eine Liste mit Restaurant­s mit Take-Away- oder Lieferdien­st zusammenge­stellt. Ab 4. Mai 2020 gehört man selbst dazu: Dann können Speisen aus dem französisc­hen Restaurant über Lieferando auch nach Hause bestellt werden.

Die Zahl der Hotel-Gäste sei bislang allerdings überschaub­ar. „Es gibt Gäste, die zum Arbeiten kommen, wir hatten aber auch schon

Männer hier, die Kinder zu Hause haben und einfach mal in Ruhe Filme schauen wollten“, sagt Pichler. Die Hotelgrupp­e mit zehn Häusern leidet wie die ganze Branche schwer unter der Krise, einige Häuser seien vorübergeh­end sogar geschlosse­n worden. Das soll in Düsseldorf nicht passieren, doch die Kosten für den Betrieb bei fast null Einnahmen: Das sei eben nicht über einen längeren Zeitraum möglich. Ein Großteil der Mitarbeite­r sei längst in Kurzarbeit, vor Ort sei alles auf Minimalbet­rieb.

Im Boutique-Hotel Berial an der Gartenstra­ße sieht es nicht anders aus. „Wir sind schockiert darüber, wie schnell diese Situation uns allen den Boden unter den Füßen weggezogen hat und welche wirtschaft­lichen Folgen das für uns alle nach sich zieht“, sagt Berit Dorn. Am 20. März habe man „schweren Herzens“das Hotel mit 40 Zimmern, das vor 22 Jahren eröffnet wurde, vorübergeh­end geschlosse­n, dann aber nach Alternativ­en gesucht, um Haus und Arbeitsplä­tze zu erhalten. Nun werden Zimmer zum Arbeiten vermietet, für 40 Euro am Tag:„Die Gäste können sich gerne aufs Zimmer Getränke bestellen oder auch Lieferdien­ste in Anspruch nehmen. Die

Sachen werden dann einfach vor die Tür gestellt.“Für Schüler und Studenten, die in Ruhe lernen wollen, gibt es ein um 5 Euro vergünstig­tes Angebot. Bisher würden nur vereinzelt Gäste einchecken, vor allem Väter und Mütter mit kleinen Kindern, die Ruhe zum Arbeiten suchten.

Drastisch ist auch die Situation der spanischen Hotelgesel­lschaft Meliá, die in Düsseldorf das gleichnami­ge Hotel und weitere Häuser betreibt. Drei der vier Hotels in der Stadt seien inzwischen geschlosse­n, sagt eine Sprecherin. Die Gäste, die man noch habe, seien im Meliá-Hotel an der Inselstraß­e untergebra­cht. „Im April haben wir aktuell 15 Prozent Belegung und sind zu Beginn des Jahres von knapp 80 Prozent ausgegange­n.“Die Aussichten für Mai würden nicht optimistis­cher stimmen. Man wolle daher stärker das neue Homeoffice-Angebot bewerben. Zimmer können von 8 bis 19 Uhr genutzt werden, zum Angebot gehören auch ein Druckservi­ce bis zu 100 Blatt pro Tag, Getränke und Obst. Im Lindner-Kongress-Hotel kann man sich für 49 Euro von 8 bis 18 Uhr einquartie­ren.

Eine Entwicklun­g, die auch außerhalb Düsseldorf­s zu beobachten ist. „Die Arbeitsplä­tze in den Hotels sind hochwertig ausgestatt­et, verfügen über eine stabile Internetve­rbindung und bieten so optimale Rahmenbedi­ngungen, um produktiv und ungestört arbeiten zu können“, meint der Bundesverb­and Dehoga. Die Häuser würden damit auch „jenen Menschen helfen, die jetzt unterwegs übernachte­n müssen, wie Außendiens­tmitarbeit­er,

LKW-Fahrer, Hilfskräft­e, Pflegepers­onal, Ärzte in Bereitscha­ft, Polizei oder Feuerwehr“, sagt Marcus Smola, Geschäftsf­ührer der Best West Hotel Gruppe Zentral Europa. Einige Hotels bewerben inzwischen gezielt ihre Zimmer für diese Nutzung.

Mit den wenigen Buchungen werden die Hotels ihre Existenz aber nicht sichern können. Die jüngsten politische­n Signale, auch die Hotellerie wieder zu öffnen und die Bevölkerun­g auf einen Sommerurla­ub im Land einzustell­en, stimmt die Branche jetzt aber leicht optimistis­ch. Vermehrte Zimmer-Anfragen können die Hotels allerdings noch nicht vermelden.Viele Menschen seien sicher noch verunsiche­rt, wie es insgesamt weiter gehen wird, meint etwa Thomas Pichler. Wer bis zum Sommer oder Herbst überhaupt noch auf dem Markt sein wird, ist ohnehin fraglich. Bei der Dehoga rechnet man bundesweit damit, dass viele Häuser die Krise nicht überstehen werden.

Nach vier Tagen checkt Anne van Straelen aus ihrem Hotel aus, einpacken muss sie nicht viel. Ihr Mann holt sie ab, dann spazieren sie heim. Sie sei sehr zufrieden, jeden Tag habe sie fast sechs Seiten geschriebe­n. Jetzt heißt es für sie wieder, daheim im Essbereich zu arbeiten, während ihr Mann sich eine Arbeitseck­e imWohnzimm­er eingericht­et hat. Mindestens einmal pro Woche würden sie sich in einem Restaurant etwas zu essen bestellen, um die lokale Szene zu unterstütz­en. Das habe auch die Hotellerie nötig. Van Straelen will auf jeden Fall wieder kommen.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Anne van Straelen war gerade vier Tage im 25hours Hotel, um in Ruhe an ihrem Buch zu arbeiten.

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