Rheinische Post

Der Künstler fürchtet, dass sein Archiv mit Material aus der Kult-Kneipe Tannenbaum im Stadtmuseu­m vergammelt.

- VON MARC INGEL

DERENDORF Manfred Spies war schon immer ein Querdenker, der gerne aneckt und sich viele Feinde gemacht hat. Als Plakatküns­tler provoziert­e er bewusst, wetterte gegen Kirche und Kunstmarkt, Ausländerf­eindlichke­it und die Einschränk­ung von Meinungsfr­eiheit. Diverse Ermittlung­sverfahren und Prozesse wurden gegen ihn angestrebt, er überstand alles schadlos. 1982 gründete Spies die Szenekneip­e Tannenbaum an der Tannenstra­ße in Derendorf. Sie wurde schnell zu einem Ort für Kultur und Kommunikat­ion, für Lesungen, Konzerte und Filmvorfüh­rungen. Prominente wie Klaus Staeck stellten im Tannenbaum aus, Dieter Nuhr, Volker Pispers, Jürgen Prochnow, Joseph Beuys und viele andere waren Gäste. An den Kneipen-Wänden hingen Originale von Beuys, Richter, Polke und Uecker. Und nicht zu vergessen die Wand und die Tafeln am Tresen, auf der Spies selbst seine „Denkanschl­äge“hinterließ, „weil meine angemietet­en Großfläche­nplakate dauernd zensiert wurden“, wie er rückblicke­nd sagt. Spies, inzwischen gemäßer Lagerung enorm an Qualität verlieren würden.

Kurz darauf meldete sich ein Mitarbeite­r des Stadtmuseu­ms bei Spies und schlug ihm vor, einige seiner Fotos 2022 im„Geburtstag­szimmer“des Stadtmuseu­ms zu zeigen. Doch der ausgewande­rte Künstler ist wenig geneigt, darauf einzugehen. „Damals habe ich meine Denkanschl­äge hinter Stacheldra­ht im Stadtmuseu­m gezeigt. Das waren noch Zeiten!“Eine noch sehr viel größere Ausstellun­g mit mehreren Düsseldorf­er Künstlern in der Kunsthalle habe zu dieser Zeit sogar mehr als 26.000 Menschen angezogen. „Es war einer der größten Kunstskand­ale in Düsseldorf, da zwei CDU-Ratsherren wegen meines Objektes die politische Kripo geholt hatten.“

Insgesamt gesehen will Spies aber nicht viel Aufhebens um seine Person machen, es gehe ihm um die Dokumente, die Erinnerung­en. Und er nennt ein Beispiel: „Als ich im Tannenbaum ein Fest veranstalt­ete, zu dem das Tragen irgendeine­r Kopfbedeck­ung Bedingung war, kam Peter Thoms, der Schlagzeug­er von Helge Schneider und ein Freund von mir, mit einem aufgetrenn­ten und über den Kopf gestülpten Vogelkäfig, in den er einen kleinen Ventilator montiert hatte. Durch die Klappe des Käfigs trank er sein Bier. An solchen Verrückthe­iten bin ich interessie­t, nicht an einer Hängung in einem Geburtstag­szimmer.“

Seine Idee ist es, die vier Umzugskart­ons in Düsseldorf in Empfang zu nehmen und entweder nach Thailand zu bringen oder in Düsseldorf zu bearbeiten – „auch wenn das ein halbes Jahr beanspruch­en würde. Es soll eine Dokumentat­ion entstehen, vielleicht als eBook. An einer Ausstellun­g im Stadtmuseu­m, die ich auch noch selbst bezahlen soll, bin ich jedenfalls nicht interessie­rt. Das wäre der Sache nicht angemessen“, stellt Spies klar. In seinem Archiv gebe es so viele Bilder von Festen,Veranstalt­ungen, die mit Texten, Anekdoten, Ärgernisse­n versehen werden müssten. „So war es damals Normalität, gerade bei den Ordnungsbe­hörden, dass man Genehmigun­gen nur gegen Zuwendunge­n bekam. Das habe ich fast als einziger Gastronom nicht akzeptiert. Einmal habe ich Leute vom Gesundheit­samt rausgeschm­issen, mich beim Behördenle­iter inklusive Zeugenauss­agen beschwert. Die Leute wurden dann nach Garath versetzt“, erzählt Spies. So etwas zu erzählen, gehe nur in Buchform.

Aus Sicht der Stadt stellt sich die Sachlage ein wenig anders dar.„Der Bestand der Schenkung wurde im Stadtmuseu­m fachgerech­t magazinier­t und befindet sich seither in der Sammlung des Museums“, teilt eine Sprecherin der Stadt mit.Vor einigen Jahren sei auch mit der Aufarbeitu­ng der Exponate von Manfred Spies begonnen worden. So seien zum Beispiel 180 Fotos digitalisi­ert worden. „Eine konkrete, mit der Schenkung verbundene Vereinbaru­ng, die gesamten Negative zu digitalisi­eren, was mit einem hohen personelle­n und finanziell­en Aufwand verbunden wäre, besteht jedoch nicht“, sagt die Sprecherin.

Die Anfrage von Spies bezüglich des Bestandes sei beim Stadtmuseu­m eingegange­n und von diesem beantworte­t worden. „Hierin wird Herrn Spies anlässlich des Jubiläums des Tannenbaum­s in zwei Jahren eine Ausstellun­g im Stadtmuseu­m vorgeschla­gen. Im Rahmen dieser Ausstellun­g könnten weitere einzelne Exponate digitalisi­ert werden“, so die Stadtsprec­herin. Darüber hinaus habe das Stadtmuseu­m Spies eingeladen, sich persönlich im Stadtmuseu­m ein Bild vom ordnungsge­mäßen Zustand seiner Schenkung zu machen. Fortsetzun­g folgt – ganz bestimmt.

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FOTOS: ARCHIV MANFRED SPIES Immer wieder waren die provokante­n Plakatwänd­e von der Zensur bedroht. Manfred Spies antwortete wie hier 1977 auf seine Art.
 ??  ?? Manfred Spies zu Tannenbaum-Zeiten in der Talk-Show „3 nach 9“mit Margarethe Schreinema­kers
Manfred Spies zu Tannenbaum-Zeiten in der Talk-Show „3 nach 9“mit Margarethe Schreinema­kers
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Von 1982 bis 1998 empfing Manfred Spies im Tannenbaum viele Prominente aus der Künstlersz­ene.

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