Eine sehr spezielle Truppe
Das Kommando Spezialkräfte (KSK) fiel wiederholt mit rechtsextremistischen Tendenzen auf. Mit dem aktuellen Waffenfund ist eine neue Qualität erreicht. Kann die Bundeswehr das geheime Tun noch kontrollieren?
Wer hier rein will, muss zu einer ganz besonderen Elite gehören. Er muss körperlich viel mehr leisten können als alle anderen, er muss Schmerzen und Schlafentzug wegstecken und in dem Zustand immer noch binnen Sekundenbruchteilen so genau schießen können, dass er im Dämmerlicht die Geisel schont und den Täter trifft. Er muss mental ausgeglichen sein wie kaum ein anderer. Und wenn er das härteste Auswahlverfahren der Republik als einer von ganz wenigen geschafft hat, steht die zweijährige Ausbildung zum einsatzbereiten Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte (KSK) erst noch bevor. So viel Sorgfalt, und doch scheint den Verantwortlichen bislang eines aus dem Blick geraten zu sein: die politische Zuverlässigkeit dieser militärischen Elitetruppe.
Das ist spätestens jedem klar, seit Mittwoch bei einer Razzia auf dem Grundstück eines aktiven KSK-Soldaten in Nordsachsen Waffen, Munition und Sprengstoff sichergestellt wurden. Mit dem Vorwurf, gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen zu haben, kam er am Donnerstag vor den Haftrichter. Darüber hinaus geht es um eine möglicherweise rechtsextremistische Gesinnung. Der Militärische Abschirmdienst hatte den Mann im Rahmen seiner Fahndung nach Extremisten in der Truppe bereits vor Jahren ins Visier genommen. Und der MAD lieferte auch den Tipp, der zu Razzia, Festnahme und Haft führte. Als die Abgeordneten darüber informiert wurden, räumte das Ministerium ein, dass auch ein gerade in den USA diensttuender anderer KSK-Soldat unter demVerdacht der Unterstützung von Extremisten aus dem Verkehr gezogen wird.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) beeilte sich mit der Versicherung, dass niemand einen Platz in der Bundeswehr habe, der
„in radikaler Art und Weise in unseren Streitkräften auffällt“. Ob gewollt oder nicht, damit sprach sie jedenfalls ein Hauptproblem an: Auffallen und KSK, das passt zusammen wie Schiffshorn und Angelsport. Nicht aufzufallen, ist das Kennzeichen von Spezialkräften. Sie lernen, lautlos Wände hochzulaufen, unbemerkt über 40 Kilometer hinweg im freien Fall ans Ziel zu schweben oder tagelang wie mit der Umgebung verwachsen das Treiben von Terroristen zu beobachten.
Die Bundeswehr hat ihnen zudem die Unauffälligkeit in ganz besonderer Weise zugestanden. Alles, was sie tun, ist geheim. So geheim, dass es das Ministerium wiederholt zum Konflikt mit dem Bundestag kommen ließ. Der muss stets sein Okay geben, wenn Soldaten in eine Auslandsmission gehen, bei der sie in gewaltsame Auseinandersetzungen geraten könnten. Doch es gibt Konstellationen, in denen im Mandat, etwa für Afghanistan, keine Rede von Spezialkräften ist und bei einer Fahrt durch das Bundeswehrlager in Mazar-e Sharif die Frage nach der Einheit in den abseits aufgebauten Zelten mit Augenrollen und „Task Force 47“beantwortet wird. Versehen mit dem Zusatz, doch bitte nicht weiter zu fragen.
Natürlich kam trotzdem heraus, dass das KSK in der heißen Phase der Gefechte in Afghanistan an mehreren Dutzend Einsätzen beteiligt war und zusammen mit anderen Spezialkräften Jagd auf besonders gefährliche Taliban machte. Schon auf dem Balkan hatte das KSK wiederholt Kriegsverbrecher ausgespäht, überwältigt und dem Gerichtshof in Den Haag zugeführt.
Wenn es allein das Gefühl wäre, zu einer überlegenen Elite zu gehören, täte die Bundeswehr schon gut daran, ein besonderes Auge auf mögliche extremistische Neigungen zu werfen. Hinzu kommt jedoch ein fragwürdiges Verständnis von den Traditionen der Bundeswehr. Über Jahrzehnte predigten Vorgesetzte, die zum Teil selbst noch in
„Der MAD schaut viel entschlossener hin. Dafür ist er da. Das ist gut“
Hans-Peter Bartels Wehrbeauftragter
der Wehrmacht Adolf Hitler die Treue geschworen hatten, dass man zwischen der verbrecherischen Ideologie des Regimes und dem reinen Militärhandwerk unterscheiden müsse und sich das zweite durchaus zum Vorbild nehmen könne. Nach mehrfachem Überarbeiten des Traditionserlasses ist dieses Denken offiziell zwar überwunden. Aber Spuren davon finden sich immer noch. Besonders da, wo öffentlich nicht so sehr hingeschaut wird.
Schlagzeilen gab es 2003, als sich Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) gezwungen sah, sogar den Chef des KSK, General Reinhard Günzel, zu feuern, als der auf Bundeswehrpapier seine Sympathie für eine Geschichtsdarstellung des damaligen CDU-Abgeordneten Martin Hohmann kundtat – weil dieser einen obskuren Zusammenhang zwischen Juden und „Tätervolk“hergestellt hatte. Nach seiner Entlassung war er Mitautor eines Buches, in dem das KSK in die Tradition einer Wehrmachts-Spezialeinheit gestellt wurde.
Nach wiederholten Berichten über mögliche Zusammenhänge zwischen rechtsextremistischen Netzwerken und ehemaligen KSK-Kämpfern begann der MAD, genauer hinzuschauen – und entdeckte eine überdurchschnittliche Häufung der Fälle im KSK: Von 20Verdachtsfällen hätten sich neun bestätigt, meldete der MAD bereits im vergangenen Jahr. Dass nun ein Elitesoldat privat Waffen und Sprengstoff hortet, stellt nach Überzeugung von Grünen-Bundeswehrexpertin Agnieszka Brugger eine„neue Qualität“der Bedrohung dar. Schon zuvor waren frühere Mitglieder von Spezialkräften auch in jener Szene aufgetaucht, die sich für den „Tag X“vorbereitet, um dann gegen politisch Andersdenkende loszuschlagen.
Die Konsequenz in der aktuellen Lage kann daher nur bedeuten, dass die Verteidigungsministerin sich nicht immer wieder nur um neue Einzelfälle kümmert, sondern die Strukturen des KSK grundsätzlich auf den Prüfstand stellt. Und der Verteidigungsausschuss muss analysieren, ob er eine besondere Kontrollinstanz für die besonders geheime Truppe braucht.