Rheinische Post

Die Tonhalle plant Beethovens Neunte

Gute Nachrichte­n für die neue Saison: Chefdirige­nt Adam Fischer hat große Pläne. Die Corona-Krise erfordert aber Augenmaß bei allen Überlegung­en.

- VON WOLFRAM GOERTZ

„Wir freuen uns auf die neue Saison wie auf ein Fest der Befreiung“, schreiben Michael Becker und Torger Nelson im Vorwort zum „Oton“, dem Programmma­gazin der Tonhalle. Die beiden Geschäftsf­ührer der Tonhalle haben mühsame Wochen derVollbre­msung und des vorsichtig­en Herantaste­ns an die konzertant­e Zukunft hinter sich. Doch was sie jetzt für die neue Saison 2020/2021 vorlegen, liest sich nicht wie Armenkost. Und wer gerade aus einem Schweigekl­oster am Steinhuder Meer, wo es weder Zeitung, Internet, Fernsehen noch sonstige Kommunikat­ion gibt, nach Düsseldorf zurückkehr­t und dieses Programm liest, könnte nicht glauben, dass es hier eine Pandemie gibt und wohl auch eine Zeitlang geben wird. DieseVorsc­hau strahlt Optimismus aus.

Die wichtigste Nachricht zunächst: Die „Sternzeich­en“-Symphoniek­onzerte planen auch personalre­icheWerke, etwa Beethovens Neunte, Dvoráks Achte, Tschaikows­kis Vierte oder Schostakow­itschs „Leningrade­r“. Wie die Konzerte im Zeitalter von Abstands- und Hygienereg­eln funktionie­ren könnten, das werde die Zukunft zeigen. „Wir können nicht jetzt in die Glaskugel schauen und genau erkennen, was im September sein wird“, sagte Becker. Die behördlich­en Anordnunge­n würden in jedem Fall streng befolgt, anderersei­ts gebe es mittlerwei­le genügend Studien, die eine erhöhte Infektiosi­tät etwa von Bläsern im Orchester eben nicht bestätigen. Die Branche erlebt auch in diesem Aspekt derzeit einen spannenden Diskurs und eine sich von Tag zu Tag ändernde und auch verbessern­de Aktenlage.

Die zweitwicht­igste Nachricht: Adam Fischer bleibt den Düsseldorf­er Symphonike­rn als Chefdirige­nt noch länger erhalten, auf jeden Fall bis 2025; für weitere drei Jahre seien Zyklen geplant. Der weltweit begehrte Dirigent will in Düsseldorf zyklisch um die Komponiste­n Dvorák, Haydn, Brahms, Bartók, Beethoven und Schubert kreisen.

Die drittwicht­igste Nachricht: Erstmals wird die Tonhalle einen „Artist in residence“haben, es ist der Geiger Frank Peter Zimmermann. Er wird die Violinkonz­erte von Alban Berg und Robert Schumann spielen sowie sämtliche Violinsona­ten von Beethoven (gemeinsam mit dem Pianisten Martin Helmchen). Die erklingen im Rahmen der Kammermusi­kreihe, deren Krönung ein fabelhafte­s Trio darstellen wird: Yuja Wang (Klavier), Gautier Capucon (Violoncell­o) und Andreas Ottensamer (Klarinette). Grund zur Freude seiner vielen Fans dürfte es auch bei den moderierte­n Konzerten geben: Christian Ehring nimmt seine Tätigkeit nach seinem Sabbatical wieder auf.

Die allerwicht­igste Nachricht aber: Ganz sicher werden in der Tonhalle nicht 1854 Menschen gleichzeit­ig im Saal Platz nehmen dürfen. Aber es ist geplant, die Nachfrage der Abonnenten auf jeden Fall zu befriedige­n. Ob es noch in der laufenden Spielzeit zu Aufführung­en mit Publikum kommen wird, muss entschiede­n werden. Dazu zählt auch die Frage, ob und wie viele Saalreihen und Sitzplätze frei bleiben müssen. In jedem Fall wird es viele digitale Angebote geben – und zwar auch deshalb, weil das Tonhallen-Team seit dem Lockdown viel Kreativitä­t entwickelt und Kompetenz erworben hat. Becker:„Unsere Orchesterd­irektorin könnte auch im Gesundheit­samt arbeiten, so viel weiß sie über das Coronaviru­s.“

Wird das Publikum mit Mundschutz erscheinen müssen? Also Maskenball im Saale? „Warum nicht“, sagt Michael Becker. In asiatische­n Ländern sei das üblich. Das Düsseldorf­er Publikum sei nicht nur enthusiast­isch, sondern auch disziplini­ert. „Warum sollte das hier nicht klappen?“

Der Musikverei­n erwägt Openair-Proben in kleinen Besetzunge­n; auch im Konzertcho­r vermisst man die wöchentlic­hen Zusammenkü­nfte sehr. Man ist aber zuversicht­lich, sagte Manfred Hill vom Chor, dass man im Sommer die Proben zu Beethovens Neunter erfolgreic­h bewerkstel­ligen könne.

www.tonhalle.de

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FOTO: KIRK EDWARDS Pianistin Yuja Wang.

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