Orbán verlangt Entschuldigung
Ungarns Ministerpräsident will die Corona-Notstandsgesetze bald aufheben.
BUDAPEST Viel Lärm um nichts. So bewertet Ministerpräsident Viktor Orbán den seit sieben Wochen andauernden Streit um die Corona-Notstandsgesetze in Ungarn, der nun bald zu einem Ende kommen könnte. Orbáns Kanzleichef Gergely Gulyas bestätigte am Montag im regierungsnahen Nachrichtensender Hir-TV, dass am 26. Mai mit der Rückgabe der Sonderbefugnisse an das Parlament begonnen werden solle, falls sich die Corona-Lage bis dahin nicht wieder verschärfe. Ende März hatte sich Orbán von der Zweidrittelmehrheit seiner rechtsnationalen Fidesz-Partei dazu ermächtigen lassen, im Land per Dekret zu regieren. Kritiker sprachen damals von einem „Staatsstreich“und dem „Übergang zur Diktatur“.
Wichtigster Grund für die schweren Vorwürfe war die fehlende Befristung des Gesetzes. Termine für ein Auslaufen oder Überprüfungen waren nicht festgeschrieben. Das Parlament erhielt zwar die Befugnis, jederzeit ein Ende des Notstands zu beschließen. Angesichts der Zweidrittelmehrheit des Fidesz hieß dies aber faktisch, dass die Entscheidung bei Orbán lag. Wahlen sollten während des Notstands nicht möglich sein. Zugleich sah das Gesetz Haftstrafen bis zu fünf Jahren für die Verbreitung von Falschnachrichten vor sowie für Meldungen, die eine Panik auslösen könnten. In den dehnbaren Formulierungen sahen Kritiker den Versuch, Regierungsgegner mundtot zu machen.
Orbán dagegen verwies von Anfang an auf die Regelung, dass das Parlament den Notstand jederzeit aufheben könne und dies auch tun werde, sobald die Seuche besiegt sei. Diesen Zeitpunkt hält der Ministerpräsident nach den jüngsten Ankündigungen nun offenbar für gekommen. Zugleich forderte Orbán seine Kritiker zu einer Art „Gang nach Canossa“auf. Er gebe allen, die Ungarn in den vergangenen Wochen „mit ungerechten Bezichtigungen angegriffen haben, die Gelegenheit, sich zu entschuldigen“. Die beschlossenen Gesetze hätten den Sieg über die Seuche im Land erst ermöglicht, der andernorts noch lange nicht erreicht sei. Der Kampf gegen Corona sei „im Westen ins Stocken geraten, im Osten hat er funktioniert“.
Tatsächlich lagen die Infektionszahlen in Ungarn deutlich unter dem Niveau der meisten EU-Staaten. Am Montag waren rund 3500 Infektionen bestätigt, 453 Menschen starben. Die Opposition in Budapest machte dafür allerdings nicht Orbáns Politik verantwortlich, sondern den geografisch sehr unterschiedlichen Verlauf der Pandemie. Bertalan Toth, der Vorsitzende der sozialdemokratischen MSZP, führte Orbáns Ankündigung, den Notstand zu beenden, darauf zurück, dass sein Plan „nicht aufgegangen ist“. Im Gegenteil. Ungarn sei trotz vergleichsweise geringer Infektionszahlen in eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise abgeglitten. „Wir haben Hunderttausende Familien schutzlos gelassen und sie verloren gegeben“, sagte Toth.
Die rechtsextreme, in Teilen neofaschistische Partei Jobbik wiederum verlangte vom Ministerpräsidenten, die Seuche nicht zu unterschätzen und zu weitgehende Lockerungen nicht zuzulassen.