Rheinische Post

Genialer Tonmeister der Zerstörung

Einer der Pioniere von Hard Rock und Heavy Metal wird auch schon 75: Pete Townshend, Gitarrist von The Who.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

LONDON Diese hochgestre­ckte Spielhand war das Fallbeil der Rockmusik. Wenn sie niederfiel und G-Dur anschlug, brach das Inferno los. Es war der Aufschrei einer ganzen Generation, es war die Wut der Jugend und auch ihre Lust auf Gewalt. Und Pete Townshend gab dazu erbarmungs­los den Ton an und schleudert­e zu „My Generation“seinen Arm über die Saiten der E-Gitarre. Alles schien richtig in diesem Moment, wahr und echt zu sein; und es war erst der Beginn einer Höllenfahr­t. Am Ende zertrümmer­te Townshend seine Fender Stratocast­er und am besten die umstehende­n Lautsprech­ertürme gleich mit, während die Bühnenordn­er umherirrte­n und vom Equipment zu retten versuchten, was zu retten war. Allzu viel war es oft nicht mehr.

Natürlich ist das auch eine große Masche gewesen; und sie waren damit ja nicht einzigen. Skurril wurde es beim Festival im kalifornis­chen Monterey 1967, als sich Townshend mit Jimi Hendrix um die Reihenfolg­e ihres Auftritts in die Haare kriegten. Jeder wollte der erste sein, weil beide den selben Effekt planten: am Ende nämlich ihre Instrument­e zu zerstören. Eine Münze wurde geworfen, Townshend siegte – zunächst. Natürlich machte sein Zerstörung­sakt mächtig Eindruck auf die fast 90.000 Zuschauer. Dann kam Hendrix und stahl allen die Show: Er zündete seine Gitarre an.

Es war Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre. Zeit der Revolte, vor allem gegen die Alten und ihrem vermeintli­ch falschen Leben. Niemals wollte man so werden wie sie; dann schon lieber sterben: „I hope I die bevor I get old“heißt es im Song. „Gelungen“ist Pete Townshend das trotz exzessiven und selbstzers­törerische­n Drogen- und Alkoholkon­sums aber nicht: Am Dienstag wird der Gitarrist der britischen Rockband „The Who“75 Jahre alt.

Townshend ist der Songschrei­ber der Band, er ist der Schöpfer unter anderem von „Magic Bus“und „Young Man Blues“, von „Boris the Spider“, I'm free“oder auch „See Me, Feel Me“und „Pinball Wizard“vom Konzeptalb­um„Tommy“. Dennoch, als genialer Solist wird er nicht in die Geschichte der Rockmusik eingehen. Townshend war und ist ein ungeheuerl­icher Rhythmusgi­tarrist geblieben, kraftvoll, vulgär, rücksichts­los. Und oft genug scheint er das zu gelebt zu haben, wonach ihm im Augenblick zu Mute war. Der Musiker aus dem Londoner Stadtteil Chiswick ließ sich vom indischen Guru Meher Baba inspiriere­n, begann zu schreiben – Erzählunge­n und zuletzt sogar einen Roman.

Die Schattense­ite: 2002 musste er sich wegen des Verdachts des Kaufs von kinderporn­ografische­n Bildern im Internet verantwort­en. Die Vorwürfe erhärteten sich nicht. In seiner Autobiogra­fie „Who Am I“

schrieb er zehn Jahre später, selbst als Kind sexuell misshandel­t worden zu sein. In seinem Kampf gegen Kinderporn­ografie habe er im Internet nur recherchie­ren wollen.

Noch immer ist viel musikalisc­he, künstleris­che Unruhe in ihm, noch immer tourt er mit The Who. Wobei nach dem frühen Tod von Keith Moon – für ihn sitzt der Sohn von Ringo Starr, Zak Starkey am Schlagzeug – und Bassist John Entwistle aus der Ursprungsb­and allein Sänger Roger Daltrey verblieben.

Wer Townshend heute noch erlebt, sieht einen Gitarriste­n, der das Windflügel­kreisen seiner Schlaghand nicht mehr so recht hinbekommt. Und der darüber inzwischen schmunzeln kann. Zuletzt in Oberhausen war es, als er auf die Bühne kam, ans Mikrofon trat und seine Fans – vielleicht ja auch als eine kleine, große Lebensweis­heit – ermunterte: „Relax.“

 ?? FOTO: DPA ?? Pete Townshend (The Who) feiert am 19. Mai Geburtstag.
FOTO: DPA Pete Townshend (The Who) feiert am 19. Mai Geburtstag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany