Thyssenkrupp zerlegt sich
Der einst stolze Konzern wandelt sich zu einer Beteiligungsgesellschaft. Für den Stahl und die Werften werden Fusionspartner gesucht. Die IG Metall hofft auf einen Deal mit Salzgitter oder Saarstahl.
ESSEN Bei Thyssenkrupp bleibt kein Stein auf dem anderen. Der Aufsichtsrat des angeschlagenen Konzerns beschloss am Montag einen radikalen Umbau. Nach dem Aufzugsgeschäft sollen weitere Töchter verkauft werden, für den Stahl soll ein Fusionspartner gesucht werden. Thyssenkrupp, der einst stolze Industriekonzern, schrumpft damit zu einer Beteiligungsgesellschaft.„Group of companies“nennt er das. „Wir haben schwierige und
„Wir werden keinem weiteren Jobabbau zustimmen“
Knut Giesler Chef der IG Metall NRW
längst überfällige Entscheidungen getroffen. Thyssenkrupp wird kleiner, aber stärker aus dem Umbau hervorgehen“, meint Konzernchefin Martina Merz.
Behalten will Thyssenkrupp nur die Segmente Material Services (Werkstoffhandel), Industrial Components (Schmiedegeschäft, Großwälzlager) und Automotive (Autozulieferung). Für den Stahl und die Werften (Marine Systems) sollen dagegen „mögliche Partnerschaften und Konsolidierungsoptionen“verfolgt werden, wie der Konzern nach Börsenschluss mitteilte. Auf die Verkaufsliste kommen auch der Anlagenbau (Plant Technology) und das Edelstahlwerk im italienischen Terni.
Thyssenkrupp wollte eigentlich den Erlös aus dem Verkauf des Aufzugsgeschäfts (Elevator) nutzen, um in die anderen Segmente zu investieren. Doch wegen der Coronakrise benötigt der Konzern nun die Milliarden zum Stopfen der Löcher und muss für die Not leidenden Töchter neue Wege finden.
Er unternimmt einen zweiten Anlauf beim Stahl, 2019 war eine Fusion mit dem indischen Konkurrenten Tata gescheitert. Nun sei man erneut in Gesprächen mit Tata, aber auch mit Baosteel aus China, SSAB aus Schweden und mit deutschen Konkurrenten, wie aus Konzernkreisen verlautet. An der Börse war dies zuvor gut angekommen. Die gebeutelte Aktie legte zeitweise um zwölf Prozent auf 4,90 Euro zu.
Die IG Metall begrüßt die Stahl-Pläne. „Angesichts der Herausforderungen in der Branche ist es richtig, dass der Konzern nun Sondierungsgespräche mit anderen Stahlherstellern führt“, sagte Knut Giesler, NRW-Chef der Gewerkschaft. Dabei seien vier Dinge essenziell: Beschäftigungssicherung, Investitionen, Innovationen, Mitbestimmung. Die IG Metall hofft auf eine deutsche Lösung: „Ein Zusammengehen mit Salzgitter oder Saarstahl sollte ausgelotet werden“, so Giesler. „Um den Stahl CO2-frei herstellen zu können, braucht es die Zusammenarbeit in der Branche und auch die Hilfe des Staates.“Er betonte: „In der Vergangenheit sind deutsche Lösungen an den Eitelkeiten einzelner Manager gescheitert. Doch die Zeit für solche Eitelkeiten ist vorbei.“In ein deutsches Stahl-Trio würde Thyssenkrupp 28.000 Mitarbeiter einbringen, Salzgitter 23.000 und Saarstahl 6000. Zugleich warnte Giesler, eine Fusion zum weiteren Abbau zu nutzen.„Über den bereits beschlossenen Abbau von 2000 Stellen plus 1000 Stellen hinaus darf es im Stahl keinen weiteren Jobabbau geben.“Nur unter der Prämisse habe man vorWochen auch den Tarifverträgen zugestimmt. Der Konzern bestätigte, der Umbau umfasse den Abbau von 3000 Jobs im Stahl.
2019 war die Fusion mit Tata am Veto der EU-Kommission gescheitert, die eine zu große Marktmacht fürchtete. Dennoch sieht Gießler
jetzt Chancen für einen neuen Anlauf: „Die EU-Kommission ist nun eine andere und der Markt hat sich verändert, so dass sich die Kartellfreigabe anders entwickeln könnte.“
Im Aufsichtsrat bekam Konzernchefin Martina Merz Zustimmung für ihre Pläne, auch von der IG Metall. „Die Arbeitnehmerseite trägt eine Neuordnung mit“, sagte Jürgen Kerner, Vize-Chef des Aufsichtsrats und Hauptkassierer der Gewerkschaft. Er betonte zugleich: „Wir erwarten, dass bei Stahl und Marine Systems auch Konsolidierungsoptionen unter der Federführung von Thyssenkrupp geprüft werden. Wir lehnen eine Holding, die sich als Laienspieler in verschiedensten Märkten tummelt und beim industriellen Kerngeschäft Stahl nur noch als Juniorpartner taugt, ab.“
Immerhin kommt der Elevator-Verkauf voran. Allerdings gibt es Wirbel um die Käufer Advent und Cinven: „Die Finanzinvestoren versuchen derzeit, ihren Eigenkapital-Anteil zu senken, indem sie weitere Mitstreiter finden“, sagte Giesler. Aber zum Glück habe man sie auf Investitions- und Forschungssummen festgelegt.
Die Krupp-Stiftung als Ankeraktionär stimmte Merz' Plänen ebenfalls zu: „Angesichts der äußerst herausfordernden Lage tragen wir auch schwierige Entscheidungen zum Wohle des Unternehmens mit.“Man habe Vertrauen in den Vorstand. „Thyssenkrupp hat keine Zeit zu verlieren.“In der Tat.