Literatur als TV-Serie: „Kleine Feuer überall“
Das Haus steht in Flammen und ist nicht mehr zu retten. Die Feuerwehr geht von Brandstiftung aus. Überall im Gebäude, so erklärt der Polizist, seien kleine Feuer gelegt worden. Der Brandreport zu Beginn der Serie „Little Fires Everywhere“ist durchaus metaphorisch zu verstehen. Denn in den folgenden acht TV-Stunden geht es um all die kleinen Brandherde, die sich langsam, mit steigender Dramatik, zu einem unkontrollierten Inferno ausweiten.
Nach dem Prolog spult die Geschichte ein paar Monate zurück, in den Sommer 1997 nach Shaker Heights, Ohio. Die Vorstadtsiedlung in der Nähe von Cleveland ist für seine besserverdienende Bevölkerung ein Ort der Ruhe und Geborgenheit. Hier residiert Elena (ReeseWitherspoon) – eine bekennende Helikopter-Mutter, die den Familienbetrieb mit vier jugendlichen Sprösslingen gut durchorganisiert hat. Den Traum von einer Karriere als Journalistin in New York hat sie damals aufgegeben und schreibt nun nebenberuflich für das örtliche Lokalblatt, während der Juristen-Ehemann Bill (Joshua Jackson) das große Geld nach Hause bringt. Elena hat ein gutes Herz, und das zeigt sie auch gerne. Etwa wenn sie Mia (Kerry Washington) und deren Tochter Pearl (Lexi Underwood) das frühere Haus ihrer Eltern weit unter dem Marktpreis vermietet. Die afroamerikanischen Künstlerin hält es nie lange an einem Ort aus, aber nun hat das Mädchen einfach genug vom Nomadenleben. Pearl gefällt es in der Vorstadt und in Elenas Familie, bei der sie immer öfter am Essenstisch sitzt.
Zwei konträre, starke Frauenfiguren stellt Liz Tiglaar ins Zentrum von „Little Fires Everywhere“nach dem gleichnamigen Bestseller von Celeste Ng (auf Deutsch: „Kleine Feuer überall“). Auf vollkommen verschiedene Weise füllen die beiden ihre Mutterrolle aus und müssen diese in der Dynamik der Ereignisse zunehmend hinterfragen. Anders als der Roman reichert die Serie das Aufeinanderprallen der Protagonistinnen durch deren ethnische Unterschiede an.
Interessanter jedoch als die Plotwendungen ist die immer differenziertere Zeichnung der Charaktere, die mit den kulminierenden Ereignissen einhergeht. Erscheint Witherspoons Vorstadtmutti am Anfang noch wie eine Karikatur, gewinnt ihre Figur zunehmend an Tiefe. Ihr gegenüber brilliert Kerry Washington, die die widerstrebenden Emotionen aus Stolz, Wut, Panik und Schuldgefühlen fein dosiert von der Leine lässt. Mit einer kurzen Veränderung des Blicks brechen in ihren Augen Seelenabgründe auf, und werden Sekunden später wieder zugemauert. Ganz großes Kino – auch auf dem Flachbildschirm. Info Ab 22. Mai bei Amazon Prime