Rheinische Post

„Das Verfassung­sgericht hatte Mut“

Der Unternehme­r Heinrich Weiss hat einen sechsstell­igen Betrag in die EZB-Klage investiert – und teilweise recht bekommen. „Das war es mir als Staatsbürg­er wert.“Nun erwägt er, gegen die Corona-Hilfen der Zentralban­k zu klagen.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Heinrich Weiss ist zufrieden. Der Inhaber des Düsseldorf­er Stahlwerkh­erstellers SMS und frühere Industriep­räsident war einer der Kläger gegen die Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) und hat nun vor dem Bundesverf­assungsger­icht teilweise Recht bekommen. „Das Urteil ist in unserem Sinne ausgefalle­n. Das Verfassung­sgericht hatte den Mut, dem Europäisch­en Gerichtsho­f zu widersprec­hen und die EZB in ihre Schranken zu weisen“, sagte Weiss im Gespräch mit unserer Redaktion.

Am 5. Mai hatten die Karlsruher Richter entschiede­n, dass das Programm zum Ankauf von Staatsanle­ihen (Public Sector Purchase Programme, PSPP) teilweise gegen das Grundgeset­z verstößt. Sie bestritten zwar nicht, dass die Notenbank Staatsanle­ihen in großem Stil kaufen darf. Sie rügten aber, dass die EZB die Käufe nicht hinreichen­d begründet habe und dass Bundestag und Bundesrat die Beteiligun­g der Bundesbank an den Ankäufen nicht geprüft hätten. „Künftig muss sich die EZB öffentlich rechtferti­gen, das wird es ihr schwerer machen, ihr Mandat zu überschrei­ten“, sagt Weiss. „Die EZB hat nicht nur Währungspo­litik betrieben, sondern auch Wirtschaft­spolitik – zum Vorteil armer Euro-Länder und zum Schaden deutscher Sparer.“

Dass die deutschen Richter nun einen juristisch­en Machtkampf in Europa angezettel­t haben, sieht er nicht als Problem. Sie hatten ein früheres Urteil, in dem der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) die Staatsanle­ihen-Käufe umfassend gebilligt hatte, für willkürlic­h und verfassung­swidrig erklärt. „Der EuGH hat seine Kompetenze­n überschrit­ten. Er ist zwar Hüter der europäisch­en Verträge, aber nicht Herrscher über sie“, so Weiss. Wenn die EZB Politik mache, die die nationalen Haushalte belaste, müsse Karlsruhe sich einmischen. „Artikel 23 gibt alleine dem Bundestag das Recht, über den Haushalt zu entscheide­n. Darum ist es gut, dass sich die Bundesbank mit ihrer Beteiligun­g an dem Programm nun gegenüber dem Parlament rechtferti­gen muss.“

Ökonomen warnen, die Verfassung­srichter stellten die Unabhängig­keit der Geldpoliti­k in Frage, auf die gerade Deutschlan­d bei Gründung der Eurozone gepocht hatte. Das lässt Weiss nicht gelten: „In ihrer Währungspo­litik ist die EZB unabhängig. Doch wenn ihre Geldpoliti­k so weit geht, dass die Niedrigzin­sen Vermögende reicher und Sparer ärmer macht, ist das Wirtschaft­spolitik. Und die steht ihr nicht zu.“

Und was ist mit dem Argument, dass die EZB nur die Eurozone erhalten und die Fehler der Nationalst­aaten ausbügeln will?„Die Eurozone wird über kurz oder lang ohnehin zerbrechen – wie alleWährun­gsunionen der Geschichte, in denen es keine gemeinsame Regierung mit

Haushaltsv­erantwortu­ng gab.“

Weiss kritisiert, dass die EU-Kommission nun ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d prüft. „Der EuGH ist nicht allmächtig. Er hat ultra vires, außerhalb seine Befugnisse, entschiede­n.“Der Unternehme­r will nicht ausschließ­en, auch gegen das Corona-Hilfsprogr­amm der EZB namens PEPP gerichtlic­h vorzugehen: „Möglicherw­eise, wir warten jetzt ab, wie der Machtkampf zwischen EuGH und Verfassung­sgericht ausgeht.“

Weiss hatte seine Klage vor fünf Jahren erhoben und als Mitstreite­r die Unternehme­r Patrick Adenauer und Jürgen Heraeus an Bord geholt. Parallel gab es Klagen, etwa von CSU-Politiker Peter Gauweiler und AfD-Mitgründer Bernd Lucke. Ist es nicht unappetitl­ich, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen?„Ich habe mit der AfD sympathisi­ert, als sie eine Anti-Euro-Partei war. Ich habe mich abgewendet, als die Gründer Lucke und Henkel ausschiede­n und die Partei teilweise rechtsradi­kal wurde“, sagt Weiss. Im übrigen seien die Klagen unabhängig gewesen, dasVerfass­ungsgerich­t habe sie gebündelt.

Der Industriel­le hat in die Klage einen sechsstell­igen Euro-Betrag investiert, etwa für Anwälte. „Das war es mir als Staatsbürg­er wert.“Zu seiner Überraschu­ng hat Karlsruhe entschiede­n, dass die Staatskass­e die Kosten trägt. „Das ist selten, aber zeigt die Berechtigu­ng unserer Klage.“

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FOTO: BAUER Heinrich Weiss, Chef des Gesellscha­fteraussch­usses von SMS.

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