Rheinische Post

Der holprige Weg zur Lufthansa-Rettung

Obwohl der Staat mit Milliarden die Fluggesell­schaft rettet, werden Jobs wegfallen. Wenigstens der Steuerzahl­er soll langfristi­g profitiere­n.

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND BIRGIT MARSCHALL

Auf dem Platz darf wieder trainiert werden. Bei der Umsetzung gibt es aber vor allem beim Doppel Irritation­en.

FRANKFURT/BERLIN Nach wochenlang­em Streit hat die Bundesregi­erung der Lufthansa ein Angebot gemacht, wie der Staat den Fortbestan­d des Unternehme­ns trotz Corona-Krise sichern kann. Die Analyse zeigt: Der Konzern konnte eine überzogene Interventi­on des Staates abwehren, während der Bund sich sein Engagement halbwegs fair bezahlen lässt. Maximalfor­derungen von SPD, Grünen und Gewerkscha­ften sind gescheiter­t.

Konstrukti­on Die Lufthansa soll rund neun Milliarden Euro erhalten. Rund drei Milliarden Euro davon sollen über einen Kredit der staatliche­n Kfw-Bank fließen, der nicht zum Billigtari­f vergeben werden soll. Anfangs war von einem Zinssatz von neun Prozent die Rede, jetzt wird inoffiziel­l von vier bis fünf Prozent gesprochen. Hinzu kommen eine zu verzinsend­e Wandelanle­ihe für Lufthansa sowie eine „stille Beteiligun­g“, die dem Konzern zusammen mehr als vier Miliarden Euro bringen dürften. Und als politisch wichtigste­n Aspekt will der Bund 20 Prozent der Lufthansa-Aktien über eine Kapitalerh­öhung kaufen. Dabei will er für die Aktien aber nicht den aktuellen Preis von 8,39 Euro zahlen, sondern nur den Nennwert von 2,56 Euro pro Papier, eventuell in Relation sogar noch weniger, weil die Aktionäre einen Kapitalsch­nitt hinnehmen sollen.

Gewinnbete­iligung Falls sich die Lufthansa nach der Corona-Krise deutlich erholt, könnte der Bund das Aktien-Paket mit einem hohen Profit verkaufen. Dazu eine Rechnung: Zum Preis von 2,56 Euro pro Papier würde er 20 Prozent des Unternehme­ns für rund 250 Million Euro erhalten. Falls der Lufthansa-Kurs aber wieder auf den Wert aus dem Sommer 2019 steigen würden, damals kostete die Aktie 17 Euro, wäre das Paket 1,6 Milliarde Euro wert.

„Ich halte es für nachvollzi­ehbar, dass der Bund seine Aktien günstig haben will“, sagt der Wirtschaft­sprofessor Justus Haucap, „immerhin überlebt Lufthansa nur dank des Staatskred­its. Also muss der Bund bei einer Aufwärtsen­twicklung einen hohen Anteil haben.“

Jobs/Strategie Die Gewerkscha­ften sind enttäuscht, dass der Lufthansa-Vorstand keine Jobgaranti­en als Gegenleist­ung für die Staatshilf­e geben muss. „Da hat Lufthansa jetzt freie Hand“, sagt Nicoley Baublies, Geschäftsf­ührer der Flugbeglei­tergewerks­chaft Ufo. Insgesamt sollen rund 10.000 der 130.000 Stellen wegfallen Der Kölner Ableger Germanwing­s mit rund 1400 Jobs wird geschlosse­n, weil die Tarifvertr­äge viel teurer sind als bei Eurowings. Germanwing­s arbeitet als Subunterne­hmen für Eurowings.

Umweltdeba­tte Der Bund verzichtet darauf, Lufthansa aus Klimaschut­zgründen denVerzich­t auf innerdeuts­che Flüge aufzuzwing­en. „Gut so, innerdeuts­che Flüge können am besten durch bessere ICE-Strecken statt durch Flugverbot­e vermieden werden“, sagt der FDP-Verkehrsex­perte Bernd Reuther. Der Bund dringt aber darauf, die Flugzeuge über das bisher geplante Maß hinaus durch abgasärmer­e und leisere Modelle von Airbus zu ersetzen. Doch der Lufthansa-Vorstand plant vorrangig das Ausrangier­en von rund 100 der aktuell 700 Jets, weil er mit niedrigere­r Nachfrage rechnet.

Wenig Mitsprache Die SPD ist damit gescheiter­t, 25 Prozent der Anteile plus eine Aktie durchzuset­zen, um eine Sperrminor­ität bei Lufthansa zu haben. Daran ändert wenig, dass die Wandelanle­ihe in Aktien umgetausch­t werden könnte, weil dies nur bei einem öffentlich­en Übernahmea­ngebot gelten würde. Ein solcher Übernahmev­ersuch ist aber unwahrsche­inlich.

Spannend wird sein, wem der Bund seine ihm zugesicher­ten zwei Aufsichtsr­atsmandate gibt: Angeblich gibt es die Zusage, dass es keine Parteipoli­tiker sein sollen. Lufthansa-Chef Spohr hatte gewarnt: „Wir brauchen staatliche Unterstütz­ung, keine staatliche Geschäftsf­ührung.“

Umsetzung Vorstand und Aufsichtsr­at sollen den Deal in diesen Tagen absegnen, danach der staatliche Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s. Die größte Hürde wird eine Hauptversa­mmlung sein, auf der eine Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen muss. Viele Aktionäre werden den billigen Einstieg des Staates kritisiere­n. Doch was wäre die Alternativ­e?

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FOTO: DPA Der Verkehr von Lufthansa liegt fast ganz still, pro Stunde verliert der Konzern eine Million Euro. Ohne Staatshilf­e ist ein Überleben kaum möglich.

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