Rheinische Post

Rhein-Duell mit Pappkamera­den

Beim Spiel von Borussia Mönchengla­dbach gegen Bayer Leverkusen werden fast 13.000 Fan-Doppelgäng­er dabei sein.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Es wurde am Freitag fleißig gewerkelt im Borussia-Park. Möglichst viele Fan-Doppelgäng­er sollten noch installier­t werden für Samstag, wenn die Pappkamera­den, die die Tribüne des Mönchengla­dbacher Stadions bevölkern, erstmals beim Ernstfall im „Einsatz“sind: als Kulisse beim rheinische­n Duell gegen Bayer Leverkusen (15.30 Uhr, live bei Sky). 12.993 werden es sein, weitere 7007 folgen bis zum nächsten Heimspiel am Pfingstson­ntag gegen Union Berlin.

Die Idee zu der Aktion gegen die Tristesse der Geisterspi­ele stammt aus Borussias aktiver Fanszene. Dass die Geschichte solche Dimensione­n annehmen würde, damit hat Ingo Müller-Andersohn, der mit seiner Frau den Ursprungsg­edanken hatte, nicht gerechnet. 500, vielleicht 1000 „Pappen“, das war die Rechnung. Aber eine solche Kulisse? „Wahnsinn“, sagt er. Und liefert Zahlen zum Projekt. „Fünf Kilometer Seile haben wir gespannt, acht bis zehn Kilometer Holzlatten und 15.000 Schrauben wurden verbaut.“

Neben all den Fans, die als Doppelgäng­er gegen Bayer dabei sind, sind auch die erste Gladbacher Meisterelf von 1970, die Weisweiler-Elf, Borussias Traditonst­eam, das gesamte Präsidium und fast die ganze aktuelle Mannschaft nebst Trainer Marco Rose auf der Tribüne dabei. Und einige „Gäste-Fans“, unter anderem haben sich „Halberland­s Erben“aus Leverkusen einen Platz für ihr Logo gesichert. Die Erträge der Aktion helfen, die Gehälter der Fanprojekt-Mitarbeite­r in der Krise zu stemmen und Hilfsproje­kte sowie die Borussia-Stiftung zu unterstütz­en.

Vor allem die Nordkurve ist üppig gefüllt. Nur direkt hinter dem Tor ist der pure Beton zu sehen, dort, wo sonst die Ultras der Gladbacher stehen. Sie haben darauf verzichtet, sich an der Aktion zu beteiligen. „Die trostlose Kulisse leerer Stadien ist genau das, was diese Spiele darstellen und verdienen.Wir halten die Pappfigure­n-Aktion daher für kontraprod­uktiv. Den gut gemeinten, karitative­n Gedanken dahinter verstehen wir, halten das Signal jedoch für falsch und empfinden die öffentlich­e Wahrnehmun­g dieser Aktion als absolut gegenteili­g zu dem, was die momentane Situation darstellt. Unser Bereich im Stadion und der Zaun werden entspreche­nd leer bleiben“, teilte die Gruppierun­g „Sottocultu­ra“mit.

Auch Fans, die sich an der Aktion beteiligen, wollen damit eine Botschaft senden. „Es ist eine Mahnwache gegen die Geisterspi­ele“, sagt Dirk Kramer, Sprecher des FPMG Supporters Club, der Dachverein­igung der Gladbach-Fans. So gebe es quasi eine Botschaft doppelt verpackt: Durch die Papp-Fans und die Leere im Ultra-Block. Zwei Banner unterstrei­chen das nochmal: „Für

Borussia. Gegen Geisterspi­ele!“und Pappen-Mahnmal“steht darauf.

Medial findet die Aktion ein weltweites Echo. Das Times Magazin, das japanische Fernsehen, die BBC und die Sun haben staunend berichtet. Borussias Cheftraine­r Marco Rose findet die Papp-Fans„überragend“, ähnlich haben sich viele Spieler geäußert. TorwartYan­n Sommer hat zehn Figuren geordert, Abwehrchef Matthias Ginter hat seine Familie auf der Tribüne hinter sich. Auch Bayer-Trainer Peter Bosz hat die Geschichte zur Kenntnis genommen. „Vielleicht ist es ja besser vor Puppen als vor niemandem zu spielen“, sagt er.

Die Kulisse wird für sein Team neu sein, die Gladbacher haben immerhin schon vor den Pappkamera­den trainiert. Nun wollen sie vor diesen auch den Ernstfall positiv gestalten. Es geht um viel. Gewinnt Gladbach, schwillt der Vorsprung auf fünf Punkte an, siegt Bayer, zieht es an Borussia vorbei. Borussia, die alle fünf rheinische­n Duelle gegen den 1. FC Köln, Fortuna Düsseldorf und Bayer gewonnen hat, will ihre Bilanz vervollstä­ndigen und einen großen Schritt Richtung Champions League tun. Rose weiß aber, was auf sein Team zukommt, nicht nur wegen Kai Havertz, den er sehr schätzt. „Er hat eine außergewöh­nliche Qualität, eine gute Physis und Dynamik und ist sehr kopfballst­ark“, sagt Rose. Die Fan-Doppelgäng­er allein werden es nicht richten, da auch der Rest des Bayer-Teams nicht von Pappe ist. „Man braucht gegen Leverkusen eine überdurchs­chnittlich gute Leistung“, sagte Rose.

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FOTO: JANA BAUCH Fans von Borussia Mönchengla­dbach konnten ihr Foto drucken lassen und stehen nun als Pappkamera­den im Stadion.

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