Rhein-Duell mit Pappkameraden
Beim Spiel von Borussia Mönchengladbach gegen Bayer Leverkusen werden fast 13.000 Fan-Doppelgänger dabei sein.
MÖNCHENGLADBACH Es wurde am Freitag fleißig gewerkelt im Borussia-Park. Möglichst viele Fan-Doppelgänger sollten noch installiert werden für Samstag, wenn die Pappkameraden, die die Tribüne des Mönchengladbacher Stadions bevölkern, erstmals beim Ernstfall im „Einsatz“sind: als Kulisse beim rheinischen Duell gegen Bayer Leverkusen (15.30 Uhr, live bei Sky). 12.993 werden es sein, weitere 7007 folgen bis zum nächsten Heimspiel am Pfingstsonntag gegen Union Berlin.
Die Idee zu der Aktion gegen die Tristesse der Geisterspiele stammt aus Borussias aktiver Fanszene. Dass die Geschichte solche Dimensionen annehmen würde, damit hat Ingo Müller-Andersohn, der mit seiner Frau den Ursprungsgedanken hatte, nicht gerechnet. 500, vielleicht 1000 „Pappen“, das war die Rechnung. Aber eine solche Kulisse? „Wahnsinn“, sagt er. Und liefert Zahlen zum Projekt. „Fünf Kilometer Seile haben wir gespannt, acht bis zehn Kilometer Holzlatten und 15.000 Schrauben wurden verbaut.“
Neben all den Fans, die als Doppelgänger gegen Bayer dabei sind, sind auch die erste Gladbacher Meisterelf von 1970, die Weisweiler-Elf, Borussias Traditonsteam, das gesamte Präsidium und fast die ganze aktuelle Mannschaft nebst Trainer Marco Rose auf der Tribüne dabei. Und einige „Gäste-Fans“, unter anderem haben sich „Halberlands Erben“aus Leverkusen einen Platz für ihr Logo gesichert. Die Erträge der Aktion helfen, die Gehälter der Fanprojekt-Mitarbeiter in der Krise zu stemmen und Hilfsprojekte sowie die Borussia-Stiftung zu unterstützen.
Vor allem die Nordkurve ist üppig gefüllt. Nur direkt hinter dem Tor ist der pure Beton zu sehen, dort, wo sonst die Ultras der Gladbacher stehen. Sie haben darauf verzichtet, sich an der Aktion zu beteiligen. „Die trostlose Kulisse leerer Stadien ist genau das, was diese Spiele darstellen und verdienen.Wir halten die Pappfiguren-Aktion daher für kontraproduktiv. Den gut gemeinten, karitativen Gedanken dahinter verstehen wir, halten das Signal jedoch für falsch und empfinden die öffentliche Wahrnehmung dieser Aktion als absolut gegenteilig zu dem, was die momentane Situation darstellt. Unser Bereich im Stadion und der Zaun werden entsprechend leer bleiben“, teilte die Gruppierung „Sottocultura“mit.
Auch Fans, die sich an der Aktion beteiligen, wollen damit eine Botschaft senden. „Es ist eine Mahnwache gegen die Geisterspiele“, sagt Dirk Kramer, Sprecher des FPMG Supporters Club, der Dachvereinigung der Gladbach-Fans. So gebe es quasi eine Botschaft doppelt verpackt: Durch die Papp-Fans und die Leere im Ultra-Block. Zwei Banner unterstreichen das nochmal: „Für
Borussia. Gegen Geisterspiele!“und Pappen-Mahnmal“steht darauf.
Medial findet die Aktion ein weltweites Echo. Das Times Magazin, das japanische Fernsehen, die BBC und die Sun haben staunend berichtet. Borussias Cheftrainer Marco Rose findet die Papp-Fans„überragend“, ähnlich haben sich viele Spieler geäußert. TorwartYann Sommer hat zehn Figuren geordert, Abwehrchef Matthias Ginter hat seine Familie auf der Tribüne hinter sich. Auch Bayer-Trainer Peter Bosz hat die Geschichte zur Kenntnis genommen. „Vielleicht ist es ja besser vor Puppen als vor niemandem zu spielen“, sagt er.
Die Kulisse wird für sein Team neu sein, die Gladbacher haben immerhin schon vor den Pappkameraden trainiert. Nun wollen sie vor diesen auch den Ernstfall positiv gestalten. Es geht um viel. Gewinnt Gladbach, schwillt der Vorsprung auf fünf Punkte an, siegt Bayer, zieht es an Borussia vorbei. Borussia, die alle fünf rheinischen Duelle gegen den 1. FC Köln, Fortuna Düsseldorf und Bayer gewonnen hat, will ihre Bilanz vervollständigen und einen großen Schritt Richtung Champions League tun. Rose weiß aber, was auf sein Team zukommt, nicht nur wegen Kai Havertz, den er sehr schätzt. „Er hat eine außergewöhnliche Qualität, eine gute Physis und Dynamik und ist sehr kopfballstark“, sagt Rose. Die Fan-Doppelgänger allein werden es nicht richten, da auch der Rest des Bayer-Teams nicht von Pappe ist. „Man braucht gegen Leverkusen eine überdurchschnittlich gute Leistung“, sagte Rose.