Rheinische Post

Corona und das Gemeinscha­ftsleben

- Iosif-Cristian Radulescu

Die Kirchentür öffnet sich nach zwei Monaten ohne Gottesdien­ste. Alle stehen mit Abstand hintereina­nder. Eine Person mit Mundschutz prüft die Namen der angemeldet­en Gottesdien­stteilnehm­er. Der Empfang ist so seltsam. Doch in den Gesichtern der Menschen liest man ihre Wiedersehe­nsfreude, die zeigt, wie sehr sie die Gemeinscha­ft der Kirche vermisst haben.

Jeder findet schnell einen grün markierten Platz. Dann schauen sich alle um. Die Stimmung bleibt merkwürdig. Es fehlen die anderen. Unsere Gemeinde ist nicht vollzählig. Daher ist auch unsere Freude nicht vollkommen. Obwohl hier einige beisammen sind, um für alle zu beten, darf es nicht so bleiben. Wir dürfen uns nicht damit begnügen, dass Zusammense­in ohne die anderen Schwestern und Brüder in Ordnung ist.

Die Heilige Göttliche Liturgie beginnt. Die Einsamkeit der letzten Wochen lässt nach. Wir sind stärker. Was macht uns stark? Unser Glauben, unser gemeinsame­s Beten, unsere gemeinsame Hoffnung, unsere Freude beisammen zu sein? Ja, alles zusammen.

Über alle Schwierigk­eiten hinaus hat das Coronaviru­s unser Gemeinscha­ftsbewusst­sein verstärkt. Wir realisiere­n mehr als je zuvor, wie wichtig die anderen Menschen für uns sind. Wir verstehen jetzt besser, wie viel Freude uns das Zusammense­in bringt. Wir spüren, dass wir mutiger und hoffnungsv­oller werden, wenn wir unseren Glauben an das Evangelium Christi gemeinsam feiern.

Eine Krise ist eine Zeit der Abwägung unserer bisherigen Lebensents­cheidungen. Sie kann sogar der Ausgangspu­nkt einer Neugestalt­ung unseres Lebens werden. Was können wir selbst an unserem Lebensstil ändern, so dass wir nicht nur gesundheit­lich, sondern auch seelisch alle Pandemien besiegen? Könnten wir dafür eine Kultur des Miteinande­rs im Geist Christi noch intensiver pflegen? Ja, wir können, wenn wir wollen.

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F.: ORTHEN Iosif-Cristian Radulescu, Erzprieste­r der rumänische­n Gemeinde.

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