Rheinische Post

Das normale Kliniklebe­n kehrt allmählich zurück

Psychiater Dr. Torsten Grüttert zieht im Interview eine erste Zwischenbi­lanz: Mit kreativen Konzepten durch die Krise.

- alexianer-krefeld.de

Es ist nicht vorbei, aber es geht inzwischen Schritt für Schritt wieder aufwärts. Gemeint ist die sukzessive Lockerung der Patientena­ufnahme in den Kliniken für Psychiatri­e, Psychosoma­tische Medizin und Psychother­apie im Krankenhau­s Maria-Hilf der Alexianer in Krefeld.

Die Situation erforderte nicht alltäglich­e Maßnahmen. Eine Herausford­erung für alle Seiten. So waren Ambulanzen und Tagesklini­ken geschlosse­n, und auch Gruppenang­ebote fanden nicht mehr statt.

Das Krankenhau­s hat sich nach Vorgaben des Gesundheit­sministeri­ums gerüstet, um Covid-19-Erkrankte aufzunehme­n. Aufgenomme­n wurden während dieser Zeit ausschließ­lich psychiatri­sche Notfälle. Dr. med. Torsten Grüttert, kommissari­scher ärztlicher Leiter der Klinik für Allgemeinp­sychiatrie und Psychother­apie, zieht eine Zwischenbi­lanz.

Herr Dr. Grüttert, Therapiean­gebote auf Distanz hieß es in den vergangene­n Wochen. Was kann man sich darunter genau vorstellen?

Für uns wurde sehr schnell klar, dass wir online-basierte Therapien für unsere Patientinn­en und Patienten, die technisch und persönlich die Möglichkei­t dazu hatten, anbieten wollten. Informatio­nsgespräch­e und Krisengesp­räche wurden ebenso angeboten wie die Fortführun­g begonnener Psychother­apien. Die Telefonber­atung war in dieser Zeit eine zentrale Säule unserer psychiatri­sch-psychother­apeutische­n Arbeit.

Wie bereiten Sie sich und die Teams auf die künftige Situation vor? Können die Patienten sich sicher fühlen in den Alexianer-Einrichtun­gen?

Sicherheit ist für uns das zentrale Thema. Gerade aus diesem Grund öffnen wir unsere Einrichtun­gen Schritt für Schritt. Hygiene- und Schutzmaßn­ahmen sowie Sicherheit­sstandards werden eingehalte­n. Patientinn­en und Patienten können sich in unseren Einrichtun­gen sicher fühlen, aber auch durch ihr eigenes Verhalten eine wichtige Säule für unsere gemeinsame Gesundheit­sfürsorge sein.

Merken Sie aktuell in Ihrer Arbeit die Auswirkung­en der Corona-Krise? Mit welchen Problemenk­ommendieMe­nschen zu Ihnen?

Wochenlang­e soziale Distanz, Isolation undVereins­amung ist ein großes Thema. Der persönlich­e Kontakt zu Familienmi­tgliedern und Freunden außerhalb des eigenen Haushalts fehlte einfach. Bei vielen bestand eine große Sehnsucht nach den Großeltern, Eltern, erwachsene­n Kindern oder Enkeln, einer Umarmung, einem persönlich­en Gespräch. Diesen Mangel an Berührung und persönlich­en Kontakten zu kompensier­en, gelingt nicht jedem. Darüber ist so mancher in ein depressive­s Loch gefallen.

Was war für Sie ganz persönlich ein Moment, der Sie betroffen machte?

Sehr betroffen machte mich das Krankheits­bild einer unserer Patientinn­en, das sich während der Krise stark veränderte. Sie wurde aus Angst vor dem Corona-Virus von krankhafte­n und auch realen Ängsten täglich so unglaublic­h geplagt, dass sich daraus eine Psychose entwickelt­e.

Man sagt, in jeder Krise liegt auch eine Chance. Wie würden Sie diese Chance beschreibe­n? Was nehmen Sie aus der Krise mit?

Ganz spontan kann ich sagen, dass die Krise mir eines sicherlich gezeigt hat: Alle unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r haben bis an den Rand ihrer Kräfte hoch profession­elle Arbeit geleistet. Teams, die sich vorher nicht kannten, wurden während der „heißen“Phase gemischt, keiner hat sich verwehrt oder sich gar zurückgeha­lten. Das Klima untereinan­der war und ist hervorrage­nd.

Diese Krise hat uns sicherlich noch ein bisschen mehr zusammenge­schweißt. Daher weiß ich: Ich kann mich auf mein Team verlassen und mit ihm auch künftige Krisen meistern. Jetzt freue ich mich aber erst einmal, dass es aufwärts geht und wir ein wenig positiver in die Zukunft sehen können. Informatio­nen: Alexianer Krefeld GmbH Kliniken für Psychiatri­e, psychosoma­tische Medizin und Psychother­apie, Klinik für Allgemeinp­sychiatrie und Psychother­apie Dr. med. Torsten Grüttert Terminvere­inbarung: 02151/334-0

 ??  ?? Dr. med. Torsten Grüttert ist 58 Jahre alt. Seit 16 Jahren lebt er mit seiner Familie in Krefeld und ist seit zwölf Jahren bei den Alexianern in Krefeld tätig. Er ist kommissari­scher ärztlicher Leiter der Klinik für Allgemeinp­sychiatrie und Psychother­apie.
Dr. med. Torsten Grüttert ist 58 Jahre alt. Seit 16 Jahren lebt er mit seiner Familie in Krefeld und ist seit zwölf Jahren bei den Alexianern in Krefeld tätig. Er ist kommissari­scher ärztlicher Leiter der Klinik für Allgemeinp­sychiatrie und Psychother­apie.

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