80 Prozent weniger Fluggäste
Zum Ferienstart bleibt der Andrang am Flughafen aus. Dafür stehen Reisewillige für einen Corona-Schnelltest Schlange.
Zum Ferienstart bleibt der Andrang am Flughafen aus. Dafür stehen Reisewillige für einen Corona-Schnelltest im Terminal Schlange.
LOHAUSEN Die Zahl der Passagiere am Düsseldorfer Flughafen in den Herbstferien ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum extrem eingebrochen. Eine Zahl von rund 1,4 Millionen Fluggästen hatte der Flughafen 2019 veröffentlicht, in diesem Jahr geht er nur noch von 300.000 aus. Das ist ein Absturz von knapp 80 Prozent.
Im Durchschnitt erwartet der Flughafen zudem nicht einmal 200 Flugbewegungen am Tag, wie Sprecher Nicolas Berthold sagt. Vom 9. bis zum 25. Oktober werden es also weniger als 3400 Starts und Landungen sein. Im Vorjahr waren es noch 11.300. Im Flughafen-Gebäude sind so längst auch nicht alle Geschäfte und Gastronomien geöffnet. Immerhin bei 60 von ihnen ist das der Fall, vor allem auf der Ankunftsebene und im Flugsteig A. In den Terminals B und C ist das Angebot reduzierter.
Auch der Blick auf Düsseldorfs wichtigste Airline verdeutlicht den Negativ-Trend. Eurowings bietet nach eigenen Angaben in den Herbstferien Kapazitäten an, die nicht ganz 40 Prozent des Vorjahresniveaus abdecken. Hinzu komme, dass die Auslastung nicht mit den Vorjahren vergleichbar sei. 18 Flugzeuge der Airline seien zurzeit im Einsatz, im Vergleich zu 35 im Jahr 2019.
Eine Herausforderung für die Fluggesellschaften stellen die kostenlosen Umbuchungsmöglichkeiten dar. Bei Eurowings ist das bis zu sieben Tage vor Abflug möglich. Bei einigen Flügen nutzten diese Option bis zu 20 Prozent der Passagiere, wie Sprecher Florian Gränzdörffer sagt. „Grundsätzlich stellen wir fest, dass unsere Kunden durch Corona sehr viel kurzfristiger buchen und ihre Reiseentscheidung ändern.“
Insgesamt bieten in Düsseldorf 50 Gesellschaften Flüge zu mehr als 100 Zielen an. Eurowings hebt in den zwei Wochen rund 650 mal ab. Die europäischen Topziele sind nach Auskunft der Airline Heraklion, Rom und Mallorca.
Semra Sahin und ihre Tochter Aurelia haben sich für einen Städtetrip nach London entschieden. „Zwar gibt es Hotspots in England, aber bislang noch keine Warnung für London. Alles was wir uns sonst hätten vorstellen können, hatte entweder schon eine Reisewarnung oder die Hotels hatten keine Kapazitäten mehr“, resümiert Semra Sahin. Im Sicherheitsbereich wurden Mutter und Tochter gefragt, ob sie sich beim Auswärtigen Amt für die Einreise nach England angemeldet hätten. Hatten sie! Erst danach durften sie in den Wartebereich.
Der Flughafen entwickelt sich zunehmend zur Anlaufstelle für Menschen, die zwar in den Urlaub starten wollen, dafür aber nicht ins Flugzeug steigen, sondern einen Zielort ansteuern möchten, der mit dem Auto zu erreichen ist. Wie Andrea aus Recklinghausen, die am Morgen überrascht feststellen musste, dass ihr Wohnort über Nacht zum Risikogebiet wurde.„Ich habe im Radio gehört, dass der Inzidenzwert plötzlich auf 50,2 angestiegen ist – der Schwellenwert liegt bei 50 Infizierten pro 100.000 Einwohnern. Dann habe ich im Internet
so lange gesucht, bis ich herausgefunden hatte, wo und wie ich mich für einen Schnelltest am Flughafen anmelden kann“, sagt sie und stellt sich in eine kurze Warteschlange. „Die ist für diejenigen, die bereits online bezahlt haben“, gibt sich Andrea zuversichtlich, mit einem Seitenblick auf eine weitere Warteschlange vor dem Corona-Testzentrum, die sich durch zwei Drittel der Abflughalle zieht. Sie will am nächsten Tag nach Schleswig-Holstein und ist spät dran, denn die Testergebnisse gibt es frühstens in 24
Stunden. Sie bekommt den Schnelltest zwar in wenigen Minuten ausgehändigt, muss sich aber in die lange Schlange stellen.
Diese Erfahrung hat ihr die Familie Rohde bereits seit rund 1,5 Stunden voraus, solange stehen die Drei geduldig an, um sich testen zu lassen. Auch die Rohdes wohnen in Recklinghausen und wollen endlich, ihren geplanten Urlaub antreten. Es soll nach Sylt gehen. Zweimal mussten sie ihre Pläne Corona-bedingt schon begraben. „Erst die Osterferien und dann auch noch der Sommerurlaub“, sagt Thomas Rohde resigniert.
Die Familie hatte ihr Reiseziel im Verlauf der Monate vom sonnigen Süden Europas in den frischen Norden Deutschlands verlegt. Diesmal muss es klappen, egal wie lange sie warten müssen.„Wir haben Sylt ausgesucht, weil wir dachten, dort wird es keine Probleme geben“, sagt Annette Rohde. Die 14-jährige Hanna hält die Testpakete für die Familie in der Hand und hofft, dass in der kommenden Woche wirklich Ferienfeeling aufkommt.
Wenige Meter weiter machen sich Alexander Kawpa und Freundin Nina Penkert fertig für das Checkin nach Kos. Für die Essener ist es der erste Urlaub seit zehn Jahren und den hat das Paar gut vorbereitet. „Wir haben uns im Dezember 2019 die Woche im Oktober freigehalten“, sagt Alexander Kawpa. Als sich abzeichnete, dass Reisen in diesem Jahr zur Herausforderung und Geduldsprobe werden kann, haben sich die Essener „bewusst für ein Reisebüro entschieden, das als Service anbietet, die Reisewarnungen immer im Blick zu behalten und gegebenenfalls umzubuchen“. Auch in Sachen Infektionsgefahren überließ das Paar nichts dem Zufall: „Ich bin die vergangenen Wochen nicht mehr ins Fitness-Studio gegangen, und wir haben Menschenansammlungen vermieden“, sagt Alexander Kawpa. „Wenn ich ehrlich bin, hätte ich mich vielleicht auch noch mal testen lassen sollen“. Sollte während ihrer zehn Tage in Griechenland die Urlaubsinsel Kos zum Risikogebiet erklärt werden, haben sie auch für eine mögliche Quarantäne vorgesorgt.
„Wir haben mit unseren Arbeitgebern gesprochen und können dann ins Homeoffice gehen“, sagt Nina Penkert. So richtig freuen können sie sich auf die Reise aber irgendwie nicht. „Als ich das letzte Mal in Urlaub war, bin ich mit dem Rucksack quer durch die USA gereist. Ich bin gerne aktiv. Das hätte ich mir auch diesmal gewünscht. Jetzt sollen es einfach ein paar entspannte Tage werden“, hofft der Essener und fügt hinzu: „Wir werden sehen, ob wir wirklich abschalten können in dieser verwirrenden Zeit.“