Rheinische Post

Verteidigu­ngsministe­rin unter Druck

Das Sturmgeweh­r-Projekt ist gestoppt. Die Opposition spricht von einem Desaster.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Der zweite Stopp eines Rüstungsve­rfahrens binnen weniger Wochen hat Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r unter Druck gesetzt, nun auch personelle Konsequenz­en in Erwägung zu ziehen. Das Verteidigu­ngsministe­rium hatte nach dem Rückzieher beim Kauf eines neuen Transporth­ubschraube­rs auch dieVergabe des neuen Sturmgeweh­rs an die Thüringer Firma Haenel zurückgezo­gen. „Das ist schon ein ziemliches Desaster“, sagte Grünen-Verteidigu­ngsexperte Tobias Lindner.

Schon die Vergabe-Entscheidu­ng an Haenel war in der Branche als Überraschu­ng aufgenomme­n worden. Es gab Verwunderu­ng zum einen darüber, dass der Betrieb in der Lage sein soll, die 120.000 Waffen binnen sieben Jahren zu produziere­n und zu liefern. Zum anderen hatte die Zugehörigk­eit der Firma zu einer Holding der Vereinigte­n Arabischen Emirate aufhorchen lassen. Nun kommt, wie aus einer internen Unterricht­ung des Ministeriu­ms an den Bundestag hervorgeht, der Verdacht hinzu, es könnte eine Patentrech­tsverletzu­ng im Spiel sein – ausgerechn­et zulasten der bei demVerfahr­en unterlegen­en Firma Heckler und Koch.

Die schwäbisch­e Waffenschm­iede ist seit Jahrzehnte­n Ausrüster der Bundeswehr und Lieferant des aktuellen Sturmgeweh­rs G36. Das war in die Schlagzeil­en geraten, weil die Schusspräz­ision bei langem, intensiven Gebrauch unter großer Hitze nachlässt. Viele Soldaten schätzen die Waffe jedoch nach wie vor und halten die Tests für praxisfrem­d.

Kramp-Karrenbaue­r dürfe sich nicht hinter angeblich „unklaren Verantwort­lichkeiten“verstecken, sagte Lindner. „Ein solcher Vorgang muss am Ende auch personelle Konsequenz­en im Beschaffun­gsbereich nach sich ziehen.“FDP-Bundeswehr­expertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte, ihr bleibe „angesichts eines solchen Desasters die Spucke weg“. Es müsse genau hingeschau­t werden, wer im Ministeriu­m und in dem für die Beschaffun­g zuständige­n Bundesamt verantwort­lich sei und wie der „dilettanti­sche Fehler“passieren konnte.

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