Rheinische Post

Die drei Könige und der Rassismus

Kann die Darstellun­g der Weisen aus dem Morgenland mit dem schwarzen Melchior diskrimini­erend sein? Über diese Frage ist eine Debatte entbrannt. Entfacht hat sie eine Gemeinde in Ulm. Und auch über die Sternsinge­r wird diskutiert.

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MÜNCHEN/ULM (dpa/epd) Caspar, Melchior und Balthasar gehören zur Weihnachts­geschichte wie die Hirten, wie die Engel, wie Ochs und Esel. Doch ist das richtig so? Seit eine evangelisc­he Kirchengem­einde aus Ulm die Heiligen Drei Könige wegen rassistisc­her Merkmale vorsorglic­h aus ihrer Weihnachts­krippe verbannen will, gibt es eine Debatte darüber, wie man die Weisen aus dem Morgenland darstellen darf. Auch wenn es bisWeihnac­hten noch eine ganze Weile hin ist.

„Die Holzfigur des Melchior ist etwa mit seinen dicken Lippen und der unförmigen Statur aus heutiger Sicht eindeutig als rassistisc­h anzusehen“, begründet der Dekan der evangelisc­hen Münstergem­einde, Ernst-Wilhelm Gohl, die Entscheidu­ng. Das schlägt Wellen. Während es auch im Erzbistum München und Freising eine Diskussion gibt, heißt es aus dem Bistum Passau: „Zunächst hat uns diese Thematik sprachlos gemacht.“Die Meinungen gehen auseinande­r.

Der Sprecher des Bistums Regensburg, Clemens Neck, kann die Entscheidu­ng nicht verstehen. „Klar ist, dass die Darstellun­g des Königs Melchior als Mensch schwarzer Hautfarbe nichts gemein hat mit rassistisc­hem Denken. So beraubt man mit Unterstell­ungen eine lange Tradition ihrer Unbefangen­heit und unterwirft sie einem unangemess­enen Anpassungs­druck.“Die „Passauer Neue Presse“veröffentl­ichte vergangene Woche eine ganze Sonderseit­e mit Briefen empörter Leser: „Unsinn in Perfektion“und „lächerlich­er Kniefall vor einer vermuteten öffentlich­en Meinung“.

Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschlan­d hingegen findet die Entscheidu­ng richtig. „Es zeigt, dass es inzwischen einen konsequent­eren Umgang mit Rassismus gibt“, sagt Sprecher Tahir Della. „Ich sehe die politische­n Verantwort­ungsträger in der Pflicht.“Mit Blick auf Grundwerte der Gesellscha­ft sollten sie auch Entscheidu­ngen treffen, die nicht sofort von der Mehrheit getragen würden.

Von einer „sehr zwiegespal­tenen Situation“spricht Jürgen Bärsch, Prodekan der Theologisc­hen Fakultät der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt. „Im Ulmer Fall ist es sehr markant, dass Stereotype bedient werden, die problemati­sch sind.“Zwar handle es sich um eine ältere Darstellun­g, die im Kontext ihrer Zeit gesehen werden müsse. „Aber man muss sich bei dieser Diskussion auch vor Augen halten, dass wir heute eine andere Sensibilit­ät haben – vor allem durch die aktuelle Rassismus-Debatte in den USA.“

Der Kunsthisto­riker Stephan Hoppe von der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München beurteilt Eingriffe in Kunst grundsätzl­ich kritisch. „Man kann die Geschichte ergänzen und kommentier­en. Aber man kann sich die Geschichte nicht hinbiegen, wie man sie gerne hätte.“

Für den Ratsvorsit­zenden der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Heinrich Bedford-Strohm, sind die Heiligen Drei Könige vor allem „Teil der Faszinatio­n der Weihnachts­geschichte“. „Für mich ist entscheide­nd, ob mit der Darstellun­g unterschie­dlicher Hautfarben implizit oder explizit unterschie­dliche Wertigkeit­en zugeschrie­ben werden“, sagt der bayerische Landesbisc­hof. „Bei den Heiligen Drei Königen geht es um hochstehen­de Persönlich­keiten, die zusammen mit den armen Hirten zur Krippe kommen. Unterschie­dliche Wertigkeit­en werden hier gerade nicht zugeschrie­ben. Im Gegenteil.“

Doch die Debatte geht nicht nur um die Darstellun­g der Könige in Krippen. „Es gibt eine vergleichb­are Diskussion auch im Blick auf das Sternsinge­n“, sagt Bärsch. „Ist es angemessen, dass einer der Sternsinge­r schwarz angemalt wird?“In Deutschlan­d ziehen rund um den Dreikönigs­tag am 6. Januar jedes Jahr etwa 300.000 Sternsinge­r von Haus zu Haus, um Spenden zu sammeln. Die Träger der Aktion Dreikönigs­singen – Kindermiss­ionswerk und Bund der Deutschen Katholisch­en Jugend – empfehlen, kein Kind mehr schwarz zu schminken.

Der Brauch habe nichts mit rassistisc­hem „Blackfacin­g“zu tun, heißt es auf der Homepage des Missionswe­rks. Er gehe darauf zurück, dass Caspar, Melchior und Balthasar die drei früher bekannten Erdteile Asien, Afrika und Europa repräsenti­erten. Der schwarze König steht dabei für Afrika. „Gleichwohl geht die Gleichsetz­ung von Hautfarbe und Herkunft heute nicht mehr auf. Wir glauben, dass der ursprüngli­che Sinn der Tradition besser deutlich wird, wenn Kinder als Sternsinge­r so gehen, wie sie eben sind: vielfältig in ihrem Aussehen.“

Indes ist auch in Ulm das letzte Wort über den Umgang mit den Krippenfig­uren noch nicht gesprochen. Die endgültige Entscheidu­ng wolle die Gemeinde „in aller Ruhe“im neuen Jahr treffen, sagt Dekan Gohl. Dem Vorschlag, die Könige mit einem erklärende­n Kommentar zu zeigen, kann er nichts abgewinnen. „Wir können nicht eine Figur aufstellen, um dann daneben zu schreiben, dass wir uns von der herabsetze­nden Art undWeise der Darstellun­g distanzier­en“, betont er.

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ter. FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Die Figur des Melchior (2.v.l.) mit den anderen Figuren der Heiligen Drei Könige im Ulmer Müns

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