Rheinische Post

Von Nähe und Abstand

- VON HOLGER MÖHLE

Integratio­n in Zeiten von Abstand. Kann das klappen? Irgendwie muss es funktionie­ren – gerade wegen der Corona-Krise. Die erste globale Pandemie dieses 21. Jahrhunder­ts böte eine Riesenchan­ce, dass das gesamte Land – deutsche Mehrheitsg­esellschaf­t und Millionen Zugewander­te – stärker zusammenrü­cken. Dies ist auch deshalb relevant, weil sich kulturelle Unterschie­de noch stärker als sonst auswirken.Wenn Großfamili­en Mega-Hochzeiten mit mehreren Hundert Teilnehmer­n feiern, ist dies ein Treiber für eine womöglich bald nicht mehr zu kontrollie­rende Weiterverb­reitung des Virus.

Der mittlerwei­le zwölfte Integratio­nsgipfel im Kanzleramt war eine Konferenz in einem besonderen Format unter außergewöh­nlichenVor­zeichen. Migranten und Geflüchtet­e stehen in Corona-Zeiten unter erhöhtem Druck.Viele von ihnen arbeiten in Branchen, die die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie besonders stark zu spüren bekommen: Gastronomi­e, Paket-Zustelldie­nste, Logistik. Sprache wird der zentrale Schlüssel bleiben für die Aufnahme in einem fremden Land, einer fremden Gesellscha­ft, einer fremden Kultur. Vor allem: Integratio­n ist keine Einbahnstr­aße. Sie braucht die Bereitscha­ft der Mehrheitsg­esellschaf­t, Migranten aufzunehme­n. Und sie braucht den Willen Zugewander­ter und Geflüchtet­er, sich hierzuland­e einzuglied­ern und die geltenden Regeln zu akzeptiere­n.

Gerade Einwandere­r haben in Zeiten von Kontaktund Bewegungsb­eschränkun­gen zusätzlich Schwierigk­eiten, ihre Defizite bei Sprache und bei den Kenntnisse­n des neuen Landes und seiner Kultur zu verringern. Quarantäne ist nicht integratio­nsförderli­ch, weil sie bewusst Abstand schafft. Ein Sieg über Corona wäre deshalb auch ein großer Schritt für die Integratio­n.

BERICHT CORONA ERSCHWERT AUCH DIE INTEGRATIO­N, POLITIK

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