Was der öffentliche Dienst jetzt braucht
Mit ihrem neuen Streik strapazieren die Gewerkschaften die Geduld der Bürger. Obwohl die Zahl der Corona-Infektionen und der Einschränkungen steigt, macht Verdi Arbeitskampf nach alter Väter Sitte. Sollen Pendler doch sehen, wie sie zur Arbeit kommen, sollen Eltern doch schauen, wer die Kinder betreut – Hauptsache, rote Fahnen wehen. Nach der dritten ganztägigen Blockade stellt sich auch die Frage, ob das noch ein Warnstreik ist oder längst ein in diesem Stadium unzulässiger Arbeitskampf. Doch es gibt Hoffnung, dass das Spektakel bald ein Ende findet. Am Donnerstag beginnt die dritte Verhandlungsrunde, in der traditionell viele Tarifpoker im öffentlichen Dienst entschieden wurden. Die Arbeitgeber haben großes Interesse, dass es nicht in die Schlichtung geht, weil der Schlichter dieses Mal von den Gewerkschaften benannt wurde.
Auch in der Sache könnte man sich einigen, denn beide Seiten wissen doch: Es gibt keinen generellen Rückstand des öffentlichen Dienstes, die Löhne sind seit 2009 fast so gestiegen wie in der Gesamtwirtschaft. Die Job-Sicherheit ist gerade in der Wirtschaftskrise ein hoher geldwerter Vorteil. Was Bund und Kommunen aber bieten müssen, ist Differenzierung. Statt Lohnerhöhungen mit der Gießkanne zu verteilen, sollte es gespaltene Sätze oder einen Korridor geben: Corona-Helden aus Kliniken und Heimen haben anderes verdient als Mitarbeiter von Meldeämtern, die im Lockdown geschlossen hatten. Differenzierung hilft auch mittelfristig im Kampf um Fachkräfte: Mit Einheitslöhnen lassen sich weder IT-Spezialisten für die Cyberabwehr noch Ärzte für das Gesundheitsamt gewinnen. Andere Branchen wie die Metallindustrie haben Öffnungsklauseln für Betriebe, um der Vielfalt Rechnung zu tragen. Mehr Vielfalt, weniger Streiks – genau das braucht jetzt der öffentliche Dienst.
BERICHT AM DIENSTAG WIRD WIEDER GESTREIKT, WIRTSCHAFT