Keine Lust auf Videokonferenz
Die Corona-Krise hat den politischen Betrieb in der Hauptstadt wieder im Griff.
Die Absagen tröpfelten Anfang Oktober zunächst langsam ein: Es sei ja sehr schade, aber das lang geplante Treffen könne nun doch nicht stattfinden. Der Ministerpräsident aus dem hohen Norden wolle nur ungern nach Berlin reisen. Dann ging es Schlag auf Schlag. Parallel zu steigenden Infiziertenzahlen in den Berliner Stadtbezirken trudelten die E-Mails mit Verschiebungen, Ausweichterminen oder der Ankündigung von Videoschalten ein. Die Hauptstadt fällt in einen Shutdown-Modus zurück. Treffen ohne Masken sind seit dem Frühjahr ohnehin undenkbar, persönlich nahe kommt man sich schon lange nicht mehr.
Im Sommer allerdings gab es wieder Pressekonferenzen, bei denen auch spontan Nachfragen gestellt werden konnten – der eigentliche Sinn von Pressekonferenzen. Das scheint erst mal vorbei. Der Unterschied zum Frühjahr: Die Begeisterung, auf virtuelle Ersatztermine umzusteigen, geht merklich zurück. Damals wohnte dem digitalen Aufbruch der Zauber eines Neuanfangs inne. Viele Politiker probierten begeistert die Möglichkeiten der digitalen Videoschalten aus. Es folgten Wochen, in denen Teilnehmer virtueller Debatten immer wieder verzweifelt eine Stummtaste suchten. Unvergessen etwa eine Telefonschalte mit dem Kanzleramt, bei der sich ein Kollege ausführlich mit seiner Frau über das Mittagessen austauschte. Kanzleramtsminister Helge Braun, der über die Lage der Krankenhäuser informieren wollte, lauschte kurz hingerissen, bis ein Sprecher einigermaßen rüde um die Einstellung privater Gespräche bat. Mittlerweile herrscht Routine, Stummtasten werden gefunden, die Redegeschwindigkeit ist angepasst. Doch aus Videokonferenzen sind zunehmend Telefonabsprachen geworden, den Blick in heimische Wohnzimmer oder sterile Besprechungsräume ist man müde geworden. Der persönliche Kontakt – er ist ohnehin nicht zu ersetzen. Auch und gerade in der Hauptstadt.