Der Glasschatz unter der Decke
Der Förderkreis Industriepfad rettet vier Kronleuchter aus Wein- und Likörflaschen, die aus der Gerresheimer Glashütte stammen.
GERRESHEIM Glas hat ja in Gerresheim eine ganz besondere Bedeutung, die Historie der 2005 geschlossenen Glashütte übt bis heute eine ungeheure Faszination nicht nur auf Menschen aus, die im Stadtteil leben. Als vor sechs Jahren auf dem Gelände ein verborgener Keller hinter Bauschutt und Brennnesseln entdeckt wurde, in dem 10.000 Glaserzeugnisse aus der Produktion zwischen 1950 und 1990 – Musterflaschen, Einmachgläser, Reagenzgläser – in Regalen lagerten, galt das zurecht als kleine Sensation. Nicht erst seit diesem Tag gibt es in Gerresheim eine Reihe von (Hobby-)Forschern, die sich dem Erbe der Glashütte verpflichtet fühlen und die nach wie vor ein Auge darauf haben, womöglich weitere Schätze zu Tage zu fördern.
Das ist jetzt wieder gelungen. In einer wie so oft in diesen Fällen kurzfristig organisierten Aktion konnten vier aus Gerrix-Flaschen hergestellte Deckenleuchter vor der Entsorgung gerettet werden. Die Leuchter befanden sich im sogenannten Leo-Breuer-Haus an der Manthenstraße in Gerresheim. Das 1975 erbaute Haus ist benannt nach einem langjährigen Vorstandsmitglied der Glashütte Gerresheim AG.
Die vier Deckenleuchter im Treppenhaus sind Unikate aus der Lehrwerkstatt der Glashütte und wurden Mitte der 1970er Jahre angefertigt. Sie bestehen aus jeweils 121 grünen Weinflaschen, Likörflaschen aus Weißglas sowie goldgelben Spirituosenflaschen. Pyramidenförmig sind sie in sieben nach unten abgestuften Reihen aufgehängt an Kettengliedern. Die Deckenbefestigung mit den mittig angebrachten Leuchtkörpern hat das Maß von einem Quadratmeter.
Von einer Hausbewohnerin wurde der Förderkreis Industriepfad Düsseldorf (FKI) darüber informiert, dass im Zuge einer Sanierung des Treppenhauses die Glasleuchter abgehängt und entsorgt werden sollten. In einer Hau-Ruck-Aktion mit nur wenigen Stunden organisatorischer Vorbereitung konnten nun durch eine kleine Gruppe von Freunden und Mitgliedern des FKI die insgesamt 480 Flaschen abgehängt und mitsamt der Deckenbefestigung geborgen und in Kisten verpackt gesichert werden. Nur vier der Flaschen fehlten.
„Die Rettung geschah mit dem Gedanken, dass diese vier Unikate gesäubert und restauriert, einmal im geplanten Restaurant im Gerrix-Glasturm wieder als Leuchter zum Einsatz kommen könnten“, erklärt Gaby Schulenberg, die zusammen mit ihrem Mann Peter die Aktion initiiert hatte. Auf dem neuen Glasmacherviertel würden die außergewöhnlichen Deckenleuchter sich dann wieder an der Stelle befinden, an der die Flaschen vor etwa 50 Jahren produziert wurden.
Gaby und Peter Schulenberg wurden zu Experten in Sachen Gerresheimer Glas. Sie waren es, die ab 2017 in mühevoller und langwieriger Detailarbeit die gefundenen 7000 Flaschen und andere Glaserzeugnise (3000 weitere fielen damals dem Bagger zum Opfer) dokumentierten und ihnen so ihre historischen Geheimnisse entlocken konnten. In der Glashütte wurde vor allem Standardglas erzeugt, aber auch Exoten wie etwa die Afri-Cola-Flasche war darunter. Das Ergebnis der Pionierarbeit wurde im vergangenen Jahr in einer Ausstellung im Gerresheimer Bahnhof („Vorsicht zerbrechlich!“) gezeigt, bei dem allein 350 Flaschen präsentiert wurden.
Ob die Deckenleuchter nun tatsächlich im alten Gerrix-Turm Platz finden, wird sich zeigen. Dort will zum einen der Bauherr Glasmacherviertel GmbH sein Revier aufschlagen, zum anderen soll dort wie erwähnt aber auch eine Gastronomie eröffnen. Bei beiden Alternativen könnte man sich gut vorstellen, dass der Flaschenschatz unter der Decke ein gutes Bild abgeben wird.