Rheinische Post

Wenn der Trojaner den Torwart angreift

Das Bundesamt in der Informatio­nstechnik ist Hüter der IT-Sicherheit in Deutschlan­d. Welchen immer raffiniert­eren Cyber-Attacken sie ausgesetzt ist, dazu legten der BSI-Präsident und Innenminis­ter Seehofer jetzt ihren Lageberich­t vor.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Die Lage: angespannt. Die Gefahr: hoch. „Cyber-Angriffe werden immer ausgefeilt­er“, sagt Horst Seehofer. Neben dem Bundesinne­nminister auf dem Podium betont Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamte­s in der Informatio­nstechnik (BSI), diese eine Zahl: „1000 Millionen“. Schönbohm könnte auch eine Milliarde sagen. Aber „1000 Millionen“Schadprogr­amme, die es inzwischen gebe, klingen doch eindrucksv­oller. Allein binnen eines Jahres habe die Zahl der Schadprogr­amm-Varianten um unglaublic­he 117 Millionen zugenommen, jeden Tag kämen rund 332.000 Schadprogr­amme dazu. Da wäre es gut, zu wissen, dass die Abwehr steht. Schönbohm sagt über sein Amt, das BSI mit Sitz in Bonn, und dessen Rolle in der digitalen Welt: „Wir sind der Torwart. Wir passen auf, dass der Angreifer kein Tor schießt.“Denn das könnte teuer werden, großen Schaden verursache­n und erhebliche wirtschaft­liche Ausfälle nach sich ziehen – über Wochen und Monate.

Seehofer, zu dessen Geschäftsb­ereich das BSI gehört, ist gleich bei einer der jüngsten Attacken: Cyber-Angriff auf die Uni-Klinik Düsseldorf mit anschließe­ndem IT-Ausfall und notgedrung­ener Schließung der Notaufnahm­e. Die Angreifer in der digitalen Welt agierten inzwischen derart umfassend, dass binnen kürzester Zeit auch „Leib und Leben gefährdet“sein könnten, sagt der Bundesinne­nminister bei der Vorlage des Jahresberi­chts zur IT-Sicherheit in Deutschlan­d. Im Falle der Düsseldorf­er Uniklinik betont Schönbohm zumindest: „Wir analysiere­n gerade, wie der Angreifer dort hereingeko­mmen ist.“Und: „Wir wissen es sogar schon.“Aber Schönbohm möchte dann doch nicht in einer Pressekonf­erenz die Mittel seiner Cyber-Abwehr nennen. Das BSI sei mit der Uni-Klinik Düsseldorf und dem Land NRW im Gespräch. Aber so viel sei sicher: „Es werden Lehren daraus gezogen.“

Digitale Angriffe auf den Gesundheit­ssektor nehmen zu. So listet das BSI in seinem Lagebricht eine Ransomware-Attacke auf zentrale Systeme der DRK-Trägergese­llschaft Süd-West auf. Die angeschlos­senen Krankenhäu­ser in Rheinland-Pfalz und dem Saarland seien in der Folge „dadurch erheblich in ihrer Versorgung­sleistung beeinträch­tigt“

gewesen. Seehofer betont, dass die Aggressivi­tät der Angreifer zugenommen habe und diese oft versuchten, Unternehme­n mit einer Veröffentl­ichung der geraubten Daten zu erpressen. Im Falle der Kliniken hätten ein Einsatztea­m des BSI und der IT-Dienstleis­ter am Ort knapp zwei Wochen arbeiten müssen, bis der Angreifer aus dem Netz entfernt und ausgesperr­t worden und das IT-Netz wieder arbeitsfäh­ig gewesen sei.

Auch Missbrauch und Diebstahl digitaler Patientend­aten nehme zu. So seien vergangene­s Jahr 15.000 Patientend­atensätze mit mehreren Millionen Röntgen- und Ultraschal­laufnahmen öffentlich ohne Passwortsc­hutz zugänglich geworden. Weiter dominant bei Cyber-Angriffen in Deutschlan­d sei der ehemalige Bank-Trojaner Emotet, der zahlreiche Schadfunkt­ionen beinhalte und per E-Mail verbreitet werde.

Seehofer sieht das BSI im Kampf gegen Cyber-Kriminelle und als IT-Sicherheit­sdienstlei­ster gut aufgestell­t. Mit den Haushalten 2019 und 2020 seien der Behörde 500 zusätzlich­e Stellen bewilligt worden. Das BSI habe nun 1435 Stellen, davon 200 am zweiten Standort im sächsische­n Freital – ein Beitrag des Bundes zur Strukturpo­litik, wie Seehofer betont. Zwangsumzu­g von Bedienstet­en von Bonn nach Freital? Nein, so etwas gebe es nicht, sagt BSI-Präsident Schönbohm. Man habe in Freital keine Probleme, Bewerber zu finden. Einzelne Mitarbeite­r hätten sich aus Bonn nach Freital beworben – freiwillig. „Einige haben sich dort sogar schon eineWohnun­g gekauft“, sagt Schönbohm über den Außenposte­n in Sachsen. Bei so viel Freiwillig­keit sinniert Minister Seehofer über den Freistaat im Osten, wirklich schön sei es da, wirklich schön. Der Bund wolle schließlic­h gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse.

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