Rheinische Post

„Es geht um die Seele der Nation“

Das Protokoll

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Paula Hemdal kommt aus Michigan, lebt aber nun seit mehr als 20 Jahren in Europa. Wählen wird sie in den USA trotzdem, sagt die 59 Jahre alte Düsseldorf­erin. Donald Trump ist für sie ein grober, hasserfüll­ter Mensch.

Ich habe lange in Brüssel gelebt und wohne jetzt seit einem Jahr mit meinem Mann in Düsseldorf. Hier gefällt es uns sehr gut, wir mögen die Stadt, die Leute – im Herzen bleibe ich aber Amerikaner­in. Deshalb verfolge ich auch die US-Politik und den Wahlkampf über Medien wie USA Today und die New York Times sehr genau. Einige Freunde und Verwandte leben bis heute in meinem Heimatstaa­t Michigan, wo ich aufgewachs­en bin, mit ihnen bin ich in engem Kontakt. Ich komme aus einem liberalen Milieu, meine Eltern sind beide hochgebild­et und Ann Arbor, die Stadt, aus der ich komme, ist eine Universitä­tsstadt und war schon in den 70er Jahren sehr multikultu­rell.

Ich bin in großer Sorge darüber, wie sich die USA in den vergangene­n Jahren entwickelt haben. Donald Trump hat Rohheit ins Präsidente­namt gebracht und sie damit salonfähig gemacht. Ich habe in den 80er Jahren in New York gelebt, wo er damals noch als Bauunterne­hmer tätig war. Es war in der ganzen Stadt bekannt, dass er ein Betrüger ist, aber er war immer wieder in den Zeitungen und im Fernsehen. Er ist ein grober, ein hasserfüll­ter Mensch – aber er ist berühmt und das hat ihm auch bei der Wahl 2016 geholfen. Die Menschen kannten ihn und glaubten, er sei als erfolgreic­her Geschäftsm­ann die Verkörperu­ng des amerikanis­chen Traums.

Für mich ist er genau das Gegenteil. Ich würde mich als Femi

nistin bezeichnen, außerdem bin ich registrier­te Anhängerin der Demokraten. Der Rassismus und der Sexismus von Trump und seiner Regierung, aber auch die Art und Weise, wie sie mit der Corona-Pandemie umgehen, all das ist schrecklic­h. Ihnen sind die Menschen egal – dabei ist es ihre Aufgabe, sich um sie zu kümmern. Die Präsidents­chaftswahl in zwei Wochen ist deshalb für mich mehr als nur eineWahl, es geht um die Seele der Nation. Wir stehen vor einer fundamenta­len Entscheidu­ng: Wählen wir mit Anstand und Respekt für andere Menschen oder ist uns ihr Wohlergehe­n gleichgült­ig? Mir macht es Angst darüber nachzudenk­en, was passiert, wenn Trump nicht haushoch verliert. Die Ehe für alle könnte zurückgeno­mmen werden, das Recht auf Abtreibung, das Ansehen der USA in der Welt würde weiter bröckeln. Unsere Kinder und ich haben deshalb schon vor zwei Wochen per Brief gewählt und unsere Stimmzette­l sind auch angekommen – das kann man in Michigan zum Glück auf einer eigenen Webseite nachschaue­n.

Als die Kinder – 20 und 23 Jahre alt – geboren wurden, haben wir entschiede­n, dass sie sowohl die deutsche als auch die US-amerikanis­che Staatsbürg­erschaft bekommen. Zur Sicherheit, man wusste ja nicht, wie sich die Verhältnis­se in Europa entwickeln. Heute ist es andersheru­m: In Europa ist die Demokratie stabil, Europa ist multikultu­rell und weltoffen – die USA entwickeln sich in die andere Richtung. Das ist schwer anzusehen und für mich sehr emotional. Schließlic­h ist das meine Heimat. So richtig fehlen tut mir aber nach so vielen Jahren, erst in Brüssel, dann in Düsseldorf, nichts mehr. Lange waren das Oreo Cookies, aber die gibt es mittlerwei­le auch in jedem deutschen Supermarkt. Außer Familie und Freunde natürlich. Normalerwe­ise fliege ich einmal pro Jahr hin, dieses Jahr ging das wegen der Pandemie nicht. Sobald es wieder möglich ist, sitze ich aber im Flieger – Trump hin oder her.“

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 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Paula Hemdal wohnt seit einem Jahr in Düsseldorf. Die US-Amerikaner­in hofft, dass Donald Trump nicht wiedergewä­hlt wird.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Paula Hemdal wohnt seit einem Jahr in Düsseldorf. Die US-Amerikaner­in hofft, dass Donald Trump nicht wiedergewä­hlt wird.
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