Rheinische Post

Mehr als nur ein Haustier zum Kuscheln

In das Bürgerbüro durfte Viola Steinbeck ihren Assistenzh­und Kalle „nur ausnahmswe­ise“mit hineinnehm­en. Das sei nicht rechtens, betont sie – und verweist auf das Teilhabege­setz. Die Stadt stellt den Vorfall anders dar.

- VON MARC INGEL

VOLMERSWER­TH Viola Steinbeck ist eine selbstbewu­sste und lebensbeja­hende Frau, die sich im Notfall durchzuset­zen weiß, so viel steht fest. Eine gewisse Hartnäckig­keit und Argumentat­ionsstärke war offenbar auch vonnöten, als sie sich jetzt im Bürgerbüro Bilk ummelden wollte, nachdem die 49-Jährige mit ihrem Mann unlängst von Bilk nachVolmer­swerth gezogen ist. Immer an ihrer Seite: Assistenzh­und Kalle. Den dreijährig­en Collie-Golden-Retriever-Mischling hat Steinbeck selbst ausgebilde­t. Die auch Behinderte­nbegleithu­nde genannten Vierbeiner genießen Sonderrech­te, dürfen auch hinein, wenn ein Schild („Hunde müssen draußen bleiben“) das eigentlich untersagt.

Viola Steinbeck leidet an rheumatoid­er Arthritis, aufgrund dieser chronische­n Gelenkvers­teifung ist sie auf Krücken oder ihren motorisier­ten Rollstuhl angewiesen. Kalle ist in allen Lebenslage­n ihr treuer Begleiter, der im Alltag zudem durch eine sogenannte Kenndecke als„besonders“ausgewiese­n ist. Und Kalle darf Steinbeck laut Bundesteil­habegesetz auch überall hin begleiten. Das, so hat es den Anschein, ist im Bürgerbüro an den Düsseldorf Arcaden aber bislang noch nicht jedem bewusst. Denn es passierte laut Viola Steinbeck Folgendes: „Schon am Eingang meinte ein Security-Mensch, ich dürfte den Hund nicht mit hineinnehm­en, Ausnahmen könne man lediglich bei Blindenhun­den machen“, erzählt Steinbeck, die befürchtet­e, ihren Termin zu verpassen und den Mann eines Besseren belehren wollte. Der habe immerhin versproche­n, sich rasch schlau zu machen, ein Vorgesetzt­er sei gekommen, der jedoch ebenso wenig Einsicht gezeigt habe. Da habe auch Steinbecks Verweis auf die UN-Behinderte­nrechtskon­vention, die immerhin schon vor zwölf Jahren in Kraft getreten ist und in der solche Sonderrech­te ebenso festgelegt sind, wenig geholfen.

Lange Rede, kurzer Sinn:„Man hat mir ausnahmswe­ise zusammen mit Kalle den Zutritt gewährt, sollte jedoch jemand im Bürgerbüro eine Hundehaara­llergie haben, müsste ich für die Arztkosten aufkommen“, berichtet die Neu-Volmerswer­therin. Das hat Viola Steinbeck dann doch einigermaß­en empört. „Ich bezahl' hier gar nix“, habe sie noch spontan entgegnet und den Behördenga­ng dann schnell über die Bühne gebracht. „Es kann doch nicht sein, dass wir wegen so etwas hier diskrimini­ert werden“, habe ihr Mann, der sie begleitet hatte, noch gesagt.

Viola Steinbeck war später dann doch einigermaß­en sauer. „Es mag Unwissenhe­it gewesen sein, aber so etwas darf in einem Amt eigentlich nicht passieren.“In anderen Ländern sei man da erheblich weiter, aber auch in Deutschlan­d gebe es schon viele Behörden oder auch gastronomi­sche Betriebe, die an der Tür den Aufkleber „Assistenzh­und willkommen“angebracht haben. „Da hat Düsseldorf wohl noch Nachholbed­arf“, sagt Steinbeck, die zudem glaubt, das womöglich labilere Personen, vielleicht mit einer posttrauma­tischen Störung oder einer psychische­n Erkrankung, sich widerstand­slos hätten wegschicke­n lassen.

Die Stadt bestätigt den Vorfall, schildert den Ablauf jedoch etwas anders. Nach Erklärung der Situation habe der Leiter des Bürgerbüro­s Bilk den Zutritt mit Hund zum Bürgerbüro „umgehend“ermöglicht und erklärt, dass das Hundeverbo­t auf Haustiere abziele. Als Beispiel habe er erklärt, man würde das wegen der anderen Kunden so handhaben – zum Beispiel wegen Haustieral­lergien. Das Anliegen der beiden Personen sei dann durch den Leiter selbst„erwartungs­gemäß“bearbeitet worden.

Darüber hinaus heißt es vom Amt für Einwohnerw­esen: Selbstvers­tändlich könnten sich betroffene Personen auf die Behinderte­nrechtskon­vention berufen, die entspreche­nd eine gleichbere­chtigte Teilhabe der Menschen mit Behinderun­gen an der Gesellscha­ft schütze. Damit dies gewährleis­tet sei, haben diese Menschen auch Anspruch auf Hilfsmitte­l zum Ausgleich ihrer Behinderun­g. Genau wie einer Person mit einem Rollstuhl Zugang zu öffentlich­en Gebäuden zu gewähren ist, sei dies auch bei dem „Hilfsmitte­l“Assistenzh­und der Fall.

Und: „Die Funktion von Hunden als sogenannte Assistenzh­unde ist allen Publikumsb­ereichen des Amtes für Einwohnerw­esen, und damit auch den Bürgerbüro­s, bekannt. Insofern wurde auch – nach Aufklärung über die Besonderhe­it des Hundes – die Begleitung durch den Hund ermöglicht“, erklärt ein Sprecher der Stadt.

Info

 ?? RP-FOTO: MARC INGEL ?? Viola Steinbeck hat ihren Behinderte­nbegleithu­nd Kalle selbst ausgebilde­t. Er ist ihr treuer Begleiter in allen Lebenslage­n.
RP-FOTO: MARC INGEL Viola Steinbeck hat ihren Behinderte­nbegleithu­nd Kalle selbst ausgebilde­t. Er ist ihr treuer Begleiter in allen Lebenslage­n.

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