Kaiserin Sissi war vernarrt in Heinrich Heine
Um die Liebe der legendären Herrscherin zum Dichter ranken sich viele Geschichten. Ein Schatz im Heine-Institut erzählt eine davon.
DÜSSELDORF An diesem Schaukasten vorbeizulaufen, ist die leichteste Übung beim Besuch im Heine-Institut. Schließlich gibt es links und rechts der Dauerausstellung noch so viel Prächtigeres zu betrachten, als dass man sich nun längere Zeit mit den zwei alten Büchern und dem Bildnis von Kaiserin Sissi aufhalten möchte. Doch wer stehenbleibt und die Chance bekommt, hineinschauen zu dürfen und dann tiefer und tiefer in die Geschichte dieses Exponats eintaucht, kommt aus dem Staunen schwer heraus. Allein dieses kleine handschriftliche Zettelchen der gleichermaßen sagenumwobenen wie eigensinnigen Kaiserin Elisabeth von Österreich und Königin von Ungarn (1837–1898) bringt die Fantasie ins Rollen: „Ich habe Dinge erfahren u. gesehen, die abseits von den Körpern liegen“, wurde da mit großzügigen Schwüngen aufs Papier gebracht.
Sissis Heine-Ausgabe war mehr als nur ein nettes Accessoire im fürstlichen Palast und ihre Lektüre alles andere als eine Marotte. Sissi war eine leidenschaftliche Heine-Leserin und Verehrerin, ein Fan, der heute auf allen digitalen Kanälen eine bedingungslose Followerin des Dichters wäre. Sie kannte nicht nur große Teile des Werks auswendig, sondern dichtete selbst im Stile des Düsseldorfer Autors. Harry Heine soll ihr sogar im Traum erschienen sein; besser noch: er soll ihr manch hübschenVers in die kaiserliche Feder diktiert haben. Nun ja. Nebenher war Sissi an der eigenen Fitness interessiert und absolvierte morgendlich ein kleines Turnprogramm in ihrem Gemach. Und das soll – wie es heißt – stets vor dem Porträt Heines stattgefunden haben.
Dass eine Kaiserin in die Verse eines nicht sonderlich moralischen und erst recht nicht monarchisch-treuen Dichters vernarrt war, musste natürlich reichlich Argwohn am Hofe erregen. Mit anderen Worten, die Lektüre trug zur Entfremdung der Kaiserin von ihren Untergebenen bei, was sie unter anderem zu einem kleinen, aber feinen Exil ermunterte: Zwei Jahre verbrachte sie unter anderem auf der Insel
Korfu. Und sie sorgte dafür, dass auf ihrem Anwesen das erste Heinrich-Heine-Denkmal überhaupt errichtet wurde – als Sitzfigur in einem pompösen, offenen Säulentempel mit großzügiger Treppenanlage. Dann gelangte das Grundstück auf der Insel Korfu in den Besitz von Kaiser Wilhelm II., dem so viel Ehrenhaftes für einen so frechen Dichter überhaupt nicht in den Kram passte. Also wurde Heine 1908 demontiert und über Berlin nach Hamburg verschifft, wo einst Heines großer familiärer Förderer, Onkel Salomon, lebte und außerdem der Verlag Hoffmann und Campe beheimatet ist. Im Innenhof des Verlagssitzes fand der sitzende Heine Platz – wiederum nur vorübergehend. Nach antisemitischen Schmierereien verbarg man die Figur hinter einem Bretterverschlag. Das wurde im Nazi-Deutschland noch prekä
rer. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs brachte man Sissis Heine aus Deutschland raus und bugsierte ihn ins französische Exil, wie es der Dichter selbst zu Lebzeiten auch schon bevorzugt hatte. 1956 wurde das Sitzdenkmal schließlich in Toulon aufgestellt.
Und das ist nur die Geschichte des Denkmals. Eine andere Geschichte ist die von Sissis Sammelleidenschaft von Heine-Unikaten und Gedenkgegenständen, von denen manche später im Düsseldorfer Heine-Zimmer unterkamen. Das war damals in der Landes- und Stadtbibliothek untergebracht. Aus der Sammlung ging später eine andere Einrichtung hervor, nämlich das Heinrich-Heine-Institut. Also jene Stätte, die in einem Schaukasten dezent auf Sissi hinweist, dem großen, kaiserlichen Fan des Düsseldorfer Dichters.