Rheinische Post

ALTMAIER WILL INNENSTÄDT­E

Der Wirtschaft­sminister sagt bei einem runden Tisch Erste Hilfe zu. Zugleich pocht er aber auf neue Digitalstr­ategien.

- VON BIRGIT MARSCHALL UND GEORG WINTERS

BERLIN/DÜSSELDORF In der Corona-Krise hat sich das Ladensterb­en in den deutschen Innenstädt­en beschleuni­gt. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) hat daher am Dienstag 20 Vertreter des Handels und der Kommunen zu einem virtuellen runden Tisch geladen. Der Minister will sich für den stationäre­n Handel in den Innenstädt­en starkmache­n und Konzepte gegen das Ladensterb­en in den Zentren entwickeln.

Altmaier und der Handelsver­band Deutschlan­d (HDE) setzen uf einen schnellere Digitalisi­erung des stationäre­n Handels. Auch kleinere Läden müssten ihre lokalen Waren im Internet anbieten, die Kunden könnten sich dieWare im Laden abholen, betonte Altmaier. Der HDE forderte einen Digitalisi­erungsfond­s von 100 Millionen Euro. „Es geht darum, Unternehme­n zu helfen, die durch die Corona-Krise unverschul­det in Not geraten sind und nun keine finanziell­en Mittel mehr haben, um in ihre Zukunft zu investiere­n“, sagte HDE-Hauptgesch­äftsführer Stefan Genth. Vor allem Mittelstän­dler seien auf einen solchen Digitalisi­erungsfond­s angewiesen.

Ein Mittel könnten sogenannte Digitalcoa­ches sein, bei denen der Handel NRW als Vorreiter sieht. Vier solche Coaches arbeiten bereits in Düsseldorf, Köln, Bielefeld und Dortmund. Ihre Aufgabe: interessie­rte Händler von A bis Z betreuen. Das reicht von der Beratung zu einem möglichen Online-Shop über den Verkauf auf Plattforme­n bis hin zu den Auftritten in den sozialen Netzwerken. Die Bezahlung teilen sich das Land NRW, das dafür über dasWirtsch­aftsminist­erum ein Förderprog­ramm gestartet hat, und der Handelsver­band Nordrhein-Westfalen. Die Digitalcoa­ches sind für je drei Jahre verpflicht­et worden.

Altmaier kündigte darüber hinaus ein Handlungsk­onzept zur Wiederbele­bung der Innenstädt­e an, das in eineinhalb bis zwei Jahren vorliegen solle. Ziel sei es zunächst, Pleiten zu verhindern, dann aber auch die Digitalisi­erung voranzutre­iben. Zu konkreten Fördersumm­en wollte er sich nicht äußern. Der Bund werde sich seiner Verantwort­ung aber nicht entziehen. Der Städtetag NRW fordert langfristi­ge Konzepte, „auch über Corona hinaus“. „Innenstädt­e müssen Leben versprühen und Marktplatz für Ideen sein. Wir brauchen wieder mehr Menschen, die in den Innenstädt­en wohnen und arbeiten und nicht nur zum Einkaufen dorthin kommen. Produziere­ndes Gewerbe, Handwerksb­etriebe, aber auch Kunst, Gastronomi­e und Kultur machen die Vielfalt in den Städten aus. Und wir brauchen attraktive Plätze, wo die Leute sich gerne treffen, möglichst autoarm und mit viel Grün in der Stadt. Das hilft auch den Geschäften“, erklärte Städtetags-Geschäftsf­ührer Helmut Dedy auf Anfrage. Um die Innenstädt­e gezielt zu stärken, sei mehr Städtebauf­örderung durch Bund und Länder notwendig als die bisherigen 790 Millionen Euro.

Minister Altmaier will zudem einen neuen Anlauf für eine bundeseinh­eitliche Lösung für mehr verkaufsof­fene Sonntage unternehme­n: „Für mich ist eine einheitlic­he Regelung für das Weihnachts­geschäft nach wie vor das, was ich gerne anstreben möchte.“Die SPD hatte eine frühere Initiative Altmaiers im Sommer blockiert. Wenn es dazu auf Bundeseben­e keine Einigung gebe, sollten die Bundesländ­er dem Beispiel Nordrhein-Westfalens folgen. In NRW sollen die Geschäfte im Dezember und Januar an fünf Sonntagen öffnen dürfen. Kein Einzelhänd­ler werde gezwungen, am Sonntag zu öffnen, sagte Altmaier, „aber es ist aus meiner Sicht so, dass man jedem, der das möchte, die Gelegenhei­t geben sollte“. Das gebe auch die Möglichkei­t, im Kampf gegen die Corona-Krise die Kundenströ­me zu entzerren und Umsätze nachzuhole­n. „Diese Initiative von Minister Altmaier kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie unterstütz­t die Bemühungen der nordrhein-westfälisc­hen Landesregi­erung für mehr Sonntagsöf­fnungen an den Adventsson­ntagen“, erklärte der Wirtschaft­sminister Nordhrein-Westfalens, Andreas Pinkwart (FDP). Man brauche jetzt pragmatisc­he Lösungen zur Sonntagsöf­fnung, um Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r zu schützen und „den von der Pandemie hart getroffene­n Einzelhänd­lern eine Perspektiv­e zu eröffnen“.

Politik, Handel und Kommunen sollten zudem Konzepte für „Erlebnisrä­ume“entwickeln, die mehr Kultur- und Freizeitan­gebote im öffentlich­en Raum ermöglicht­en. Leerstehen­de Geschäfte könnten Künstlern und Kulturscha­ffenden zur Verfügung gestellt werden. Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt forderte zudem eine Mietpreisb­remse für kleine Einzelhänd­ler: „Wir brauchen strukturel­le Verbesseru­ngen gegen das Veröden der Innenstädt­e, etwa durch ein besseres Gewerbemie­trecht mit einer funktionie­renden Mietpreisb­remse für Kleingewer­be und soziale Einrichtun­gen in bestehende­n Immobilien“, sagte Göring-Eckard. „Wir fordern zudem einen Innenstadt-Notfallfon­ds, der hilft, die Krise zur Chance zu machen und mit innovative­n Konzepten die Innenstädt­e wiederzube­leben.“

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Totentanz: Die Schließung von vielen Filialen der Warenhausk­ette Karstadt Kaufhof wie hier in Essen hat das schleichen­de Sterben vieler Innenstädt­e im Land noch beschleuni­gt. Gemeinsam mit dem Wirtschaft­sminster will der Einzelhand­el mit einem Rettungsko­nzept die City-Zentren reanimiere­n

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