ALTMAIER WILL INNENSTÄDTE
Der Wirtschaftsminister sagt bei einem runden Tisch Erste Hilfe zu. Zugleich pocht er aber auf neue Digitalstrategien.
BERLIN/DÜSSELDORF In der Corona-Krise hat sich das Ladensterben in den deutschen Innenstädten beschleunigt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat daher am Dienstag 20 Vertreter des Handels und der Kommunen zu einem virtuellen runden Tisch geladen. Der Minister will sich für den stationären Handel in den Innenstädten starkmachen und Konzepte gegen das Ladensterben in den Zentren entwickeln.
Altmaier und der Handelsverband Deutschland (HDE) setzen uf einen schnellere Digitalisierung des stationären Handels. Auch kleinere Läden müssten ihre lokalen Waren im Internet anbieten, die Kunden könnten sich dieWare im Laden abholen, betonte Altmaier. Der HDE forderte einen Digitalisierungsfonds von 100 Millionen Euro. „Es geht darum, Unternehmen zu helfen, die durch die Corona-Krise unverschuldet in Not geraten sind und nun keine finanziellen Mittel mehr haben, um in ihre Zukunft zu investieren“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Vor allem Mittelständler seien auf einen solchen Digitalisierungsfonds angewiesen.
Ein Mittel könnten sogenannte Digitalcoaches sein, bei denen der Handel NRW als Vorreiter sieht. Vier solche Coaches arbeiten bereits in Düsseldorf, Köln, Bielefeld und Dortmund. Ihre Aufgabe: interessierte Händler von A bis Z betreuen. Das reicht von der Beratung zu einem möglichen Online-Shop über den Verkauf auf Plattformen bis hin zu den Auftritten in den sozialen Netzwerken. Die Bezahlung teilen sich das Land NRW, das dafür über dasWirtschaftsministerum ein Förderprogramm gestartet hat, und der Handelsverband Nordrhein-Westfalen. Die Digitalcoaches sind für je drei Jahre verpflichtet worden.
Altmaier kündigte darüber hinaus ein Handlungskonzept zur Wiederbelebung der Innenstädte an, das in eineinhalb bis zwei Jahren vorliegen solle. Ziel sei es zunächst, Pleiten zu verhindern, dann aber auch die Digitalisierung voranzutreiben. Zu konkreten Fördersummen wollte er sich nicht äußern. Der Bund werde sich seiner Verantwortung aber nicht entziehen. Der Städtetag NRW fordert langfristige Konzepte, „auch über Corona hinaus“. „Innenstädte müssen Leben versprühen und Marktplatz für Ideen sein. Wir brauchen wieder mehr Menschen, die in den Innenstädten wohnen und arbeiten und nicht nur zum Einkaufen dorthin kommen. Produzierendes Gewerbe, Handwerksbetriebe, aber auch Kunst, Gastronomie und Kultur machen die Vielfalt in den Städten aus. Und wir brauchen attraktive Plätze, wo die Leute sich gerne treffen, möglichst autoarm und mit viel Grün in der Stadt. Das hilft auch den Geschäften“, erklärte Städtetags-Geschäftsführer Helmut Dedy auf Anfrage. Um die Innenstädte gezielt zu stärken, sei mehr Städtebauförderung durch Bund und Länder notwendig als die bisherigen 790 Millionen Euro.
Minister Altmaier will zudem einen neuen Anlauf für eine bundeseinheitliche Lösung für mehr verkaufsoffene Sonntage unternehmen: „Für mich ist eine einheitliche Regelung für das Weihnachtsgeschäft nach wie vor das, was ich gerne anstreben möchte.“Die SPD hatte eine frühere Initiative Altmaiers im Sommer blockiert. Wenn es dazu auf Bundesebene keine Einigung gebe, sollten die Bundesländer dem Beispiel Nordrhein-Westfalens folgen. In NRW sollen die Geschäfte im Dezember und Januar an fünf Sonntagen öffnen dürfen. Kein Einzelhändler werde gezwungen, am Sonntag zu öffnen, sagte Altmaier, „aber es ist aus meiner Sicht so, dass man jedem, der das möchte, die Gelegenheit geben sollte“. Das gebe auch die Möglichkeit, im Kampf gegen die Corona-Krise die Kundenströme zu entzerren und Umsätze nachzuholen. „Diese Initiative von Minister Altmaier kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie unterstützt die Bemühungen der nordrhein-westfälischen Landesregierung für mehr Sonntagsöffnungen an den Adventssonntagen“, erklärte der Wirtschaftsminister Nordhrein-Westfalens, Andreas Pinkwart (FDP). Man brauche jetzt pragmatische Lösungen zur Sonntagsöffnung, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen und „den von der Pandemie hart getroffenen Einzelhändlern eine Perspektive zu eröffnen“.
Politik, Handel und Kommunen sollten zudem Konzepte für „Erlebnisräume“entwickeln, die mehr Kultur- und Freizeitangebote im öffentlichen Raum ermöglichten. Leerstehende Geschäfte könnten Künstlern und Kulturschaffenden zur Verfügung gestellt werden. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte zudem eine Mietpreisbremse für kleine Einzelhändler: „Wir brauchen strukturelle Verbesserungen gegen das Veröden der Innenstädte, etwa durch ein besseres Gewerbemietrecht mit einer funktionierenden Mietpreisbremse für Kleingewerbe und soziale Einrichtungen in bestehenden Immobilien“, sagte Göring-Eckard. „Wir fordern zudem einen Innenstadt-Notfallfonds, der hilft, die Krise zur Chance zu machen und mit innovativen Konzepten die Innenstädte wiederzubeleben.“