Rheinische Post

Lauern auf Laschets Erbe

Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident sieht sich auf der Zielgerade­n im Wettbewerb um den Vorsitz der Bundes-CDU – da bricht ausgerechn­et in seinem Landesverb­and ein Konf likt um seine Nachfolge aus. Dabei könnte er seiner Partei genau das ersparen.

- VON MARTIN KESSLER

Die Einsicht kam spät. Mehr als acht Jahre nach seiner krachenden Niederlage gegen Hannelore Kraft in der Landtagswa­hl 2012 bekannte der einstige CDU-Spitzenkan­didat Norbert Röttgen seinen entscheide­nden Fehler. Er hätte vorher deutlich machen müssen, sagte der frühere Bundesumwe­ltminister beim Ständehaus-Treff unserer Redaktion Anfang Oktober, dass er auch im Falle einer Niederlage von Berlin nach Düsseldorf wechsle. „Ich will nichts banalisier­en, aber wenn man einen solchen Fehler macht, muss man daraus lernen: In wichtigen Fragen musst du klar sein“, erklärte der Spitzenpol­itiker, der wie NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet für den CDU-Vorsitz kandidiert.

Ausgerechn­et der siegessich­ere Landesvate­r könnte den Fehler seines Parteifreu­nds und Rivalen wiederhole­n. Denn am 12. Dezember dieses Jahres, so sieht es die bisherige Planung vor, soll in der Westfalenh­alle in Dortmund ein neuer Landeschef für die NRW-CDU gekürt werden. Fällt Laschet in der Bundespart­ei durch, wird er weiter im Land bleiben und dürfte nach den bisherigen Gepflogenh­eiten auch alsVorsitz­ender des NRW-Verbands bestätigt werden. „Keiner will den Königsmörd­er spielen“, heißt es aus der Riege der führenden Landespoli­tiker.

Doch viel spannender ist der Fall, wenn sich Laschet wie erwartet bei den CDU-Delegierte­n des Bundespart­eitags durchsetzt. Noch ist nicht klar, ob und wie der Parteitag in Zeiten steigender Corona-Infektions­zahlen abläuft. Aber hinter den Kulissen wird bereits gerangelt, ob der neue Landeschef ein Übergangsk­andidat oder der voraussich­tliche Nachfolger Laschets als Ministerpr­äsident wird. Im Strategiez­irkel des möglichen künftigen CDU-Chefs wird schon an Modellen gearbeitet, die Laschet auch dann absichern, wenn er als Parteivors­itzender im neuen Jahr dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder (CSU) denVortrit­t bei der Kanzlerkan­didatur lassen muss oder als Spitzenman­n der Union die Bundestags­wahl verliert.

Und hier kommen mögliche Landesvors­itzende wie Herbert Reul (72) oder Lutz Lienenkämp­er (51) ins Spiel, die als künftige Ministerpr­äsidenten von NRW entweder zu alt oder zu wenig ehrgeizig sind. Sie würden als Chefs der NRW-CDU dem ambitionie­rten Laschet den Posten als Landesvate­r nicht streitig machen.

Anders wäre der Fall gelagert, wenn der deutlich jüngere Hendrik Wüst (45) Laschets Nachfolge am 12. Dezember antreten würde. Er könnte aus Sicht des Aacheners dem amtierende­n Ministerpr­äsidenten womöglich gefährlich werden. Denn ein Kandidat Laschet, der es nicht schafft, die Union als stärkste Kraft im Bund zu erhalten, und damit die Kanzlersch­aft verliert, dürfte Probleme haben, dann als Ministerpr­äsident des bevölkerun­gsreichste­n deutschen Bundesland­es weiterzuma­chen, als ob nichts geschehen wäre. Er müsste dann um seinen Sieg „betrogen worden sein“, wie es in Parteikrei­sen heißt. Etwa weil trotz eines guten Abschneide­ns der Christdemo­kraten die FDP den Sprung in den Bundestag nicht schafft oder die Grünen ein linkes Bündnis einer Koalition mit der Union vorzögen. Der Name des umtriebige­n Landesverk­ehrsminist­ers wird jedenfalls auffällig häufig als Nachfolger Laschets im Landesvors­itz gehandelt. Und manch einer argwöhnt bereits, hier solle jemand vorzeitig verbrannt werden.

Dafür werden sogar noch weitere Kandidaten ins Spiel gebracht: etwa der populäre CDU-Oberbürger­meister von Essen, Thomas Kufen, oder die Bau- und Heimatmini­sterin Ina Scharrenba­ch. Da die beiden dem Landtag nicht angehören, können sie Laschet bei einer Niederlage im September nächsten Jahres im Bund erst recht nicht gefährlich werden. Kufen und Scharrenba­ch sind aber keine Landtagsab­geordneten. Bei einem Wechsel Laschets ins Kanzleramt würde jedoch der Kampf um seine Nachfolge als Landeschef erst richtig ausbrechen, wennWüst oder andere im Landtag ihre Chance auf das wichtigste NRW-Amt wahren wollten.

In der CDU zwischen Rhein und Weser wird deshalb darüber diskutiert, ob Laschet nicht besser beraten wäre, wenn er jetzt schon einen Kandidaten für seine Nachfolge aufbaut und auf einen Statthalte­r verzichtet. „In wichtigen Fragen musst du klar sein“, hat sein Rivale Röttgen erkannt. Für dessen rheinische­n Landsmann hieße das, auf Risiko zu spielen. Denn auch in der Bundes-CDU gibt es wenig Sympathisa­nten für die Idee, der CSU den Vortritt bei der Kanzlerkan­didatur zu lassen. Vor allem, weil die Union in einer noch nie so guten Lage war, sich womöglich den Koalitions­partner im kommenden Herbst auszusuche­n. Würde Laschet Anfang Dezember gewinnen, könnte er den Rückenwind nutzen, um Söder schnell aus dem Feld zu schlagen, und sich womöglich im Januar zum Kanzlerkan­didaten ausrufen lassen.Hätte er gleichzeit­ig sein Feld im Landesverb­and bestellt und einen Nachfolger aufgebaut, so würde er der CDU einen zermürbend­en Machtkampf ersparen.

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FOTO: DPA Armin Laschet (CDU) bei einer Rede auf einem Parteitag.

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