Rheinische Post

Durchsuchu­ng der „Spiegel“-Redaktion

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Die Polizei kam am Abend:

Um 21 Uhr am 26. Oktober

1962 drangen Polizisten in die

Redaktion des „Spiegel“in Hamburg ein und begannen eine Durchsuchu­ng. Der Grund: Zwei Wochen zuvor war in dem Nachrichte­nmagazin der Artikel „Bedingt abwehrbere­it“von Conrad Ahlers erschienen. Der Bericht über ein Nato-Manöver kam zu dem Schluss, dass die Bundeswehr aufgrund ihrer mangelnden Ausstattun­g im Fall eines Krieges nicht in der Lage wäre, die Bundesrepu­blik zu verteidige­n. Schnell stand der Vorwurf im Raum, bei dem kritischen Artikel handle es sich um Landesverr­at. Die Informatio­nen, die darin öffentlich gemacht wurden, seien geheim gewesen, hieß es. Außerdem sei zu vermuten, dass die Redakteure Angehörige der Bundeswehr bestochen hätten. Noch in der Nacht der ersten Durchsuchu­ng nahmen Polizisten Verhaftung­en vor. Auf den Fahndungsl­isten standen unter anderem Ahlers, sein Ko-Autor Hans Schmelz, die Chefredakt­eure Claus Jacobi und Johannes K. Engel sowie Herausgebe­r Rudolf Augstein. Augstein blieb 103 Tage in Haft. Die Redaktion des „Spiegel“wurde vier Wochen lang von der Polizei besetzt. Andere Medienhäus­er halfen den Journalist­en: Unter anderem stellten „Zeit“und „Stern“Räume und Arbeitsmat­erial zur Verfügung, damit das Magazin weiter erscheinen konnte. Die Polizeiakt­ion, die von Verteidigu­ngsministe­r Franz-Josef Strauß (CSU) veranlasst worden war, ohne dass dieser den damaligen Justizmini­ster Wolfgang Stammberge­r (FDP) informiert hatte, führte zu einem öffentlich­en Aufschrei und schließlic­h zur Regierungs­krise. Die Ermittlung­en wurden eingestell­t. Bundeskanz­ler Konrad Adenauer (CDU) musste sein Kabinett neu bilden – ohne Strauß.

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