Er machte Samsung zum Weltkonzern
Lee Kun-hee war Südkoreas wirtschaftlicher Stolz und galt gleichzeitig als Personifizierung einer korrupten Elite. Am Sonntag ist er mit 78 Jahren gestorben.
PEKING Der wohl wichtigste Moment in der Firmengeschichte von Samsung ereignete sich in einem Konferenzraum des Frankfurter Kempinski-Hotels. Der damalige Firmenvorstand Lee Kun-hee trommelte im Juni 1993 Hunderte Manager für eine Grundsatzrede zusammen. Er hatte eine geradezu tollkühne Vision für den Produzenten billiger Elektronikware: Samsung solle die Weltspitze für hochwertige Tech-Produkte anführen, noch vor den damals dominierenden Konkurrenten aus Japan. Doch dafür musste Lee die südkoreanische Unternehmenskultur vollständig umkrempeln. „Ändern Sie alles, bis auf Ihre Ehefrau und Ihre Kinder“, sagte Lee während seines dreitägigen Redemarathons, der später als „Frankfurter Deklaration“in einem 200-seitigen Buchmanuskript verewigt wurde. Jenen Frankfurter Konferenzraum ließen die Südkoreaner Jahre später gar in der Firmenzentrale in Suwon nachbauen.
Lange vor seinem Tod am Sonntag ist Lee Kun-hees Vision Realität geworden. Mit 78 Jahren ist er im firmeneigenen Krankenhaus in Seoul verstorben, wo er auch die letzten Jahre nach einem Herzinfarkt 2014 verbrachte. Keiner war so reich wie er, keiner verkörperte derart den wirtschaftlichen Stolz Südkoreas wie Lee Kun-hee. Doch mit seiner Macht stand der leidenschaftliche Kunstsammler und Autoliebhaber auch symbolisch für die korrupten, familiengeführten Konglomerate des ostasiatischen Tigerstaates. Gleich zweimal wurde Lee verurteilt: In den 90ern hatte er den Präsidenten bestochen, später wurde er der Steuerhinterziehung überführt. Beide Male wurde Lee letztendlich begnadigt. Der Firmenvorsitzende stand in seiner Heimat zeitlebens über dem Gesetz.
1942 wurde Lee Kun-hee in Daegu geboren, damals noch unter japanischer Kolonialherrschaft. In Tokio schloss Lee sein Studium ab, während sein Vater Samsung vom simplen Gemischtwarenladen unter der schützenden Hand der südkoreanischen Militärdiktatur zum führenden Industrieunternehmen machte – mit Sparten vom Schiffsbau bis zu Halbleitern. Zwar stieg Lee rasant in der Firmenhierarchie auf, doch erst als er nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1987 denVorstandsposten erbte, musste sich der Gründersohn wirklich beweisen.
Dem Unternehmen drückte er schon bald seinen Stempel auf: Bereits früh erkannte Lee Kun-hee die Relevanz von Zukunftstechnologien wie Mobiltelefonen und Internet, wie kein Zweiter erhöhte er die Forschungsausgaben.
Seit Jahren führt sein Sohn bereits die Unternehmensgeschicke weiter, Vater Lee Kun-hee war bereits längere Zeit an sein Krankenhausbett gefesselt. Südkoreanische Medien spekulierten mehrmals über sein Ableben. Doch offiziell führte Samsung Electronics den wohl einflussreichsten Manager Südkoreas weiterhin als Vorstandsvorsitzenden – bis zu dessen Tod.