Neufälle überfordern NRW-Städte
Viele Kreise können die Ansteckungsketten nicht ausreichend nachverfolgen. Köln informiert Infizierte nur zeitverzögert. Im Gespräch ist ein „Lockdown light“für Restaurants und Bars.
DÜSSELDORF Die rasant steigende Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus stellt die Städte und Landkreise in NRW vor eine Belastungsprobe. Mit einem Wert von 104,8 Neuinfektionen innerhalb einer Woche pro 100.000 Einwohner lag das Land am Montag mit Hessen (109) an der Spitze der Flächenländer. Ab einer Inzidenz von 50 sind die Behörden vor Ort angehalten, private Feiern zu begrenzen und Sperrstunden anzuordnen.
Vor allem die Gesundheitsämter haben große Probleme, die Corona-Fälle zeitnah zu bearbeiten. „Derzeit ist es dem Gesundheitsamt Köln nicht möglich, tagesaktuell alle positiv Getesteten zu informieren“, sagte eine Sprecherin der Stadt Köln. Die Domstadt hatte mit einer Inzidenz von 177,7 eine der höchsten im Land. Beim Gesundheitsamt des Kreises Wesel kommt die Nachverfolgung der Ansteckungsketten an ihre Grenzen. „Derzeit dauert die Kontaktnachverfolgung länger als bisher, kann aber gewährleistet werden“, sagte eine Sprecherin. Für den Kreis Kleve gilt das nicht mehr: „Seit wenigen Tagen kann die Kontaktpersonennachverfolgung innerhalb der ersten 48 Stunden nach Bekanntwerden eines positiven Falles nicht mehr vollständig gewährleistet werden“, heißt es aus derVerwaltung. Auch andere NRW-Kreise fühlen sich überfordert.
Bund und Länder wollen jetzt bereits am Mittwoch über weitere Maßnahmen sprechen. Nach einem „Bild“-Bericht soll es einen „Lockdown light“geben, wonach Schulen, Kitas und die meisten Geschäfte geöffnet bleiben, aber Restaurants und Bars schließen müssen.
NRW-Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) warf der Landesregierung ein unsouveränes Krisenmanagement ohne roten Faden vor. Der SPD-Fraktionschef forderte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auf, in der nächsten Landtagssitzung am 11. November eine Regierungserklärung abzugeben.
Zur wirksameren Bekämpfung der Corona-Pandemie schlug Kutschaty ein Sofortprogramm vor: Neben einem Schulgipfel müsse es eine neue Teststrategie geben, die mehr Testungen insbesondere in Kitas und Schulen sowie Seniorenheimen umfasst. Werks- und Betriebsärzte großer Unternehmen seien einzubinden. Ähnlich äußerten sich die Grünen: „Eine weitere Stufe bei einem Inzidenzwert von 100 einzuführen, ist sinnvoll“, sagte Fraktionsvize Mehrdad Mostofizadeh.
Auch beim Koalitionspartner wächst die Unruhe. So forderte FDP-Fraktionschef Christof Rasche ein neues Modell: „Wir wollen mit der Wissenschaft ein mehrdimensionales Ampelsystem entwickeln, das unter anderem auch Krankheitsverläufe und medizinische Kapazitäten einbezieht.“Die FDP-Fraktion will dazu ein Positionspapier verabschieden. In dem Entwurf, der unserer Redaktion vorliegt, heißt es: „Es ist an der Zeit, vom Krisen- in den Gestaltungsmodus zu wechseln.“
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) setzt auf die bestehenden Regeln: „Werden die jetzt schon bestehenden Ge- und Verbote nicht konsequent beachtet, können auch neue Verbote und Einschränkungen kaum eine Wirkung entfalten.“Gleichwohl prüft die Landesregierung dem Ministerium zufolge die Anordnung weiterer Maßnahmen in der Coronaschutzverordnung. „Über konkrete Maßnahmen wird in den nächsten Tagen entschieden werden“, hieß es.