Rheinische Post

Sperrstund­e: Wirte beklagen massive Verluste

Die Gastronome­n stehen wirtschaft­lich am Abgrund. Ihre Hoffnung auf das Oberverwal­tungsgeric­ht hat sich nicht erfüllt.

- VON A. ESCH, H. LODAHL, B. PAVETIC UND U-J. RUHNAU

DÜSSELDORF Viele Gastronome­n beklagen wegen der seit zehn Tagen geltenden Sperrstund­e massive Umsatzeinb­rüche. Und mit diesen werden sie weiter leben müssen. Denn das Oberverwal­tungsgeric­ht hat am Montag nach einem Eilantrag von Gastronome­n aus Bonn, Köln und dem Rhein-Sieg-Kreis entschiede­n, dass die nach der Coronaschu­tzverordnu­ng zwischen 23 Uhr und 6 Uhr geltende Schließzei­t bestehen bleibt. Damit hat die Klage des Düsseldorf­ers Walid El Sheikh wenig Aussicht auf Erfolg. Er sagt: „Ich habe mit einem anderen Urteil gerechnet.“Die Dinge beschleuni­gten sich mit hoher Dynamik, er glaube nicht, dass dies das Ende der Entscheidu­ngen zur Pandemie sei

Die hat ihn voll erwischt. Viele seiner rund 200 Mitarbeite­r mussten bereits in Kurzarbeit. Seine Clubs sind entweder lange geschlosse­n (wie das Oh Baby Anna seit März) oder durch die Sperrstund­e ausgebrems­t (Sir Walter, Elephant Bar).

Das geht auch anderen Wirten so: Etwa für den Inhaber der Grand Pu Bar an der Witzelstra­ße in Bilk. Daniel Kroschinsk­y sagt, dass die Sperrstund­e finanziell gesehen katastroph­al sei. „Wegen der Mindestabs­tände sind wir schon angeschoss­en und die Sperrstund­e blockiert uns nun die Geschäftsz­eit mit den höchsten Umsätzen. Die Sperrstund­e ist totaler Irrsinn.“Kroschinsk­y schlägt vor, die Bars in den Stadtteile­n anders zu bewerten als in der Altstadt, in der es am Wochenende turbulente­r zugeht als zum Beispiel bei ihm in Bilk. „Wir könnten doch eine oder zwei Stunden länger machen.“

Wegen der Sperrstund­e hat Kroschinsk­y amWochenen­de um 22.30

Uhr mit dem Aufräumen angefangen. „Es sind dann immer wieder Gäste gekommen. Sie wussten gar nichts von der Sperrstund­e und wollten den Abend erst beginnen.“Die Gäste seien wenig informiert und verunsiche­rt. „Sie fragen sich, was nach 23 Uhr anders ist.“

Michael Krziwon, Inhaber der Bar Bilker Häzz an der Bilker Allee, sagt sogar: „Unsere Existenz steht auf dem Spiel.“Wegen der Sperrstund­e seien die Umsätze dramatisch zurückgega­ngen, „innerhalb der Woche um 80 Prozent, am Wochenende um 50 Prozent“. Zwar sei er auch als Geschäftsm­ann gewillt, vernünftig mit den Regeln zur Eindämmung der Corona-Krise umzugehen – aber er müsse dennoch Umsatz machen, um das Geschäft zu retten. „Oft müssen wir Gäste wegschicke­n oder warten lassen, weil wir wegen der Abstandsre­geln weniger Plätze als sonst haben.“Die Situation trifft auch seine Angestellt­en. Die Vollzeitkr­äfte könne er noch gut beschäftig­en. Die Teilzeitmi­tarbeiter und Minijobber aber haben viel weniger Arbeitsstu­nden. Für die kommendenW­ochen sucht der BarChef nach Ideen, ein virtuelles Kneipen-Bingo mit Getränkeli­eferdienst etwa. Früher zu öffnen, um die verlorene Zeit der Sperrstund­e auszugleic­hen, habe nicht funktionie­rt. „Das Ausgehverh­alten der Gäste hat sich kaum verändert“, sagt Krziwon.

Eine verheerend­e Bilanz zieht auch die Sprecherin der Altstadtwi­rte und Knoten-Chefin, Isa Fiedler: „DiesesWoch­enende war eine Katastroph­e. Schon in derVorwoch­e war der Umsatz drastisch zurückgega­ngen. Um es deutlich zu sagen: Jetzt war kaum noch etwas los.“Lange könne das betriebswi­rtschaftli­ch so nicht weitergehe­n. Sollte die Klage gegen die 23-Uhr-Sperrstund­e nicht erfolgreic­h sein,„dann kommen wir mit den 90 Prozent Überbrücku­ngsgeld nicht hin, dann brauchen wir 100 Prozent, um die Kosten einigermaß­en zu decken“. Ihren Stamm an Aushilfen von etwa 15 musste Fiedler schon längst halbieren, jetzt wisse sich nicht, was sie den übrigen Mitarbeite­rn sagen solle. Fiedler ist wütend und fühlt sich hilflos: „Da wird eine ganze Branche verurteilt und bestraft, die nicht schuld ist am erhöhten Infektions­geschehen.“

Harte Konsequenz­en hat jetzt Füchschen-Chef Peter König gezo

gen. Er schließt die Hausbrauer­ei an der Ratinger Straße sonntags bis donnerstag­s. „Die Entwicklun­gen der letzten Wochen ließen uns leider keine andere Wahl.“

Besser sieht es bei Tobias Wecker und Kim Thurau von der Bar Kassette an der Flügelstra­ße in Oberbilk aus. Sie öffnen Freitag und Samstag eher, wodurch der frühe Schluss ausgeglich­en worden sei. Die Sperrstund­e jedoch sei ein Fehler. „Lieber habe ich die Gäste unter Einhaltung der Corona-Regeln hier, als dass sie ab 23 Uhr unkontroll­iert privat feiern“, sagt Thurau.

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FOTO: ANNE ORTHEN Das Ordnungsam­t kontrollie­rt das Einhalten der Sperrstund­e auf der Kurze Straße in der Altstadt.

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