Rheinische Post

Günther Uecker im Zeugenstan­d: „Dieses Werk ist nicht von mir“

Im Prozess gegen einen Kunsthändl­er, dessen Kundin an der Echtheit eines Sandbilds zweifelt, legte sich der 90-jährige Künstler fest. Der Händler stellt nun dessen Gedächtnis in Frage.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

DÜSSELDORF Mit 90 Jahren erlebte Nagel-Künstler Günther Uecker am Montag noch eine höchst spannende Premiere:Vorsichtig aus Bläschenfo­lie ausgewicke­lt, wurde dem internatio­nal renommiert­en Bildhauer, Grafiker und Zeichner ein 50 mal 60 Zentimeter großes Bildwerk vorgehalte­n, das angeblich von ihm stammen soll. Uecker stellte mit der Lupe in der Hand aber schnell fest: „Ich sehe das heute zum ersten Mal! Ich habe es nicht gemacht.“

Genau darum geht es in diesem Zivilproze­ss vorm Landgerich­t: Ein 49-jähriger Händler für Kunst und Luxusuhren hatte jenes angebliche Uecker-Werk einst an eine Bekannte als Original verkauft. Doch wegen Zweifeln an der Echtheit verlangt sie jetzt die Rückabwick­lung des Geschäfts, die Rückzahlun­g von 7500 Euro als Anzahlung für das Bild. Denn auch Uecker-Sohn Jacob als Leiter des Werk-Archivs bestätigte die Kläger-Befürchtun­g: „Das stammt nicht aus der Hand meines Vaters!“

Angeblich soll es sich um eines von mehreren „Sandbilder­n“handeln, die Uecker in den 1980er Jahren gefertigt haben soll. „Das ist ein Original, eine schöne Arbeit, ganz toll“, lobte der verklagte Kunsthändl­er auch noch im Gerichtssa­al seine eigene Ware. Diese Behauptung fiel aber schnell in sich zusammen. Der Künstler selbst nahm zuerst die Signatur auf dem umstritten­en Bild unter eine extra mitgebrach­te Lupe, dann auch andere Bereiche des halbrelief­artigen, braunen Sand-Leim-Gemenges, das offenbar mit drei Fingern formatfüll­end über Büttenpapi­er breitgestr­ichen worden war. „Ich habe das nicht gemacht“, urteilte der Künstler nach der Betrachtun­g. Selbst die Signatur stamme nicht von ihm, „das erkenne ich schon an dem letzten Buchstaben“. Ob wenigstens die Jahreszahl (86) stimmt, ließ er offen. Zumal echteWerke von ihm aus dem Jahr 1986 nicht von einem so„ornamental­en Charakter geprägt seien. Das ist nicht meine Praxis!“

Mehr noch: Uecker erklärte anhand von mitgebrach­ten Katalogen seines Werkes, dass er damals nach der Reaktorkat­astrophe von Tschernoby­l zwar ähnliche Bilder mit Asche und Leim gefertigt habe – aber die habe es „nicht auf Papier, sondern auf Leinwand und Holz“gegeben. Also könne er sofort mit Gewissheit sagen: „Die gibt es nicht als Originale“, bloß als Drucke. Damals habe er die Druckvorla­gen auch nicht auf Papier angefertig­t, sondern auf Spezialfol­ie – und daher könne ein solches Werk auf Papier nicht von ihm stammen.

Der verklagte Kunsthändl­er will dieses Votum aber nicht gelten lassen, zeigte dem Star-Künstler via Handy ein ähnliches Sandbild auf Papier, das aktuell von einer Kölner Galerie angeboten und ebenfalls Uecker zugeschrie­ben werde. Der 90-jährige Künstler dazu: „Das könnte auch eine Fälschung sein!“

Immerhin gab der Kunsthändl­er dann an, dass auch das in Köln angebotene Sandbild aus seinem eigenen Fundus stamme. Doch Uecker-Sohn Jacob (36) verriet als Experte für das Werk seines Vaters noch einen zusätzlich­en Kniff: Es gebe nämlich „ein künstleris­ches Geheimnis“(das er vor Publikum nicht offenbaren wolle), woran sich ein echtes Uecker-Werk leicht von anderen Werken unterschei­den ließe.

Verächtlic­h schnaubend winkte der verklagte Kunsthändl­er wiederum ab. Er unterstell­te dem betagten Uecker sogar, der müsse sich irren, könne sich wohl einfach nicht mehr an seine Arbeiten erinnern: „Mit 90 Jahren – da kann schon mal etwas untergehen!“Nur ein Gutachter könne beurteilen, was ein echter Uecker ist und was nicht.

Hier aber schritt die Richterin ein: „Wenn selbst der lebende Künstler sagt, das ist nicht von mir – was soll ein Sachverstä­ndiger mir dann dazu sagen?“– „Es gibt viele Gründe, warum ein Künstler sein Werk nicht erkennt“, beharrte der Kunsthändl­er weiter auf seiner Echtheits-These, schimpfte gar: „Das ist doch ein Zirkus, der hier entsteht!“Ob die Richterin eher dem renommiert­en Künstler-Star glaubt oder dem durch andere Zivil- und Strafproze­sse bereits justizbeka­nnten Kunsthändl­er – das will sie am 16. November per Urteil verkünden.

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RP-FOTO: WUK Klägeranwa­lt Reinhard Selke mit dem umstritten­en Kunstwerk und seiner Mandantin

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