Vom Leben im Mikroapartment
In Düsseldorf entstehen immer mehr Mikroapartments. Wir haben ein Haus mit 70 Mini-Wohnungen besucht. Ein Mieter hat uns sein kleines Reich gezeigt, der Investor Bilanz für das seit zwei Jahren laufende Projekt gezogen.
DÜSSELDORF Mikroapartments sind zum Streitobjekt geworden. An immer mehr Stellen in Düsseldorf setzen Investoren in Bauprojekten auf die kleinen, rund 20 Quadratmeter großen, möblierten Wohnungen. Die Politik kritisiert eine Fixierung auf Renditemaximierung, was der Stadtentwicklung nicht zuträglich sei. Denn die Mieter blieben nur kurz und entwickelten keinen Bezug zur Nachbarschaft. Außerdem entstehe kein bezahlbarer Wohnraum für Familien, sondern nur für eine bestimmte Zielgruppe wie Pendler, Singles und Studenten – und das zu hohen Quadratmeterpreisen. Doch wie lebt es sich in einem Mikroapartment und wie werden sie angenommen? Wir haben Bilanz mit einem Investor gezogen und das vor zwei Jahren umgebaute Gebäude an der Merowinger Straße 105-107 mit 70 Apartments besichtigt.
In einem von ihnen wohnt Sebastian Valdivia (27). Er studiert Medizin an der Heine-Uni, unschwer erkennbar an den Anatomiepostern auf Türen und Wänden. Er lebt hier auf exakt 15,5 Quadratmetern. Sein Bett wird tagsüber mit zwei Polstern zum Sofa. Auf der kurzen Küchenzeile müssen zwei Kochplatten reichen. Ein kleiner Schreibtisch steht schräg gegenüber an der Wand. In der Ecke ein Kleiderschrank. Der Blick fällt auf die Kreuzung der Münchener Straße mit dem Südring. Die Miete inklusive Strom und Heizung liegt bei 550 Euro, kalt 425. Der stolze Quadratmeterpreis: 27 Euro.
Valdivia macht trotzdem keinen unglücklichen Eindruck. Im Gegenteil. „Ich finde das fair. Alle Nebenkosten und die Möbel sind inklusive. Und Düsseldorf ist nun mal eine sehr teure Stadt.“Zumal will der Student lieber alleine wohnen und nicht in einer WG. Aber er gibt zu: „Es ist natürlich schon klein.“Doch er habe sogar schon für Besuch gekocht. Und der Raum werde mit der Einrichtung optimal ausgenutzt, etwa mit großen Schubladen unterm Bett. Zudem gibt es noch einen Spindschrank im Keller. Aber er habe auch nur einen kleinen Haushalt, seit er von Peru nach Deutschland gekommen ist.
Valdivia ist typisch für die Bewohner im Haus. 40 Prozent von ihnen sind Studenten, wie Tim Semmelmann von der Solidare Real Estate
Group sagt, die mit ihren Firmentöchtern für Planung, Umbau und Vermietung verantwortlich ist. 60 Prozent der Mieter seien Pendler. Von einer „Düsseldorfer Spezialität“spricht Semmelmann, da die Quote in anderen Städten niedriger sei. Die Belegungsquote von insgesamt rund 95 Prozent werde von Beginn an mindestens gehalten. Semmelmanns Bilanz: „Das hat unsere Erwartungen übertroffen.“
Solidare investiert zurzeit kräftig in den Markt mit Mikroapartments. Gleich nebenan, für das Hochhaus an der Merowinger Straße 103, wartet man auf die Abnahme der Stadt für weitere 114 Mini-Wohnungen. Auch an der Vagedesstraße will Solidare ein Projekt umsetzen. Insgesamt sollen zudem in Frankfurt am Main, Neuss, Bochum, Enschede, Heerlen und Apeldorn mehr als 1000 Einheiten entstehen, wie das Unternehmen sagt.
An der Merowinger Straße reichen die Wohnungsgrößen von 15 bis 25 Quadratmeter, wo in der Spitze inklusive Strom und Internet 765 Euro fällig werden. Die durchschnittliche Belegungszeit beträgt laut Semmelmann rund 14 Monate. Er gibt zu: „Die Mieten sind nicht günstig, machen wir uns nichts vor.“Es gehe aber nicht darum, die maximale Rendite herauszuholen. Und es werde ein hoher Standard geboten.
Eine große Rolle spielt dabei laut Semmelmann die Sicherheit. So werde das Objekt videoüberwacht, auch in den Fluren sind die Kameras zu sehen. Die Gegensprechanlage funktioniert ebenfalls mit einem Bildschirm. Die Türen öffnen sich mit einem Chip. „Vielen Eltern von Studenten sind diese Dinge wichtig“, sagt Semmelmann.
Eine weitere Annehmlichkeit: Die Waschmaschinen lassen sich per App buchen, so dass sie auch frei sind, wenn man waschen will.
Für Semmelmann passen möblierte Apartments zum Zeitgeist und zum Leben vieler Großstädter. „Die einfache und unkomplizierte Anmietung, der schnelle Umzug, die von Beginn an bestehende Infrastruktur mit Möbeln, Küche, Internet bietet höchste Flexibilität, ohne dabei auf essentielle Dinge verzichten zu müssen.“Darüber hinaus wachse der Anteil an Single-Haushalten in Städten wie Düsseldorf stetig. So weist Semmelmann die Kritik von der Politik zurück. „Wir sind ein wichtiger Teil des Wohnungsmarkts.“Wem so eine kleine Wohnung reiche, der nehme dann auch keinem eine größere weg.
Zumindest für eine Zeit. Denn langfristig wollen wenige in einem Mikroapartment wohnen. Das gilt auch für Sebastian Valdivia. Er hofft, irgendwann eine eigene Praxis in Deutschland eröffnen zu können, und mit seiner Familie in einem Haus zu wohnen.