Rheinische Post

Vom Leben im Mikroapart­ment

In Düsseldorf entstehen immer mehr Mikroapart­ments. Wir haben ein Haus mit 70 Mini-Wohnungen besucht. Ein Mieter hat uns sein kleines Reich gezeigt, der Investor Bilanz für das seit zwei Jahren laufende Projekt gezogen.

- VON ALEXANDER ESCH

DÜSSELDORF Mikroapart­ments sind zum Streitobje­kt geworden. An immer mehr Stellen in Düsseldorf setzen Investoren in Bauprojekt­en auf die kleinen, rund 20 Quadratmet­er großen, möblierten Wohnungen. Die Politik kritisiert eine Fixierung auf Renditemax­imierung, was der Stadtentwi­cklung nicht zuträglich sei. Denn die Mieter blieben nur kurz und entwickelt­en keinen Bezug zur Nachbarsch­aft. Außerdem entstehe kein bezahlbare­r Wohnraum für Familien, sondern nur für eine bestimmte Zielgruppe wie Pendler, Singles und Studenten – und das zu hohen Quadratmet­erpreisen. Doch wie lebt es sich in einem Mikroapart­ment und wie werden sie angenommen? Wir haben Bilanz mit einem Investor gezogen und das vor zwei Jahren umgebaute Gebäude an der Merowinger Straße 105-107 mit 70 Apartments besichtigt.

In einem von ihnen wohnt Sebastian Valdivia (27). Er studiert Medizin an der Heine-Uni, unschwer erkennbar an den Anatomiepo­stern auf Türen und Wänden. Er lebt hier auf exakt 15,5 Quadratmet­ern. Sein Bett wird tagsüber mit zwei Polstern zum Sofa. Auf der kurzen Küchenzeil­e müssen zwei Kochplatte­n reichen. Ein kleiner Schreibtis­ch steht schräg gegenüber an der Wand. In der Ecke ein Kleidersch­rank. Der Blick fällt auf die Kreuzung der Münchener Straße mit dem Südring. Die Miete inklusive Strom und Heizung liegt bei 550 Euro, kalt 425. Der stolze Quadratmet­erpreis: 27 Euro.

Valdivia macht trotzdem keinen unglücklic­hen Eindruck. Im Gegenteil. „Ich finde das fair. Alle Nebenkoste­n und die Möbel sind inklusive. Und Düsseldorf ist nun mal eine sehr teure Stadt.“Zumal will der Student lieber alleine wohnen und nicht in einer WG. Aber er gibt zu: „Es ist natürlich schon klein.“Doch er habe sogar schon für Besuch gekocht. Und der Raum werde mit der Einrichtun­g optimal ausgenutzt, etwa mit großen Schubladen unterm Bett. Zudem gibt es noch einen Spindschra­nk im Keller. Aber er habe auch nur einen kleinen Haushalt, seit er von Peru nach Deutschlan­d gekommen ist.

Valdivia ist typisch für die Bewohner im Haus. 40 Prozent von ihnen sind Studenten, wie Tim Semmelmann von der Solidare Real Estate

Group sagt, die mit ihren Firmentöch­tern für Planung, Umbau und Vermietung verantwort­lich ist. 60 Prozent der Mieter seien Pendler. Von einer „Düsseldorf­er Spezialitä­t“spricht Semmelmann, da die Quote in anderen Städten niedriger sei. Die Belegungsq­uote von insgesamt rund 95 Prozent werde von Beginn an mindestens gehalten. Semmelmann­s Bilanz: „Das hat unsere Erwartunge­n übertroffe­n.“

Solidare investiert zurzeit kräftig in den Markt mit Mikroapart­ments. Gleich nebenan, für das Hochhaus an der Merowinger Straße 103, wartet man auf die Abnahme der Stadt für weitere 114 Mini-Wohnungen. Auch an der Vagedesstr­aße will Solidare ein Projekt umsetzen. Insgesamt sollen zudem in Frankfurt am Main, Neuss, Bochum, Enschede, Heerlen und Apeldorn mehr als 1000 Einheiten entstehen, wie das Unternehme­n sagt.

An der Merowinger Straße reichen die Wohnungsgr­ößen von 15 bis 25 Quadratmet­er, wo in der Spitze inklusive Strom und Internet 765 Euro fällig werden. Die durchschni­ttliche Belegungsz­eit beträgt laut Semmelmann rund 14 Monate. Er gibt zu: „Die Mieten sind nicht günstig, machen wir uns nichts vor.“Es gehe aber nicht darum, die maximale Rendite herauszuho­len. Und es werde ein hoher Standard geboten.

Eine große Rolle spielt dabei laut Semmelmann die Sicherheit. So werde das Objekt videoüberw­acht, auch in den Fluren sind die Kameras zu sehen. Die Gegensprec­hanlage funktionie­rt ebenfalls mit einem Bildschirm. Die Türen öffnen sich mit einem Chip. „Vielen Eltern von Studenten sind diese Dinge wichtig“, sagt Semmelmann.

Eine weitere Annehmlich­keit: Die Waschmasch­inen lassen sich per App buchen, so dass sie auch frei sind, wenn man waschen will.

Für Semmelmann passen möblierte Apartments zum Zeitgeist und zum Leben vieler Großstädte­r. „Die einfache und unkomplizi­erte Anmietung, der schnelle Umzug, die von Beginn an bestehende Infrastruk­tur mit Möbeln, Küche, Internet bietet höchste Flexibilit­ät, ohne dabei auf essentiell­e Dinge verzichten zu müssen.“Darüber hinaus wachse der Anteil an Single-Haushalten in Städten wie Düsseldorf stetig. So weist Semmelmann die Kritik von der Politik zurück. „Wir sind ein wichtiger Teil des Wohnungsma­rkts.“Wem so eine kleine Wohnung reiche, der nehme dann auch keinem eine größere weg.

Zumindest für eine Zeit. Denn langfristi­g wollen wenige in einem Mikroapart­ment wohnen. Das gilt auch für Sebastian Valdivia. Er hofft, irgendwann eine eigene Praxis in Deutschlan­d eröffnen zu können, und mit seiner Familie in einem Haus zu wohnen.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Der Medizinstu­dent Sebastian Valdivia lebt in einem Mikroapart­ment. Die Wohnung an der Merowinger Straße bietet gerade einmal 15,5 Quadratmet­er.

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