EZB bereitet neue Notfall-Maßnahmen vor
Der Leitzins bleibt bei null Prozent. Im Raum steht nun ein neues Kaufprogramm für Staatsanleihen.
FRANKFURT (dpa) Die Europäische Zentralbank (EZB) bereitet angesichts der Verschärfung der Corona-Krise weitere Notfallmaßnahmen vor. Die Währungshüter seien dabei, all ihre Instrumente und deren Wirkung unter die Lupe zu nehmen, sagte Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde nach Beratungen des EZB-Rates am Donnerstag. Es gehe darum, den „bestmöglichen Mix“zu finden, um der Lage gerecht zu werden.
Der EZB-Rat sei sich einig, dass weitere Maßnahmen notwendig seien, sagte Lagarde. Die Risiken für die Konjunktur nähmen eindeutig zu. „Wir werden alle Flexibilität nutzen, die wir haben.“In ihrer Sitzung am 10. Dezember wollen die Währungshüter anhand neuer Prognosen zu Konjunktur und Inflation eine „gründliche Neubeurteilung“vornehmen und ihre „Instrumente der Lage entsprechend neu kalibrieren, um die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen und den negativen Auswirkungen der Pandemie entgegenzuwirken“, teilte die Notenbank mit.
Volkswirte gehen davon aus, dass der EZB-Rat eine Ausweitung des Notkaufprogramms für Staats- und Unternehmensanleihen beschließen dürfte. Bislang sind für das im März aufgelegte, besonders flexible Kaufprogramm Pepp (Pandemic Emergency Purchase Programme) 1,35 Billionen Euro bis mindestens Ende Juni 2021 veranschlagt. Die Wertpapierkäufe helfen Staaten wie Unternehmen: Sie müssen nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralbank als großer Käufer der Papiere am Markt auftritt.
Zuletzt mehrten sich die Anzeichen, dass die Erholung der Wirtschaft im Euroraum ins Stocken gerät. In vielen Ländern verhängen die Regierungen wegen Corona erneut einen Lockdown. Der Anstieg der Infektionszahlen und die neuen Beschränkungen bedeuteten Gegenwind für die Konjunktur, sagte Lagarde. Es zeichne sich ab, dass die Erholung der Wirtschaft im Euroraum schneller als erwartet an Dynamik verliere.
Die seit einem Jahr amtierende Notenbank-Präsidentin hatte kürzlich betont, die geldpolitischen Möglichkeiten seien noch nicht ausgeschöpft: „Wenn mehr getan werden muss, werden wir mehr tun.“Außer mit zusätzlichen Anleihenkäufen hat die EZB auf die Pandemie bislang mit neuen günstigen Langfristkrediten für Banken reagiert.
Bei den Zinsen hat die EZB wenig Spielraum. Der Leitzins im Währungsraum der 19 Staaten liegt seit viereinhalb Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent und bleibt auch nach der Zinssitzung vom Donnerstag auf diesem Niveau. Geschäftsbanken müssen seit Juni 2014 Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Dieser Einlagenzins bleibt bei minus 0,5 Prozent.
Nach Einschätzung der Bundesbank waren die Negativzinsen in Summe bisher kein Problem für Deutschlands Banken. Allerdings nehme die Wahrscheinlichkeit zu, dass in einer Gemengelage aus Abschwung der Konjunktur, steigender Vorsorge für mögliche Kreditausfälle und schrumpfenden Kapitalpuffern ein Punkt erreicht werde, an dem Negativzinsen ihre Wirkung einbüßten oder sich diese ins Gegenteil verkehre. Mit ihrer Geldpolitik will die EZB dieWirtschaft ankurbeln und einem stabilen Preisniveau bei knapp unter zwei Prozent Inflation nahe kommen.