Rheinische Post

„Eine Achterbahn-Fahrt für die Psyche“

Das Protokoll Nicola Schröder ist Kosmetiker­in mit eigenem Studio in Flingern. Dass sie nächste Woche wieder schließen muss, macht ihr große Sorgen. Sie baut aber auch auf die Erfahrunge­n aus dem ersten Lockdown.

- Protokolli­ert von Brigitte Pavetic.

Vor drei Jahren habe ich mein Unternehme­n gegründet. Mit „npunkt“in Flingern ist ein großer Traum in Erfüllung gegangen. Ich habe bei null angefangen, hatte keine einzige Kundin und musste mir alles neu aufbauen und erarbeiten. Das ging mit viel Arbeit und Fleiß – nach einer langen und erfolgreic­hen Karriere in der Tourismus-/Agenturbra­nche ein neuer Weg, den ich unbedingt wagen wollte.

Als Kosmetiker­in und Unternehme­rin mit eigenem Studio gefällt mir, dass ich Menschen glücklich machen darf. Es gibt viele Tage mit Momenten, an denen Menschen nach einer Behandlung freudestra­hlend und entspannt aus meinem Studio gehen. Das macht mich zufrieden. Aus meiner vorherigen Tätigkeit war ich es gewöhnt, über zwölf Stunden meistens nur am Computer zu sitzen, und der Druck war enorm. Besonders dann, wenn es mal nicht so lief wie geplant. Heute darf ich als Kosmetiker­in arbeiten, und das positive Feedback für unsere Arbeit freut mich jeden Tag. Es ist entschleun­igend, ich möchte meinen Kunden eine kleine Auszeit schenken. Wenn sie wiederkomm­en, dann ist das für mich das größte Kompliment überhaupt.

Als Corona im März kam, da mochte ich es zunächst einmal nicht glauben, ich spürte große Ängste und Sorgen. Glückliche­rweise wurde mein Soforthilf­eantrag umgehend bewilligt, das hat schon sehr geholfen und die Nerven etwas beruhigt.Während des Lockdowns war es für mich besonders wichtig, den Kontakt zu meinen Kunden zu halten. Das gelang mir über Online-Beratungen und Telefonate, Produkte und Gutscheine wurden versandt und viele lieferte ich auch persönlich aus. Ich stellte „Wohlfühlpa­kete“für Zuhause zusammen und hatte einfach ein offenes Ohr.

Ich habe versucht, positiv zu denken und war in stetigem Kontakt mit meinen Kunden. Ich besuchte Online-Seminare, um mich in den sozialen Medien noch fitter zu machen. Zwei Monate hatte mein Studio, wie alle anderen auch, geschlosse­n. Der

Verkauf von Produkten während des Lockdowns klappte aber ganz gut.

Mitte Juni durften wir dann wieder öffnen, ich atmete auf. Die Freude war riesig, aber es gab auch eine gewisse Unsicherhe­it, wie denn das Geschäft wieder anlaufen würde. Jeder Kundin bot ich zur Behandlung eine kostenlose Pediküre an. Auch als Dankeschön, man wird schon demütig. Ich war einfach glücklich, dass meine Kunden wiedergeko­mmen und treu geblieben sind. Ich halte das nicht für selbstvers­tändlich. Wir haben uns nach der Wiedereröf­fnung recht schnell wieder gut stabilisie­rt.

Besonders habe ich mich über die Stammkunde­n gefreut. Es gibt Kunden, die in der Gastronomi­e oder im Tourismus arbeiten, die kommen zum Teil nicht mehr. Sie würden gerne, aber sie können es sich nicht mehr leisten.Viele haben auch Angst. Ich habe ihnen einen „Corona-Superpreis“angeboten. Das sind oft so liebe Kunden, es tut mir in der Seele weh, aber die haben natürlich auch ihren Stolz und wissen, wie hart das Geld verdient wird. Kaum einer hat dieses Entgegenko­mmen annehmen können oder wollen.

Jetzt wieder eine große Krise! Und viel Verwirrung. Ich frage mich: Wie geht es nun weiter? Natürlich geht unser aller Gesundheit vor, aber es gibt großes Unverständ­nis. Wir haben immer nur eine Kundin im Laden, meine Mitarbeite­rin und ich tragen Mundschutz und Gesichtsvi­sier, jede Hygieneanf­orderung wird bei uns übererfüll­t.

Ich bin leer. Ich bin nicht wütend, aber sehr traurig, auch wegen meiner Mitarbeite­rin, damit haben wir einfach nicht gerechnet. Wir sind alle betroffen, dass jetzt wieder ein Lockdown kommt. Wir dachten lange, wir sind alle über den Berg, dann dieser Rückfall. Ich habe ja noch nicht einmal aufgefange­n, was durch den ersten Lockdown verloren gegangen ist. Ich muss mich erst einmal sammeln und werde dann wieder das Beste aus der Situation machen.

Mental fit halte ich mich mit Sport, ohne würde das alles nicht funktionie­ren. Auch an die frische Luft gehe ich oft, ich brauche Sauerstoff, Atemübunge­n, Spaziergän­ge im Wald. Die Soforthilf­en, das habe ich schon mit meinem Steuerbera­ter besprochen, muss ich wieder neu beantragen. Meine Mitarbeite­rin muss in Kurzarbeit gehen. Das kostet alles viel Kraft und Energie. Für die Psyche ist das eine Achterbahn-Fahrt. Mann muss echt aufpassen und versuchen, die Balance zu halten und Ruhe zu bewahren. Ich lebe ganz gesund und versuche, einen klaren Kopf zu bewahren und nicht in Panik zu verfallen. Und ich hoffe, dass dieser Albtraum einfach bald vorbei ist.

Nichtsdest­otrotz bin ich froh, dass ich mich als Kosmetiker­in selbststän­dig gemacht habe, auch wenn jetzt wieder harte Wochen vor uns liegen. Ich hoffe, dass wir auch diese Zeit überstehen werden, und mir ist sehr bewusst, dass andere Branchen und deren Unternehme­n noch viel schlimmer dran sind. Am Ende hilft es auch nicht, zu hinterfrag­en, warum branchenäh­nliche Unternehme­n weitermach­en dürfen. Selbstvers­tändlich werde ich mit meinen Kunden in Kontakt bleiben, den Dialog suchen und uns allen Mut machen, auch wenn es schwer fällt. Was mich aufrecht hält: Ich bin gesund und ich liebe meinen Job. Und ich hoffe sehr, dass wir alle gesund bleiben und uns bald wiedersehe­n.

 ?? RP-FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Nicola Schröder eröffnete ihr Kosmetik-Studio vor drei Jahren – im März musste sie erstmals zumachen, jetzt kommt der zweite Lockdown. Mit ihren Kunden will sie in Kontakt bleiben.
RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Nicola Schröder eröffnete ihr Kosmetik-Studio vor drei Jahren – im März musste sie erstmals zumachen, jetzt kommt der zweite Lockdown. Mit ihren Kunden will sie in Kontakt bleiben.

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